Ein historischer Tag und eine historische Sitzung für die Nagolder evangelischen Christen: Die bisherigen drei Teilgemeinden Stadtkirche, Remigius und Iselshausen beschlossen in einer Sitzung des Gesamtkirchengemeinderates ihre Fusion zum 1. Januar 2016 als "Evangelische Kirchengemeinde Nagold". Foto: Kunert

Kontroverse um "feindliche Übernahme" kann Zusammenschluss der Kirchengemeinden nicht verhindern.

Nagold - Dekan Ralf Albrecht nannte es einen "historischen Tag für die Nagolder Evangelische Kirche" und einen "riesen Vertrauensbeweis". Michael Ehrmann als erster Vorsitzender des Gesamtkirchengemeinderats sah vor allem eine "große Aufgabe für die Zukunft": Die bisher drei Nagolder Kirchengemeinden Stadtkirche, Remigius und Iselshausen haben ihre Fusion zum 1. Januar 2016 beschlossen.

Dabei fiel die Abstimmung trotz zuletzt doch noch heftiger Kontroversen innerhalb des Iselshausener Kirchengemeinderats dennoch überaus deutlich aus: Von 29 anwesenden Mitgliedern des Nagolder Gesamtkirchengemeinderates, dem alle Vertreter der bisher drei eigenständigen Teilkirchengemeinderäte angehören, stimmten in geheimer Abstimmung 28 Räte für die Fusion – bei nur einer Gegenstimme.

Damit ist nun fristgerecht der Weg frei, beim Oberkirchenamt in Stuttgart formal die Auflösung der drei bisherigen Teilkirchengemeinden Stadtkirche, Remigius und Iselshausen zu beantragen sowie die Zusammenführung beziehungsweise Fusion der derzeit insgesamt rund 5200 evangelischen Gemeindemitglieder in einer einzigen neuen Kirchengemeinde, die dann künftig den Namen "Evangelische Kirchengemeinde Nagold" tragen soll.

Notwendig geworden ist diese Fusion, nachdem die Landessynode der Evangelischen Landeskirchen im Jahr 2011 aus Kostengründen die Kürzung von insgesamt 87 Gemeindepfarrstellen (auf dann landesweit 1686 Stellen) beschlossen hatte. Für das Dekanat Nagold bedeutete dies, die Zahl der Pfarrstellen hier von 26,25 Stellen auf künftig 24,75 Stellen zu reduzieren. Ein Vorschlag, den dazu die Nagolder Bezirkssynode zur Umsetzung dieser Vorgaben erarbeitet hatte, war der Wegfall der bisherigen halben Pfarrstelle des Nagolder Krankenhauses, deren Aufgaben dann durch einen der drei Nagolder Pfarrstellen mit übernommen werden sollte.

Im Zuge dieser Neuordnung hatte der sogenannte "Engere Rat" der Nagolder Gesamtkirchengemeinde die Planung der Fusion der bisher drei eigenständigen Teilkirchengemeinden erarbeitet, um mit der Kompensation der wegfallenden halben Pfarrstelle auch insgesamt schlankere Verwaltungs- und Arbeitsstrukturen zu gewinnen und bei ja weiter rückläufigen Mitgliederzahlen der Kirchengemeinden die "Kompetenzen und Talente der einzelnen Gemeindeteile" bestmöglich zu entwickeln. Konkret heißt das, dass die künftigen Gemeindebezirke Stadtkirche, Remigius und Iselshausen jeweils vor Ort nicht mehr alle Angebote einer Kirchengemeinde jeweils vorhalten brauchen, sondern jeder Teil "das, was er am besten kann", wie Michael Ehrmann es ausdrückte. Damit wolle man ein größeres Miteinander in der neuen Gesamtkirchengemeinde erreichen und so auch die Zukunftsfähigkeit als lebendige Seelsorgegemeinschaft herstellen.

Vor der Abstimmung zur Fusion im Gesamtkirchengemeinderat hatten die Mitglieder der drei Teilkirchengemeinderäte in jeweils eigenen Sitzungen die Auflösung ihrer jeweiligen Gemeinden beschlossen, wobei es wie erwartet bei der Iselshausener Vertretung noch einmal zu einer zum Teil heftigen Kontroverse kam. Dabei nannte Kirchengemeinderat Thomas Baitinger den bisher als "Fusion unter Gleichen" diskutierten Zusammenschluss der drei Teilkirchengemeinde aus seiner Sicht für Iselshausen "eine feindliche Übernahme", bei der künftig die Fremdbestimmung für Iselshausen durch die Gemeindeteile der Nagolder Kernstadt drohe.

Daher sei eine Fusion aus Iselshausener Sicht derzeit "törricht", da die bisher vorliegenden Vorschläge für die künftige gemeinsame Gemeindesatzung und die darin festzulegenden Besetzungen der künftigen Gemeindegremien wie Kirchengemeinderat oder Strukturausschuss keine ausreichende Vertretung der Iselshausener Belange zulassen würde.

Der Hintergrund dazu: Aktuell rechnen zur Iselshausener Jakobuskirchengemeinde knapp 1800 Gemeindemitglieder, und damit gut ein Drittel der gesamten Nagolder evangelischen Christen. Allerdings: Aus Iselshausen selbst kommen davon nur rund 600 Gemeindemitglieder, die übrigen 1200 wurden bisher etwa aus dem Bezirk Steinberg nach Iselshausen "gerechnet". Künftig, in der neuen Ordnung der Nagolder Kirchengemeinde, wird der "Proporz" etwa bei Kirchengemeinderatswahlen gemäß dem geltenden Landeskirchenrecht nach Hauptort (Nagold mit rund 4600 Mitgliedern) und Teilort (Iselshausen mit 600) berechnet. Damit verliert Iselshausen innerhalb der neuen Kirchengemeindestruktur zwangsläufig an Bedeutung.

Allerdings, und das war denn auch der Tenor bei der eigentlichen Abstimmung sowohl in den Teilkirchengemeinderäten als auch im Gesamtkirchengemeinderat, gehe es bei der jetzt anstehenden Neuordnung der Gemeinde ja um das Herstellen einer einzigen, eben gemeinsamen Kirchengemeinde. Weshalb man das "Verbindende" und nicht das "Trennende" suche.

Trotzdem entschied sich der Gesamtkirchengemeinderat bei seiner weiteren Arbeitssitzung dazu, die nun bis Ende des Jahres fertig zu erarbeitende neue Gemeindesatzung bei der Besetzung des künftigen Kirchengemeinderats so zu formulieren, dass eine "2 plus 8 plus 2"-Lösung angestrebt werde, wobei wie bei einer unechten Teilortswahl jeweils zwei Sitze fest an die bisherigen Gemeinden Remigius und eben Iselshausen gehen sollen. Ob das so auch rechtlich einwandfrei funktioniert, soll im Dialog mit dem Oberkirchenamt geklärt werden.