Der Nagolder Helmut Raaf feiert am Sonntag seinen 70. Geburtstag.Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Am Sonntag feiert mit Helmut Raaf ein Nagolder Visionär seinen 70. Geburtstag

Helmut Raaf galt lange Jahre als unverstandener Prophet im eigenen Land. Heute sind seine Visionen längst umgesetzt. Am Sonntag wird er 70.

Nagold. Es war ruhig geworden um den Visionär. Dass Helmut Raaf in den vergangenen Wochen nahezu ganz von der Bildfläche verschwand, war alleine Corona geschuldet. Mittlerweile scharrt er schon wieder mit den Füßen und will sich der Pandemie und deren Folgen für den Nagolder Einzelhandel mit aller Kraft entgegen stemmen.

Wenn man Nagold verstehen und die DNA dieser Stadt lesen will, muss man Menschen wie diesen Mann kennen, dessen Gesichtszüge so viel über seinen Charakter erzählen. Ein bodenständiger Kaufmann, württembergisch bis ins Mark. Allein sein Briefkopf spricht Bände: "Helmut Raaf – Bürger zu Nagold".

Männer wie dieser Schuhhändler lassen sich nicht in klassische Schubladen stecken. Er ist streng gläubig mit pietistischer Prägung und aufgrund seines Hanges zur klösterlichen Kultur auch ein bisschen katholisch. Er sitzt seit mehr als 30 Jahren für die CDU im Stadtrat, aber ohne Parteibuch, das seinen freien Geist fesseln könnte. Er ist geboren im Tal, aber mit Weitsicht gesegnet. Ein fortschrittlicher Konservativer.

Schon als er 1990, mit 40 Jahren, das Amt des Gewerbevereinsvorsitzenden übernahm, hatte er eine Vision von dieser Stadt, die er auch kommunalpolitisch wie eine Monstranz vor sich her trug: die Vision von einer autofreien Marktstraße. Dafür wurde er lange belächelt. Er konnte seine Thesen noch so fundiert mit Zahlen und Fakten untermauern, die er in seinem großen Netzwerk in der Schuh- und Einzelhandelsbranche in Erfahrung brachte – er war der Prophet im eigenen Land, dem nur wenige Gehör schenkten. Heute ist für viele die autofreie Innenstadt am Wochenende und an vielen Festtagen eine Selbstverständlichkeit. Dass es sie gibt, hat viele Väter. Ganz oben auf der Liste steht aber der Name Helmut Raaf.

Er dachte immer in Modulen. Alles, was er anpackte, war Teil eines größeren Systems, gipfelnd in dem Ziel einer lebendigen Einkaufsstadt mit dem so typischen Nagolder Altstadt-Oval als urbane Kraftquelle. Es gibt kaum einen Bereich, in dem er nicht involviert gewesen, kaum eine Veranstaltung im Jahreskalender von Stadt- und Cityverein, zu deren Entstehung er nicht beigetragen hätte.

Eines dieser Module ist die Jakobiner-Reihe, die er mit anderen Stadträten aller politischen Couleur einst aus der Taufe hob und die Bände über seinen Typus spricht. Dass er darin in die Rolle des Biersieders Christian Sauter schlüpfte, ist mehr als Maskerade, wie spitze Zungen behaupten. Hier kommt einer seiner vielen Charakterzüge zum Vorschein: Helmut Raaf – der Querdenker, unbeugsam, zuweilen stur. Mit dem Hang zum Rebellen, der aber nicht zum Umstürzler wird. Aber immer mit dem Herz am richtigen Fleck.

Helmut Raaf hat den Vorsitz im City- und auch im Gewerbeverein längst abgegeben, aber sein Rat als lokaler Elder Statesman bleibt gefragt. Auch wenn er sich zuweilen kaum zurückhalten kann, weil es ihm, wie jetzt in der Corona-Lethargie, nicht schnell genug geht.

Er pflegt seine Kontakte in Politik und Handel

Und er pflegt seine Kontakte in die Landespolitik und auch in die Handelsbranche weiter. Ohne ihn und sein Netzwerk hätte es die LDT-Adria-Challenge, die in diesem Jahr zum zehnten Mal als Mega-Event der Modebranche stattfinden sollte, aber Corona zum Opfer fiel, genauso wenig gegeben wie die Nagolder Weinrede, deren prominente Protagonisten allesamt in seinem Adressbuch zu finden sind. Die Stadtkultur auf wunderbare Weise bereichert hat der Autodidakt auch mit seinen Inszenierungen "Licht – Gotik – Lithurgie" in der Stadtkirche. Zu seinem Glück hat er mit Frau Karola jemand zur Seite, der ihm neben seinem Beruf als Schuhhändler für all diese Berufungen bereitwillig den Rücken frei hält.

Freilich, an der Sieben vor der Jahreszahl hat er zu knabbern. Genauso wie einst an der Bezeichnung "Nonno", also Opa, wie seine international verstreute Enkelschar ihn ruft. Aber was scheren schon Zahlen. Was zählt, ist was bleibt. Helmut Raaf hat das Zeug zum Nagolder Original. Wenn er nicht schon längst eines ist.