Erhardt-Fans bei der Vernissage (von links): Nanni Fingerhut, Gunnar Riemelt, Susanne Humbeil und Frank Esslinger. Foto: Rennig Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: "Nagold liest" als Teil der Ausstellungseröffnung in der Sparkasse / Heinz Erhardt im Mittelpunkt

Wie dem Müll im sprichwörtlichen Sinn eine Abfuhr erteilt wird oder warum die Gans alkoholselig im Adlerhorst erwacht, erfuhren die rund 100 vergnügten Zuhörer bei der jüngsten Ausgabe der Reihe "Nagold liest", die sich unter dem Titel "Noch’ n Gedicht" Texten von Heinz Erhardt widmete.

Nagold. Sparkassen-Filialdirektor Frank Esslinger freute sich, ein so großes Publikum begrüßen zu können, war doch die Lesung in die Ausstellungseröffnung der Typografien von Gunnar Riemelt eingebettet – "Bilder zum Lesen" nach Erhardt’schen Gedichten und Bonmots.

Nanni Fingerhut und Susanne Humbeil nahmen die Zuhörer mit auf eine ebenso abwechslungsreiche wie amüsante Zeitreise in die 1950er-Jahre. Neben den Klassikern "Die Made" oder "Der Kabeljau" brachten die Leserinnen augenzwinkernd auch manch Autobiografisches zu Gehör: Wer wusste schon, dass der gebürtige Lette Heinz Erhardt dank "drei Eltern" mit einer reichen Verwandtschaft gesegnet war oder dass er aufgrund vieler Umzüge nach 15 Schulwechseln schließlich als "Über-Reifer" die Mittlere Reife ablegte? Wie der Kabarettist, Schauspieler und Wortjongleur Erhardt mit Witz und Biss, doch nie verletzend, Alttägliches wie Politisches oft von hinten durch die Brust ins Auge aufspießend, mit dem Doppelsinn von Worten spielte, vermittelten die beiden teils szenisch Lesenden zum großen Vergnügen des Publikums.

"Ich zog aus, denn man zog mich ein"

Da findet der Scheich vergrabene Kanönchen "zum Schießen", Tells Pfeil trifft den Wurm im Apfel, und statt des Steins der Weisen wird nicht einmal des Pudels Kern gefunden. In "Ich zog aus, denn man zog mich ein" beschreibt Erhardt seine drei Anläufe zum Wehrdienst 1941, bis er schließlich – als Nichtschwimmer – beim Musikkorps der Marine landet, weil dort ein Pianist gebraucht wird….

Seit seiner Jugend beschäftigte sich der Diplom-Designer und Grafiker Gunnar Riemelt mit Gedichten von Heinz Erhardt, wie er in der persönlichen Vorstellung schilderte. Durch seine Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler der damaligen DDR und die Bekanntschaft mit dem Heidelberger Grafiker Klaus Staeck kam der gebürtige Bautzener und Wahl-Berliner 1989 in den Westen.

Nach dem Ohrenschmaus widmete sich das Publikum in der anschließenden Vernissage ebenso gerne den "sich selbst illustrierenden Gedichten" (O-Ton Riemelt), in denen der Grafiker Erhardt’sche Kurztexte im gelungenen Spiel zwischen Lettern, Formen und Farbflächen auf Acryl oder Aluminium adäquat umgesetzt hat. Da konnte man entdecken, wie Hülsenfrüchte einen "Bläh-Boy" produzieren, zwei Menschen in ganz verschiedenem Sinn zusammen fahren oder wie viele Facetten der Begriff "Anhänglichkeit" hat. Immer wieder neue spannende Details erschließen sich beim Betrachten der Typografien. Und so verweilte das Publikum noch lange in lebhaften Gesprächen. Ein höchst gelungener, runder Abend.

Bis zum 28. Mai sind die Typografien Gunnar Riemelts zu den üblichen Öffnungszeiten noch in der Kundenhalle der Sparkasse in Nagold zu bewundern.