Sandra Schwarz, die ihr Baby Lara im Arm hält, das es so eilig hatte, auf die Welt zu kommen. Daneben Vater Alexandre Pereira-Anes mit der fast zweijährigen Alicia. Foto: Ließmann

Junge Mutter bemängelt das Ende der Geburtsklinik – kam es bei ihr doch auf jede Minute an.

Nagold/Wildberg - Eine Stadt wie Nagold ohne Geburtsklinik? Ein Gedanke, bei dem sich vor allem werdende Mütter schwer tun. Wenn’s so weit ist und die Wehen einsetzen, kommt es auf jede Minute an – wie der Fall von Sandra Schwarz eindrücklich beweist.

Was sich in der Nacht zum 10. September in Wildberg und anschließend in der Nagolder Geburtsklinik zugetragen hat, war ein Wettlauf mit der Zeit. Gegen 2 Uhr am Morgen wacht Sandra Schwarz aus Wildberg mit leichten Wehen auf. Doch noch sind sie erträglich und sie wartet zu. Auch ihre Hebamme, eine Beleg-Hebamme der Nagolder Geburtsklinik, hat nach einem Telefonat mit der hochschwangeren, jungen Frau gegen 4.45 Uhr das Gefühl, dass es ihr – trotz stärker werdenden Wehen – noch recht gut geht. Mit dieser beidseitigen Einschätzung verabredet man sich auf 6 Uhr am Morgen in der Klinik.

Doch plötzlich werden die Schmerzen der jungen Frau, die bereits Mutter eines knapp zweijährigen, bezaubernden Mädchens ist, immens. Dazu leidet sie unter starker Übelkeit und sie schafft es nur noch mit Müh und Not, in die Familienkarosse einzusteigen. Der Weg zur Nagolder Geburtsklinik kommt einer Tortur gleich, und trotz des kurzen Anfahrtsweges fühlt sich die Fahrt für die werdende Mutter an, als dauere sie ewig. Als die Familie endlich am Parkplatz des Nagolder Klinikums ankommt, ist es 5.55 Uhr und ihre Hebamme kommt ihnen schon am Empfang ahnungsvoll entgegen gelaufen.

Ihr war sofort klar, dass der jungen Frau keine Zeit mehr für die schwangerschaftsüblichen Untersuchungen bleibt und die Geburt unmittelbar bevorsteht. Und tatsächlich: Keine zwölf Minuten später wiegen Sandra Schwarz und Alexandre Pereira-Anes stolz und überglücklich ihr kleines, neugeborenes Töchterchen Lara in ihren Armen.

"Bei einem langen Anfahrtsweg wird jeder Holperer zur Qual"

Was in diesem Fall, trotz Zeitnot, so wunderbar reibungslos gelaufen ist, wird wohl bald der Vergangenheit angehören – sollte die Geburtsklinik im Klinikum Nagold tatsächlich schließen. Vorbei wären dann die Zeiten, in denen man als Schwangere darauf bauen kann, bei all der Aufregung und dem Wehenschmerz, sich wenigstens in die Hände des vertrauten Gynäkologen oder der bereits im Vorfeld auserwählten Hebamme begeben zu können. Eine nicht unerhebliche Sicherheit und Geborgenheit, die bisher den Gebärenden Nagolds gewiss war, ginge somit verloren. Ganz zu schweigen vom längeren Anfahrtsweg, den die werdenden Mütter in Zukunft zurücklegen müssten. Wer weiß, ob bei der Familie Schwarz/Pereira-Anes alles gut gegangen wäre? "Wenn man Wehen hat, hat man Schmerzen", so Sandra Schwarz, "hat man einen langen Anfahrtsweg, wird jeder Holperer zur Qual! Hinzu kommt die Angst, ob man es noch rechtzeitig in die Klinik schafft!" "Außerdem", so ihr Ehemann, "sind die Untersuchungen etwas sehr Persönliches. Man möchte sich dabei in die Hände des Arztes begeben, zu dem man auch zur Schwangerschaftsvorsorge ging. Und ebenso verhält sich das mit der Hebamme, zu der man meist ein ganz besonderes Verhältnis hat. Das beruhigt eine Entbindende ungemein und ist angenehmer für sie."

Die Gedanken der jungen Familie werden von vielen Nagoldern geteilt. Fast kein Tag vergeht, an dem nicht Mütter, Väter und Eltern in unserer Redaktion anrufen oder uns schreiben, um ihren Unmut über die drohende Schließung der Nagolder Geburtsklinik kundzutun. So hat man die Sorge, dass es in der "kinderfreundlichen Stadt Nagold – man wirbt schließlich damit – bald keine original Nagolder mehr geben wird". Eine weitere Mutter ist wütend, dass all die Versprechungen, die Geburtsklinik retten zu wollen, leere Versprechungen waren. Sie fragt sich, ob die Herren vom Vorstand des Klinikums schon mal in den Wehen lagen und dabei deren Zeit knapp war.

Andere Bürger sorgen sich ums Personal. Auch gingen mit der Geburtsklink Erinnerungen verloren, so eine traurige Mutter. "Wut und Fassungslosigkeit" herrscht zudem darüber, dass nicht einfach etwas Geld in die Hand genommen wird, um die Geburtsklinik etwas freundlicher zu gestalten und ein wenig zu erneuern. "Die Veränderungen müssten nicht einmal weltbewegend sein", regt eine weitere Mutter, die erst kürzlich in Nagold entbunden hat, an: "Es fehlen einfach nur etwas wärmere, ansprechende Farben und Liebe in der Gestaltung. Dann würde das sicher auch wieder werdende Eltern anlocken."

Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. Am Personal, so der allgemeine Tenor, liegt es jedenfalls nicht, dass in Nagolds Geburtsklinik die Geburtenrate zunehmend rückläufig ist. Denn man habe sich pudelwohl und sehr gut aufgehoben gefühlt. Jederzeit konnte man seine Fragen stellen und die Betreuenden hätten sich rührend und aufopferungsvoll um einen gekümmert.

"Warum macht man es den Schwangeren in Nagold so schwer?"

Einen Aspekt, den auch Sandra Schwarz nennt, sei die intensive Werbung, die zum Beispiel die Geburtsklink Herrenberg betreibe. "Werbung wirkt eben. Und in der Hinsicht wurde in Nagold nicht viel getan." Zum Ende des Gespräches sagt die junge Mutter bewegt: "Jede Stadt sollte froh sein um jedes einzelne Kind. Warum also macht man es den Schwangeren in Nagold so schwer?"