Geht es nach Digel, so bekommt das Outlet-Center in der Calwer Straße Zuwachs. Nagolds Räte aber zögern. Foto: Fritsch

Räte haben Sorgen wegen drohender Sortiments-Erweiterungen. Gespräch soll helfen. Mit Kommentar

Nagold - Zurück auf Anfang – so vielleicht kann man den aktuellen Stand der geplanten Erweiterung des Digel-Fabrikverkaufs in der Calwer Straße bezeichnen. Der Technische Ausschuss (TA) des Nagolder Gemeinderats jedenfalls stoppte jetzt erst einmal die aktuellen Planungen.

"Wir müssen mit Digel reden – nicht über Digel." Auf diese Formel brachte nach einer knappen Stunde Diskussion mit seinen Stadträten Oberbürgermeister Jürgen Großmann das weitere Vorgehen in dieser Sache. Und vertagte damit den eigentlich im TA anstehenden Entscheid zu einer Beschlussempfehlung an den Gemeinderat, ein sogenanntes "Zielabweichungsverfahren" für die geplante Outlet-Erweiterung der Digel AG final auf den Weg zu bringen.

Runder Tisch soll für Klarheit sorgen

Zuvor soll es jetzt erst einmal einen Runden Tisch der TA-Mitglieder mit dem Digel-Management sowie Vertretern der ansässigen Verbände zu diesem Thema geben. Bei dem es vor allem um die Sorgen der Stadträte gehen dürfte, was in einem – wie geplant – massiv erweiterten Digel-Outlet mit dem dort angebotenen Sortiment passiert. Der Verdacht etwa von Wolfgang Schäfer (CDU-Fraktionsvorsitzender): Das im Outlet bisher angebotene reine Sortiment an Herrenoberbekleidung könnte in Richtung Damenoberbekleidung erweitert werden; eine Erweiterung um "Schuhe" sei bereits fix eingeplant, wobei das Outlet "mit künftig 250 Quadratmetern Verkaufsfläche allein für Schuhe zum zweitgrößten Schuhhändler in der Stadt" avancieren würde.

Auch Eberhard Haizmann (FWV-Fraktionsvorsitzender) forderte angesichts einer drohenden Sortimentserweiterung im Digel-Outlet etwa mit Schuhen "eine Neubewertung" der anstehenden Entscheidungen im Gemeinderat. Er persönlich habe sich schon mit der Ansiedlung des Outlets überhaupt sehr schwer getan. Die jetzige neue Entwicklung und den Ausbau des Outlets gelte es, so Haizmann, "sehr, sehr kritisch zu hinterfragen". Für Bernd Gorenflo (Grüne) ist dem gegenüber das eigentlich jetzt geplante "Zielabweichungsverfahren" Stein des Anstoßes. Der Regionalplan des Regionalverbandes, gegen den sich dieses Zielabweichungsverfahren richtet, sei eigentlich "ein Friedensvertrag mit der Region", mit dem verhindert werden solle, dass eine Kommune auf Kosten anderer wachse. Aber mit einer Strategie des "Nagold first", indem man Ausnahmen für Nagold herauszuholen versuche, "machen wir uns in der Region keine Freunde".

"Was passiert, wenn die geplanten Mehrumsätze für Digel ausbleiben?"

Zuvor hatte Matthias Prüller von der "Imakomm Akademie" (Aalen) die Ergebnisse eines Gutachtens vorgestellt, das die mutmaßlichen Auswirkungen einer Digel-Erweiterung auf den Handel in der Stadt und der Region ermitteln sollte. Sein Resümee: An zwei Stellen erfüllen die Planungen nicht die Vorgaben aus den Raumordnungsverfahren des Regionalverbandes und des Regierungspräsidiums – was das genannte "Zielabweichungsverfahren" zwingend notwendig mache. Allerdings seien die effektiven Kaufkraftabflüsse aus der Nagolder Innenstadt hin zum (erweiterten) Digel-Outlet eher gering, da das (bestehende) Sortiment von Digel schon faktisch nahezu ein Alleinstellungsmerkmal in der Stadt habe. Notwendige Mehrumsätze, die das erweiterte Outlet generieren müsste, um sich zu rechnen, könnten nur aus dem weiten Umland (zum Beispiel aus dem Stuttgarter Raum) kommen, was einen Kaufkraftzufluss für Nagold insgesamt bedeuten würde.

