Foto: Kunert

Zweiter Tag in und um Alte Seminarturnhalle verspricht vieles. Highlights eng getaktet.

Nagold - Zweiter Tag "Double Stage" in und um die Nagolder Alte Seminarturnhalle. Dieses Mal sind die Frauen-, Mädchen-Stimmen dran – zumindest erstmal. Nachdem am Samstag am ersten Tag die harten Rock-Röhren das Programm bestimmten.

Die Hiby-Schwestern Lara und Anna-Sophie zum Beispiel. "These Two" nennen sie sich. Ihnen gehört der erste Act auf der Bühne in der Alten Seminarturnhalle. Papa Reiner Hiby, Dozent der hiesigen Musikschule, begleitet am Klavier, platzt fast vor Stolz. Nachher wird Papa Hiby auch noch draußen auf der Bühne in Aktion treten. Und weitere Gesangs-Solisten – überwiegend auch hier "Solistinnen" – seines Vokalensembles der Musikschule begleiten. Junger Gesangsnachwuchs, der mal schauen will, wie sich "die Bühne", die Aufmerksamkeit des Publikums so anfühlt.

Eine der singenden Mädels ist Alina. Sie hat sich ihre besten Freundinnen als Unterstützung mitgebracht. Jill muss vor Rührung über den Auftritt Alinas weinen. Vielleicht auch vor Aufregung. Alina selbst ist super cool. Die Bühne und der Applaus haben ihr gefallen. Auch das kann und ist "Double Stage": Talent-Show, eine erste Bewährungsprobe für die Newcomer von morgen.

In der Heimat kennt man sie aus dem TV

Margarita Haptko hat da schon ein bisschen mehr Erfahrung. Beim jüngsten Nagolder Mittsommer war sie als Straßenkunst zu hören. Und ein Erlebnis. In ihrer Heimat kennt man sie gar aus dem Fernsehen. Auch heute wird sie von Michael Ohngemach bei ihren ukrainischen und russischen Akustik-Pop-Stücken begleitet. Man versteht zwar kein Wort – aber Musik ist ja immer pure Emotion, und die versteht man sehr gut.

Auch Florian Schnaithmann aus Herrenberg ist solch eine Entdeckung. Ihm gehört die Außenbühne etwas später am Nachmittag. Der junge Singer-Songwriter hat seine Band "Wortlaut" mitgebracht. Sanfte Töne, Texte mit Tiefgang – sensibel, poetisch. Sowas hat aktuell auf den Playlists der großen Radiostationen Hochkonjunktur, trifft den Zeitgeist. Auch Schnaithmann kommt an, sammelt sich mit seiner sanften Stimme augenblicklich sein Publikum um sich herum.

Aber es geht auch härter. Frecher. Rotziger. Die Rapper "K.F.S & S.R.A" aus Tübingen gehören in diese Kategorie. Schwaben-Gängsta. Die hohe Kunst der Maschinengewehr-Reime. Und des Battles, des Kampfes damit gegeneinander auf offener Bühne. Ohne Musik nennt man das Poetry-Slam, mit Musik "Hip-Hop". Auch "Sin & ScaN" – zusammen mit "Unlimited Chris vs. Joel Belo" – beherrschen diese Kunst; aber mehr als Multikulti-Gute-Laune-Turbo, weniger Gängsta-Style. Falls man mal einen Wunsch äußern dürfte: Diesen Spaß, diese einmaligen Jungs mal einen ganzen Abend genießen – das wär’s mal wirklich.

Aber bei "Double Stage" sind die Highlights eng getaktet, Innen wie Außen. "Gradraus" ist auch so ein Beispiel: Schwäbischer Folk-Rock aus dem Welzheimer Wald – das muss irgendwo nordwestlich von Stuttgart sein. Für dieses Festival wird das mal locker in die hiesige Region eingemeindet. Aber die Musik passt hierhier – so gut, dass man meint, bei den frechen Songs sogar die Maultaschen riechen zu können. Wobei man lachen muss – denn es riecht gerade tatsächlich nach "Maultäschle": Techniker Marc hat sich was entsprechendes von der Crew-Verpflegung kommen lassen, futtert gerade mit ordentlich Appetit an den Biertischen im Publikum. Heimatklänge mit Aroma-Garantie.

