Ellen SpohnFoto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Helden: Ellen Spohn arbeitet in der Tagespflege am Riedbrunnen mit vielen Einschränkungen

Die Politiker nennen sie systemrelevant. Dabei sind sie vor allem eines: unsere Helden in Corona-Zeiten, die durch ihre Arbeit das gesellschaftliche Leben aufrecht erhalten oder sich um alte und kranke Menschen kümmern. Wie zum Beispiel Ellen Spohn (61), die seit 2019 die Tagespflege am Riedbrunnen leitet und seit 14 Jahren für die Diakoniestation Nagold tätig ist. Wir haben bei ihr nachgefragt.

Wie sieht Ihr Alltag in Corona-Zeiten aus?

Mein beruflicher Alltag in der Tagespflege am Riedbrunnen ist anstrengender geworden. Um unsere Gäste weiter täglich empfangen zu dürfen, halten wir ein strenges Hygienekonzept ein. Dies ist mit großem Aufwand und vielen Einschränkungen verbunden, was nur durch eine gute Zusammenarbeit aller Mitarbeitenden leistbar ist. Mein privater Alltag in diesen Zeiten ist gerade wie bei allen anderen Menschen sehr eingeschränkt. Viele meiner Kontakte halte ich regelmäßig über Telefon oder Whatsapp. Um mein Immunsystem auf Vordermann zu halten, laufe ich regelmäßig meine Walkingrunden. Dabei stelle ich fest, dass die Menschen entschleunigter sind und auch vermehrt, mit Abstand, ein kleines Schwätzchen entsteht.

Was ist seit Beginn der Pandemie anders geworden?

Es hat sich vieles verändert. Zum einen im privaten Bereich, zum anderen natürlich auch vieles im Arbeitsleben. Durch die Hygienemaßnahmen fallen grundsätzliche sozialen Normen, wie zum Beispiel zur Begrüßung das Händeschütteln, was in der Generation unser Gäste zum Anstand gehörte, einfach weg. Jeglicher Körperkontakt, kurze Umarmungen bei der Begrüßung oder bei tröstenden Gesprächen dürfen nicht mehr sein. Dies ist für viele unsere Gäste schwer annehmbar und bei den dementiell erkrankten Gästen nur schwierig umzusetzen. Durch das Tragen der FFP2-Maske ist die Kommunikation sehr erschwert, da die Mimik und Gestik verloren geht und viele unserer Gäste in ihrem Seh- und Hörvermögen eingeschränkt sind. Für uns Mitarbeiter ist das ständige Tragen der Maske belastend, jedoch unverzichtbar, um unsere Gäste und uns zu schützen.

Bekommen Sie von anderen Menschen Lob für Ihren Einsatz?

Ja, sehr oft. Wir bekommen Lob von der Geschäftsführung, Lob von den Angehörigen, unseren Gästen. Lob, dass wir für sie da sind und für alles, was wir für sie tun. Sie und ihre Angehörigen sind sehr dankbar, dass es die Tagespflege gibt. In der Pandemie ist der Besuch der Tagespflege noch wichtiger geworden. Unsere Gäste sind sehr dankbar, dass sie durch den Besuch der Tagespflege aus ihrem oft einsamen Alltag rauskommen, um Abwechslung und Freude erleben zu dürfen. Dadurch bekommen die Angehörigen Entlastung und den Freiraum, ein paar Stunden nur Zeit für sich und ihrer Familie zu haben.

Das schönste Lob war ...