Allerdings zweifelte zum Beispiel Stadtrat Wolfgang Schäfer genau diese Möglichkeiten für Umsatzsteigerungen "aus fernen Regionen" an. "Was passiert, wenn diese geplanten Mehrumsätze für Digel ausbleiben?" Dann könne das Unternehmen nur durch Umstrukturierungen im Sortiment – etwa in Richtung Damenoberbekleidung – die notwendigen Mehrumsätze generieren. Weshalb sich in der Diskussion im TA abzeichnete, dass man eine Zustimmung zu einer Erweiterung der Verkaufsfläche von einer Bindung des Sortiments an die bestehende Ausrichtung (allein auf Herrenoberkleidung) abhängig machen würde. Instrument dafür, so erläuterte dazu Ralf Fuhrländer, Leiter des Stadtplanungsamtes, könnte ein Städtebaulicher Vertrag mit der Digel AG sein, in dem man Sortiments-Bedingungen zwingend festschreiben könnte.

OB Großmann setzt auf direkte Gespräche mit dem Unternehmen

Allerdings wies OB Großmann seine Räte auch darauf hin, dass man solche Gespräche und Verhandlungen nur mit Digel führen könne, wenn es nach einem erfolgreichen Zielabweichungsverfahren – was nicht automatisch sicher sei – auch zu einer Bebauungsplan-Änderung in dem Sondergebiet käme, in dem sich das Outlet befände. Alternative wäre eine von Stadt und Gemeinderat nicht kontrollierbare Entwicklung, wenn Digel zum Beispiel einfach seinen aktuellen Untermietern in dem bestehenden Outlet-Gebäude den Mietvertrag kündigte und deren bisherigen Flächen einfach mitnutzen würde – ohne diesen Mietern (wie geplant) mit einem Neubau gegenüber dem bisherigen Outlet Ersatzflächen anzubieten.

Genau deshalb schlug Großmann dem TA schließlich vor, nun erst einmal in diesem Verfahren direkt mit Digel zu reden – und sich möglichst die Selbstverpflichtungen zur Sortimententwicklung vom Unternehmen direkt abzuholen, um so die Sorgen der Räte zu zerstreuen. Bis dahin ist der Start des eigentlich geplanten Zielabweichungsverfahrens erst einmal auf Eis gelegt.

Kommentar: Vorteilhaft

Von Axel H. Kunert

Die Mitlieder des Technischen Ausschusses tun sich schwer mit der Erweiterung des Digel-Outlets. Die SPD-Fraktion ist die einzige, die den Outlet-Ausbau vorbehaltlos unterstützt. Alle anderen Räte haben Angst, Digel könnte durch Sortiments-Erweiterungen Angebote in der Innenstadt "verbrennen" – wie Digel es bei der Herrenoberbekleidung bereits getan habe. Vor allem bei Schuhen zeichne sich dieser Trend ab – ein Wachstumsbereich der Digel AG. Was alle Räte bedenken sollten: Die Konvergenz der Sortimente im stationären Einzelhandel ist nicht aufzuhalten. Mode Reichert heißt jetzt Reichert 1850 – und ist auch Café, verkauft Deko-Artikel – und nimmt damit zum Beispiel der Firma Depot Umsätze weg. Bei Adico-Küchen gibt es auch Haushaltswaren. Die Bäcker im Ort bieten einen Mittagstisch. Und so weiter. Wenn Digel Schuhe verkauft, dann weil die Kunden das wollen. Der Feind des stationären Handels sind nicht Sortiments-Erweiterungen des örtlichen Wettbewerbers – sondern die Online-Konkurrenz. Attraktivere, konvergierende Sortimente machen eine Stadt als Einkaufsstandort erst interessant gegen den Kauf per Klick. Und sind ein Wettbewerbsvorteil für die Stadt insgesamt.