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Willkommen in Vollmaringen: Daniel Steinrode brennt für seinen Heimatort. Wohnraum ist enorm gefragt.

Wenn Daniel Steinrode durch seinen Heimatort Vollmaringen geht, trifft er auf Schritt und Tritt Bekannte. Die Bürger grüßen ihn, bleiben auf ein Schwätzle stehen oder tragen ihm ein Anliegen vor, das den Ort betrifft. Seit 2009 ist der 46-Jährige Ortsvorsteher und brennt für seine Heimatgemeinde. Bei einem Spaziergang durch den Ortskern zeigt und erklärt er mir als Ortsunkundige die Besonderheiten von Vollmaringen.

Nagold-Vollmaringen. Nicht nur die Steinrodes haben das Potenzial des zweitgrößten Nagolder Ortsteils erkannt. Viele Familien, hauptsächlich Auswärtige, sorgen für ein Bevölkerungswachstum in dem 1700-Einwohner-Ort. Lebten 1971 noch 905 Einwohner in Vollmaringen, hat sich die Zahl mittlerweile nahezu verdoppelt.

"Unser Hauptthema ist der Wohnungsbau, die Nachfrage ist groß", stellt der Ortsvorsteher fest. Auf fünf Bauplätze in der Heide gebe es eine Warteliste mit 65 Bewerbern.

Nähe zur Autobahn lockt viele an

Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die Nähe zur Autobahn und die schnelle Verbindung nach Stuttgart machen Vollmaringen gerade für Menschen, die in oder um die Landeshauptstadt arbeiten attraktiv, da hier Wohnen beziehungsweise ein Eigenheim im Gegensatz zu Stuttgart und seinem Speckgürtel noch relativ erschwinglich sind.

Aber auch die Alteingesessenen Vollmaringer wohnen gerne hier. Beim Spaziergang durch den Ort trifft Steinrode Hilde Braun, eine 85-jährige Einwohnerin, die gerade den Bäcker in der Ortsmitte verlässt. "Ich bin froh, dass wir die Filiale noch haben", sagt die Seniorin, die so ihre Einkäufe noch selbst mit ihrem Rollator erledigen kann. Die Bäckerei gleicht vielmehr einer Art Tante-Emma-Laden, die nötigsten Lebensmittel sind auch dort erhältlich. Für größere Einkäufe müssen die Vollmaringer allerdings nach Hochdorf oder Nagold fahren. Auch die Banken haben sich zurückgezogen, wie die Seniorin beklagt. Die Volksbank unterhält noch einen Automaten, Senioren fehlt dabei der Kundenkontakt. Um so froher ist Steinrode darüber, dass es noch einen Arzt im Ort gibt.

Was in dem Dorf auf der Höhe derzeit vor allem vermisst wird, ist eine Wirtschaft in der Ortsmitte. Nach 178 Jahren schloss Ende April mit der "Linde" das letzte Lokal in Vollmaringen. Fast wie abgesprochen kreuzen sich beim Ortsrundgang auch die Wege mit der ehemaligen Linden-Wirtin Gretel Raible und ihrem Enkel. Sie führte 37 Jahre lang die Traditionsgaststätte. Auch sie bedauert, dass es bisher keinen Nachfolger gibt, doch war die Schließung aufgrund ihres Alters notwendig. "Wir hoffen, dass sich ein neuer Wirt finden lässt, da fehlt einfach was in der Ortsmitte", meint Steinrode. Aktuell könne man nur noch im Sportheim einkehren.

Ein weiteres Problem, das Steinrode und die Ortschaftsräte anzupacken versuchen, sei der mangelhafte Mobilfunkempfang in Vollmaringen. Besonders die jungen Leute seien davon genervt. Derzeit stehe man in Diskussionen mit der Telekom, jedoch hätten sich auch Gegner eines Mobilfunkmastens zu Wort gemeldet, deren Argumente man ebenfalls ernst nehmen müsse, so Steinrode.

