Nagold - Woche für Woche gehen in Deutschland Tausende Jugendliche für den Klimaschutz auf die Straße. Jetzt hat die Fridays for Future-Bewegung auch Nagold erreicht. Am Freitag ruft die frischgebackene Ortsgruppe "generationenübergreifend" zur Demo in der Innenstadt auf – und will damit auch lokalpolitische Forderungen durchsetzen.

Was die junge Schwedin Greta Thunberg mit ihrem "Skolstrejk" einst losgetreten hat, ist längst zu einer globalen Initiative geworden. Allein in Deutschland gingen bei einem der jüngsten Aktionstage mehr als 300.000 Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts auf die Straße.

Schwänzen für ein besseres Klima? Ja, sagt Jonas Mayer, ein 16-jähriger Schüler vom Calwer Wimberg, "ohne diesen zivilen Ungehorsam wären wir nie so weit gekommen."

Die Stadt will lieber neutral bleiben

Die Kreisstadt ist, was dies anbelangt, Nagold eine Nasenlänge voraus. Schon im Frühjahr ignorierten hier 350 Schüler die Schulpflicht für die Freitagsdemo, um Druck auf die Politik auszuüben. Am darauffolgenden Streiktag scharten sich zwar nur noch 20 Aktivisten um die Streikbanner, aber entmutigen ließ sich die junge Ortsgruppe nicht. Man sieht dies eher "als Zeichen einer schlechten Mobilisierung", sagt Lauren Weiß, 16-jähriger Schüler aus Oberreichenbach.

Jetzt wollen die Calwer den Nagoldern Schützenhilfe leisten und rufen gemeinsam mit Steffen Schnürer, einem 25-jährigen Informatikstudenten aus Ebhausen, zur ersten Fridays for Future-Demo in Nagold auf. Bei den örtlichen Schulen reagierte man auf diese Ankündigung eher reserviert. Walter Kinkelin, Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums, findet es einerseits "sehr gut", dass sich "junge Menschen engagieren und in ihre Zukunft schauen", verweist aber andererseits auf die klare Ansage aus dem Kultusministerium.

Kinkelin auf Anfrage unserer Zeitung: "Ich kann die da nicht freistellen." Aber zugleich lässt er durchblicken: "Wir werden mit pädagogischem Verantwortungsgefühl damit umgehen." Heißt: Im Zweifel soll im Einzelfall geprüft werden, ob der Schüler nur einmal wegen dieser Demo unentschuldigt fehlt oder schon mehrfach durch notorisches Schwänzen aufgefallen ist. Gegenüber den Nagolder Aktivisten wurde Kinkelin in einer Mail noch deutlicher: Aussagen, wonach bei Teilnahme an der Demo ein Schulverweis drohe, seien "nicht zutreffend. Das wäre pädagogisch unsinnig und zudem rechtswidrig."

Andreas Kuhn, Rektor an der Christiane-Herzog-Realschule Nagold, wollte sich "ad hoc" lieber nicht zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, zumal er erst von der Zeitung von diesem Demoaufruf erfuhr. Er verwies stattdessen auf den Chefjuristen des Kultusministeriums Johannes Lambert. Der hält Schulstreiks generell für rechtswidrig.

Glaubt man den Schilderungen der jungen Aktivisten, dann reagierte auch die Nagolder Stadtverwaltung, voran deren Ordnungsamt, eher abschätzig auf die Demopläne der frischgebackenen FFF-Ortsgruppe und riet demnach, die Demo abzublasen, weil die Aktivisten doch eh völlig überfordert seien.

"Ich weiß, es geht manchen zu langsam"

Eine Beteiligung der Stadt an dieser Demo, wie sie die jungen Aktivisten ursprünglich vorgeschlagen hatten, lehnte OB Jürgen Großmann ab: "Wir demonstrieren nicht als Stadt gegen Land oder Bund", erklärte das Stadtoberhaupt auf Anfrage unserer Zeitung, "wir haben eine neutrale Rolle einzunehmen." Großmann verwies in diesem Zusammenhang auf die millionenschweren Sanierungen der Nagolder Schulen, die letztlich vor allem dem Klimaschutz dienten: "Ich weiß, es geht manchen zu langsam, aber es kostet auch horrende Summen."

Die fehlende Unterstützung der Stadt stößt den Initiatoren der Nagolder Demo freilich auf: "Warum", so fragt Steffen Schnürer, "sollen uns Politiker auf Bundesebene zuhören, wenn es nicht mal die Politiker auf lokaler Ebene tun?"

Dafür will man am kommenden Freitag, wenn sich um 11 Uhr am Nagolder Youz die zweistündige Demo durch die Stadt formieren wird, nicht nur den bundespolitischen Forderungskatalog der Bewegung, voran den Ausstieg aus dem Kohlestrom, zur Sprache bringen, sondern auch auf lokale Themen hinweisen, die auch den Nagolder Umweltverbänden unter den Nägeln brennen: voran – nach dem Tod des Amtsinhabers – die Einstellung eines Klimaschutzmanagers als 100-Prozent-Stelle und die Umsetzung des Radwegekonzeptes.

Wenn sich die Stadt hier klar positioniere, könnten die weiteren Aktionspläne der Nagolder FFF-Ortsgruppe schnell wieder in den Schubladen verschwinden: "Wenn diese Forderungen erfüllt werden, wäre schon viel gewonnen", sagt Schnürer: "Damit würden die Politiker vor Ort zeigen, das sie zuhören können und nicht nur ihr eigenes Ding machen."

Weitere Informationen:

www.Fridayssforfuture.de/regionalgruppen

Seite 2: Drei Fraktionen unterstützen Aktivisten

Die Fridays for Future-Aktivisten können mit ihrer geplanten Demo am Freitag auf breite Unterstützung aus dem Nagolder Stadtrat zählen. In einem gemeinsamen Antrag der Grünen, der FDP und der SPD heißt es: "Die Friday for Future-Bewegung spricht aus, was uns allen längst bewusst sein sollte. Es ist höchste Zeit zu handeln. Der Mensch hat bereits einen Klimawandel mit irreversiblen Folgen verursacht, welche weltweit zu spüren sind."

Deswegen liege es in der Verantwortung der Kommunen, ihre gesamte Gestaltungsmacht auszunutzen, um die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Klimakrise gerecht zu werden und – so wörtlich – "diese endlich als das zu behandeln, was sie ist: eine existenzielle Krise." Grüne, Liberale und Sozialdemokraten verbinden diesen Antrag auch mit einer konkreten Forderung: Die Stelle des Klimaschutzmanagers müsse nach dem plötzlichen Tod des Amtsinhabers sofort ausgeschrieben werden. Durch eine längere Vakanz wäre ihrer Meinung nach die Koordination der städtischen Projekte zur Umsetzung des Klimaschutzkonzepts massiv gefährdet.