So klingt der Sommer in Nagold: Das Nagolder Kammerorchester trat bei Traumwetter im Hof der Burgruine Hohennagold auf. Das Bild zeigt den Solisten Paul Schneider mit seinem frisch gestimmten Instrument – der Schreibmaschine. Foto: Fritsch

Dirigent Florian Hummel und sein Kammerorchester füllen den Burghof mit Musik für alle Generationen.

Nagold - Langsam wird’s eng auf der Naturbühne im Hof der Burgruine Hohennagold: Rund 80 Musiker umfasst das Nagolder Kammerorchester – das sind symphonische Ausmaße. Für das Publikum einer Freiluftveranstaltung ist das natürlich ein Plus: Und so erleben rund 700 Zuhörer beim Konzert im Burghof einen Nagolder Sommertraum.

Stadtmusikdirektor Florian Hummel und sein Nagolder Kammerorchester sind ja eigentlich schon alte Hasen. Zigmal spielte das Orchester im Burghof der Ruine Hohennagold. Und immer war und ist es ein Genuss. Doch in diesem Jahr ist’s eben besonders schön, besonders stimmungsvoll und vor allem besonders sommerlich. Man muss weit in die Geschichte der Burgkonzerte zurückgehen, will man solch einen herrlichen Sommerabend finden. "So gut war das Wetter noch nie", schwärmt Dirigent Florian Hummel. Bereits Tage zuvor zeichnete sich ab: das Wetter passt. Gedanken an die Schlechtwetter-Alternative in der Stadthalle brauchte niemand zu verschwenden.

Die rund 80 Musiker des Nagolder Kammerorchesters – einer Kooperation von Musikschule und OHG – glänzen in diesem einladenden Sommer-Ambiente natürlich auch musikalisch. Die Mischung macht’s, das ist Hummels Erfolgsgeheimnis. Mit einem Mix aus romantischer Klassik, bekannter Film-Musik und zeitgenössischen Orchesterstücken weiß er das Sommerambiente der Burg zu nutzen, füllt das altehrwürdige Denkmal mit stimmungsvoller Musik. Diese Mischung zu finden, ist eine Kunst für sich. Denn es gibt kaum ein Konzert-Publikum, das so bunt und vielschichtig ist wie bei den Nagolder Burgkonzerten. "Vom Enkel bis zur Großmutter" – nicht nur im Publikum gilt dieses Motto, es gilt ja auch für das Orchester selbst. Jugendliche Musikschüler sitzen da neben pensionierten Lehrern oder auch dem eigenen Instrumental-Dozenten. Auch da muss der Musik-Mix passen. Wer das eifrig spielende Orchester miterlebt, hat daran nicht den geringsten Zweifel.

Zum Programm: Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner reiht sich das Nagolder Kammerorchester in die Reihe der Gratulanten ein. Die Ouvertüre zu den Meistersingern eröffnet den Abend. Es folgen drei echte Schmankerl romantischer Musik: Antonin Dvoraks "Allegro molto" aus der berühmten Sinfonie "Aus der neuen Welt" ist einfach mitreißend. Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit erklingt dann das Andante aus der Haydn-Sinfonie "Mit dem Paukenschlag" (Nr 94 G-Dur). Die Variationen rund um das Grundthema passen fantastisch zu der Abendstimmung. Das reicht bis hin zum Zirpen der Schlossberg-Grillen, die man in den leiseren Passagen hören kann – wenn sich die Tiere freilich auch nicht ganz dem Taktstock Hummels unterwerfen wollen. Als souveräner und gut eingespielter Klangkörper präsentiert sich das Orchester ebenso bei den Haydn-Variationen von Johannes Brahms.

Ein Klassiker im Orchester-Repertoire und vor allem auch bei den jüngeren Zuhören sehr beliebt ist "In der Halle des Bergkönigs" von Edvard Grieg. Ein Stück, das beim Hören immer wieder Freude bereitet – und dem Nagolder Kammerorchester offensichtlich auch beim Spielen.

Karl Jenkins, ein zeitgenössischer Komponist aus Wales, ist mit "Palladio" vertreten. Streicher und die Trommelschläge im Marschrhythmus verbinden sich darin zu einem populären, mitreißendem Werk. Und das Kammerorchester zeigt damit, dass es sich auch im zeitgenössischen Genre wohl fühlt. Das gilt freilich auch bei der Interpretation der Filmmusik von Klaus Badelt. "Fluch der Karibik" zieht die Zuhörer in seinen Bann. Und siehe da: Das herrlich sehnsüchtige und den Hörer stets in die Ferne ziehende Grundthema funktioniert auch ohne Meereswogen – ganz auf dem Trockenen, auf Nagolds Schlossberg. Zum offiziellen Ende intoniert das Orchester das Finale aus Tschaikovskys 5. Sinfonie. Bei den zwei Zugaben betreten die Musiker noch ein neues Feld, und zeigen so die enorme Bandbreite dieses Orchesters: Zuerst "The Entertainer" und dann ein herrlich rhythmisches schwül-sommerliches "Summertime" sorgen beim Publikum für die richtige Melodie im Kopf für den Nachhauseweg.

Drei Solisten glänzen an diesem Abend. Tief ergriffen lauschen die rund 700 Zuhörer, wie der Bundespreisträger von "Jugend musiziert", Matthias Kalmbach, auf seiner Klarinette Introduktion, Thema und Variationen von Carl Maria von Weber zusammen mit dem Orchester spielt: Tosender Applaus ist der Lohn für diese musikalische Sternstunde. Den zweiten Glanzpunkt setzt der Solist Paul Schneider. "Allegro vivace" von Leroy Anderson spielt er zusammen mit dem Orchester. Sein Instrument? Die gute alte mechanische Schreibmaschine. Stilsicher und mit viel komödiantischem Talent zelebriert Schneider seinen Solopart auf der Schreibmaschine – nicht ohne sich vor Beginn noch von der Violinistin zum Stimmen seiner Schreibmaschine ein "A" geben zu lassen. Den dritten solistischen Glanzpunkt setzt der Querflötendozent der städtischen Musikschule, Christoph Kieser. Nicolai Rimsky-Korsakows "Hummelflug" intontiert er mit einer kaum mehr verfolgbaren Geschwindigkeit.

Virtuos, stimmungsvoll und immer auch für eine Überraschung gut – so klingt er, der Sommer in Nagold.