Viele Gäste und Angehörige drücken ihr Lob sehr oft in der Dankbarkeit aus. Erst vor Weihnachten haben wir ein sehr schönes Lob bekommen, jedoch mit einer traurigen Begleitung. Ein Gast ist nach einem Sturz zu Hause im Krankenhaus verstorben. Diese Nachricht hat die anderen Gäste und uns Mitarbeitende sehr traurig gemacht. Ein großes Anliegen der Angehörigen war, uns zu danken; zu danken, dass ihr Vater so viele schöne, für ihn sehr wertvolle Stunden in der Tagespflege verbringen konnte. Er hat sich immer sehr auf diesen Tag gefreut und kam danach glücklich und zufrieden nach Hause. Mit Stolz erzählte er dann, was er gemacht, gebastelt und erlebt hat. "Diese schönen Stunden", so die Tochter, "habt Ihr ihm geschenkt".

Was gibt Ihnen besonders Kraft in diesen Zeiten?

Besondere Kraft gibt mir meine Familie, vor allem meine Enkelin, meine Freunde, Kollegen und Kolleginnen und mein Glauben.

Und was stört sie am meisten?

Die Uneinsichtigkeit mancher Mitmenschen, die die Wichtigkeit der Corona-Maßnahmen ignorieren. Dass die Einschränkungen in der derzeitigen Situation und der Verzicht auf manche geliebten Gewohnheiten für niemandem leicht sind, kann ich auch nachvollziehen. Natürlich beschäftigt dieses Thema auch unsere älteren Gäste sehr. Sie haben in ihrem hohen Alter schon so viel erlebt und durchgemacht. Da kommen in den gemeinsamen Gesprächen oft die Erinnerungen hoch und dann wird erzählt über Kriegs-/Nachkriegsjahre, Fluchterlebnisse, Hunger, Kälte, viele Entbehrungen, Leid und vor allem die Trauer um gefallene Angehörige und Freunde. Diese Geschichten werden oft noch nach diesen vielen Jahren mit Tränen in den Augen erzählt. Da ist mir klar geworden: Eigentlich geht es uns doch trotz den Corona-Maßnahmen, die nun mal zur Eindämmung der Pandemie notwendig sind, noch vergleichsweise gut.

Können Sie diesen Zeiten auch etwas Positives abgewinnen?

Ja schon, alles ist ein bisschen entschleunigter und ruhiger geworden. Vieles, was selbstverständlich war, ist jetzt plötzlich nicht mehr so. Die Wichtigkeit mancher Dinge hat sich verschoben und ich denke, dass viele unserer liebgewordenen Gewohnheiten, sich nach der Pandemie verändert haben und wir manches als positiv und nicht nur als negativ sehen werden. Alles Negative hat auch seine positiven Seiten. Die sieht man oft erst, wenn einige Zeit vorbeigegangen ist.

Gehen Sie mit der Politik im Umgang mit dieser Pandemie einig oder hätten sie etwas anders gemacht?

Ich bin im Großen und Ganzen damit zufrieden. Manche Maßnahmen sind für mich nicht immer ganz logisch und manchmal auch nicht nachvollziehbar.

Werden Sie sich impfen lassen?

Wenn ich an der Reihe bin, werde ich mich mit gemischten Gefühlen impfen lassen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten ...

wünsche ich mir, dass wir alle die Pandemie möglichst schnell und gesund überstehen. Dass wir weiter und wieder in der gewohnten Normalität unsere Gäste in der Tagespflege empfangen, begleiten und ihnen schöne Stunden schenken können. Dass die Menschen in den Pflegeheimen und Krankenhäusern wieder von ihren Angehörigen besucht und in ihrer noch verbleibenden Lebenszeit begleitet werden können. Dass wir bald wieder ein normales Miteinander haben und maskenfrei und ohne Angst vor einer Ansteckung leben und arbeiten können.

 Name: Ellen Spohn  Alter: 61 Jahre  Beruf/Ehrenamt: Leitung der Tagespflege am Riedbrunnen und Krankenschwester. Seit 14 Jahren tätig für die Diakoniestation Nagold im Bereich ambulante Pflege und seit 2019 Leitung der Tagespflege am Riedbrunnen  Hobbys: Fahrrad fahren, Walking, Fotobücher gestalten