Das Zwerenberger Vokalensemble, hier beim Auftritt in Nagold, machte seinem guten Ruf alle Ehre. Foto: M. Bernklau Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Ulrich Seegers Zwerenberger Vokalensemble musiziert Marc-Antoine Charpentier in der Stadtkirche

Ohne die grandiose Eurovisions-Hymne, fürs Fernsehen ein wenig glanzvoll aufgebrezelt, wüsste man hierzulande wohl nicht viel von Marc-Antoine Charpentier. Ulrich Seeger und sein Zwerenberger Vokalensemble haben dem barocken Franzosen zwei ganze Konzerte gewidmet.

Nagold/Zwerenberg. Am Samstag in seinem namensgebenden Heimatort und tags darauf in der Nagolder Stadtkirche musizierten sie zwei Märsche, eine Messe "Assumpta est Maria" und das "Te deum" mit jener einleitenden Fanfare.

Im hessischen Friedberg lebt und wirkt der Kirchenmusiker Ulrich Seeger seit langem, blieb der Heimatgemeinde mit seinen ausgezeichneten Projektchor-Sängern und seinem Barockensemble Cantate Dominum aber stets verbunden. Für das Charpentier-Konzert hatte er die Sopranistinnen Simone Schwark und Kristina Schaum und den Altus Matthias Lucht sowie den Tenor Thomas Jakobs engagiert.

Ständiger Wechsel in Tempo und Ausdruck

Dass in diesem vorzüglichen Solistenensemble der Bassbariton Markus Flaig nach zweifacher Absage wirklich im allerletzten Moment eingesprungen war, hörte man nicht heraus. Er passte auch bestens zu den genau abgestimmten Färbungen und Charakteren.

Schon an der Messe ließ sich das Besondere und für heutige Ohren Andere, vielleicht etwas Fremde dieser Musik aus der Zeit des Versailler Sonnenkönigs Ludwigs des XIV. wahrnehmen. Ein paar Jahrzehnte älter als Bach, ist seine feine musikalische Rhetorik doch noch viel mehr den Kirchentonarten, den sogenannten Modi des gregorianischen Chorals und ihren emotionalen Charakteren verpflichtet.

Dabei huldigt Charpentier doch so prachtvoll und lustvoll Dur- und Moll-Akkorden und geht eher sparsamer als ein Bach mit ausgewachsenen Fugen um.

Dafür sind die Messe und das "Te deum" gleichermaßen nicht in großen Nummern, sondern in dicht aufeinander folgenden Episoden aufgebaut. Dieser ständige Wechsel in Tempo und Ausdruck erforderte von den Instrumentalisten wie den eng verzahnten solistischen und chorischen Stimmen eine ganz immense Konzentration auf die ganz flexiblen subjektiven Vorgaben des Dirigenten. Das gelang durchweg ganz ausgezeichnet.

Dabei kam, zumindest in Nagold, die Überakustik der ganz gut besuchten Stadtkirche dem zarten barocken, am mutmaßlichen Original geschulten Klangbild eher nicht so gut entgegen. Der starke Hall verwischte zuviel von der schwebenden Transparenz und auch der subtilen Artikulation. Zu diesem Historischen freilich trugen alt eingerichtete Streichinstrumente und Bögen ebenso bei wie hölzerne Travers-Querflöten, Blockflöten, Naturtrompeten oder die langhalsige Laute, die auch als Theorbe bekannt ist.

Großartige Kraft des Ausdrucks

Die Pauken, die auch die heute berühmte Fanfare des "Te Deum" – im barocken Sound festlich, aber nicht ganz so mächtig prunkend – ganz alleine einleiten, wirken in diesem Raum leicht wie dumpfes Grollen, die so staunenswert präzise geblasenen Trompeten wie ein von Ferne weit herüberhallendes Kriegssignal.

Auch wenn die Akustik etwas zu wenig von den sorgsam ausgearbeiteten Details ankommen ließ, machte doch die großartige Kraft des Ausdrucks in seinem genau ausbalancierten Ebenmaß einen tiefen Eindruck auf die Zuhörer. Der Beifall war so lang wie begeistert und galt dem gesamten Ensemble, das sich nicht nur des Namens wegen unter die "Hidden Champions", die stillen Marktführer aus dem Schwäbischen zählen darf.