Dabei stehe Vollmaringen im Vergleich zu anderen Stadtteilen oder Dörfern vergleichbarer Größe in Sachen Infrastruktur ganz gut da. Es gibt eine Grundschule und den Kindergarten St. Josef. Dank des größten Vollmaringer Arbeitgebers, dem Busunternehmen Weiss & Nesch, lautet die Endstation vieler Buslinien um Nagold Vollmaringen. Fast wie gerufen fährt der Geschäftsführer Markus Weiss vorbei und unterstreicht Steinrodes Schwärmereien für Vollmaringen. "Man kennt sich im Ort und es gibt einen guten Zusammenhalt und ein super Vereinsleben", stellt er fest. "Die Vollmaringer sind ein geselliges Volk." Das zeigt auch das Dorffest, das alle zwei Jahre von den Vereinen gemeinsam veranstaltet wird. Zusammen betreiben alle Vollmaringer Vereine eine Scheune am Dorfplatz.

Beim Sportheim begegnen wir zwei Senioren, die sich suchend umschauen. Ein Paar aus Schwäbisch Gmünd mit Vollmaringer Vergangenheit, wie sich im Gespräch herausstellt. Von 1968 bis 1973 unterrichtete die Frau an der Vollmaringer Schule und unternimmt an diesem Tag eine Nostalgiefahrt zu ihrem ehemaligen Wohnort. "Es hat sich ja unheimlich verändert", stellt sie fest. "So viele Neubauten."

Tatsächlich hat sich viel getan in den vergangenen Jahren: Der Dorfplatz und der Platz rund um die St.-Georgs-Kirche wurden saniert, Radwege nach Hochdorf und Baisingen wurden gebaut, viel Wohnraum wurde geschaffen – und das nur in den vergangenen zehn Jahren.

Bis zur Eingemeindung Vollmaringens nach Nagold im Jahr 1971 stand der zweitgrößte Ortsteil immer etwas zwischen den Stühlen. Das liegt zum einen daran, dass bei Vollmaringen vier Landkreise aneinander stoßen: Calw, Freudenstadt, Tübingen und Böblingen. Bis zur Kreisreform war das Dorf dem Altkreis Horb zugeteilt. Dass die Vollmaringer nun zu Nagold gehören, störe selbst alteingesessene Bürger nicht. Man orientiere sich sowieso in Richtung Nagold. "Der Vollmaringer ist ein stolzer Vollmaringer. Aber mittlerweile auch gerne Nagolder", witzelt Steinrode.

Dabei war bis 1805 Vollmaringen sogar ein souveräner Staat, eine Reichsritterstadt, gehörte nicht wie die umliegenden Gemeinden zu Württemberg. "Deswegen ist Vollmaringen auch eher katholisch geprägt", erklärt Steinrode. Das ist auch der Grund warum der "katholische" Ortsteil die Fasnetshochburg in einer sonst pietistisch geprägten Region ist.

Lokalpatriotismus in Flagge und Magnet

Ein Überbleibsel aus der Zeit vor 1805 ist das Schloss. Schön steht das Gebäude am Ortsrand da, umringt von Grün so weit das Auge reicht. "Leider nicht mehr im Besitz der Stadt", meint Steinrode etwas wehmütig. Anfang der 1980er-Jahre wurde das damals sehr marode Gebäude verkauft. Die neuen privaten Besitzer machten das desolate Gebäude wieder zu dem Schmuckstück, das es einst war. Doch Schmückstück ist auch der Ort selbst. Die Höhenlage ermöglicht einen fabelhaften Weitblick. Bei schönem Wetter könne man vom Sportheim aus sogar die Berge der Schwäbischen Alb sehen.

Daniel Steinrode ist als SPD-Politiker auch über Nagold hinaus bekannt, engagiert sich im Gemeinderat sowie im Kreistag, leitet zudem eine Bankfiliale in Sindelfingen. Sein Herz schlägt für die Region, aber besonders für "sein" Vollmaringen. Über eine "Vollmaringen-App" hält er die Einwohner auf dem Laufenden und versucht vor allem junge Menschen für den Ortsteil zu begeistern. Um andere mit seinem Enthusiasmus anzustecken, hat er sich eine besondere Werbemaßnahme einfallen lassen: Kühlschrankmagnete zeigen die schönsten Impressionen Vollmaringens und ganz begeisterte Vollmaringenfans können sich die Flagge mit Wappen an die Wand hängen.