Authentischer als "The Dubliners"

Auch noch mal ein bisschen Deutsch-Rock ("WirWieIhr"), Punk-Rock ("The Journey Back") und Indie-Rock ("Sky Five") gibt’s an diesem Nachmittag und Abend. Und Classic-Rock: die Band "Eclipse", die Pink-Floyd-Coverband der Musikschule Nagold unter der Leitung von Michael Nessman. Wobei die auch Songs von Toto oder Queen im Programm haben und damit für ordentlich akustischen Druck in der Halle sorgen. Allerdings sind auch sie letztlich nur Anheizer für den Headliner des Tages, "Pigeons On The Gate" aus der Schweiz.

Die waren letzten November schon mal hier mit ihrem Hochgeschwindigkeits-Irish-Folk-Rock – der irgendwie authentischer noch klingt als Dubliners und Co. Echte Gänsehaut-Musik. Wobei viel von dem charismatischen Frontpaar der Band ausgeht, Lajescha und Roger O’Dubler. Sie singt, spielt das Keyboard, sorgt mit ihrer Power-Flöte ("Whistle") neben der Fiedel ("Fiddle") von Claudia Müller für den Folks-Sound der Band. Ehemann Roger ist für Vocals und Gitarre zuständig. Und mit seinem unwiderstehlichen Ryan-Gosling-Grinsen für den ganz eigenen Charme dieser Formation.

Gemeinsam schaffen sie, was keine andere Band bei diesem Festival geschafft hat: Das Publikum ganz nah an die Bühne zu locken. Auch die Musiker treten nun ganz dicht an den Bühnenrand – und mit einem mal ist die Magie eines Irish-Pubs da. Lebendige, authentische Musik zum Tanzen. Zum Vergessen aller Alltagssorgen. Sich treiben lassen von dem so melancholisch-romantischen Rhythmus der grünen Insel. Und ein wirklich tolles Finale für "Double Stage".

Info:

(ahk)

Nagold - Die Besucherzahlen von "Double Stage" lagen auch insgesamt leicht über denen der Vorjahre, "aber genug waren es noch nicht." Sagt ein völlig erledigter Wolfgang Schäfer am Ende des zweiten Festival-Tages. Das Konzert der "Woodpeckers" am Vortag ging bis nach 3 Uhr früh, erst um 5 Uhr früh war Schäfer im Bett – um 9 Uhr wieder auf den Beinen. "Einige vom Team, zum Beispiel die Bühnenteams, haben komplett durchgeschafft."

So um die 80 Helfer waren es insgesamt – ein gewaltiger Kraftakt. "Aber auch ein wahnsinnig tolles Erlebnis", ein "echt tolles Festival." Das einfach noch mehr Besucher verdient hat. Weil wirklich hochkarätige Musik geboten wird. Ein echter Woodstock-Spirit zwischen Förderverein, Musiker und Besucher herrscht. Und man das alles zu einem Spott-Preis genießen kann. "Wir haben uns fünf Jahre gegeben", sagt Schäfer – dann muss sich das Festival tragen. Dies Jahr war Nummer drei; die Nummer vier in 2019 ist also auch schon fest geplant: erstes Juli-Wochenende 6. und 7. Juli 2019. Und wer "Double Stage" bisher verpasst und (noch) nicht ernst genommen hat: den Termin unbedingt vormerken. Dieses Nagolder Rock-, Folk- und Stimmungs-Musik-Festivals hat echte Kult-Qualität. Nicht nur wegen des sechs-, fast siebenstündigen Woodpeckers-Konzerts. Auch sonst: echtes Legenden-Potenzial.