Ein Kraftpaket: Vor 60 Jahren wurde die Altensteigerle-Strecke auch für Probefahrten genutzt. Foto: Voith-Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Eine der stärksten Schmalspur-Loks der Welt absolvierte vor 60 Jahren auf der Altensteigerle-Strecke den Praxistest

Nagold. Vor 60 Jahren diente die Schmalspurbahn nach Altensteig als Teststrecke für eine der stärksten Schmalspur-Diesellokomotiven der Welt.

Im Jahre 1952 gelang es der Maschinenfabrik Esslingen, einen Auftrag über 23 Schmalspur-Diesellokomotiven für die Brasilianischen Bahngesellschaften V.F.R.G.S. und E.F. Leopoldina zu erhalten. Beide Bahngesellschaften waren im Süden Brasiliens angesiedelt. Da der Maschinenfabrik Esslingen lediglich ein 300 Meter langes Werksgleis mit der erforderlichen Spurweite von einem Meter zur Verfügung stand, wurde die erste Lok zur Erprobung der Kurvenläufigkeit und anderer Fahreigenschaften auf die Meterspurstrecke zwischen Nagold und Altensteig verbracht. Dazu wurde die Lok in Esslingen mit normalspurigen Drehgestelle versehen und mit einen Hilfszug aus Tübingen nach Nagold überführt. In Nagold angekommen, wurde die Lok mit vier riesigen "Wagenhebern" angehoben. Somit konnten die Normalspur-Drehgestelle entfernt und die original Meterspur-Drehgestelle wieder montiert werden.

In der Zeit vom 22. April bis zum 11. Mai 1953 legte die Lok etwa 1200 Kilometer auf der Stammstrecke des Altensteigerles zwischen Nagold und Altensteig zurück. Bei dieser Gelegenheit konnten die aufgetretenen, kleineren technische Probleme direkt vor Ort behoben werden.

Nach der Ankunft in Brasilien wurde zur Überprüfung der garantierten Leistung eine Vergleichsfahrt durchgeführt. Zu diesem Zweck trat die Esslinger Diesellok gleich gegen zwei zusammengekuppelte, amerikanische Dampfloks an. Nach 16,6 km stand der Sieger fest. Die zwei Dampfloks benötigten für die Strecke mit 300 Tonnen Anhängelast genau 60 Minuten. Die Esslingerin benötigte dagegen mit 400 Tonnen Anhängelast nur 41 Minuten. Bis Mitte 1954 waren alle 23 Loks ausgeliefert und stellten ihre Überlegenheit gegenüber der Dampftraktion eindrucksvoll unter Beweis. Zum Jahresende 1954 hatten die Loks zusammen schon eine Gesamtfahrleistung von mehr als einer Million Kilometer erbracht. Bereits Ende 1965 waren nur noch zehn der Loks im täglichen Einsatz. 1966 wurden noch sechs Stück mit neuen Getrieben ausgestattet. Aber auch diese Loks wurden bereits Anfang der 1970-er Jahre ausgemustert.

Die Lokomotiven wurden von je zwei MAN Dieselmotoren angetrieben. Jeder dieser 8-Zylinder-Motoren leistete 950 PS. Die Kraft des Motors wurde über je ein Voith-Getriebe an eines der dreiachsige Drehgestelle übertragen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 80 Stundenkilometer, das Gesamtgewicht lag bei 78 Tonnen. Besondere Freude würde man heutzutage mit dieser Lok beim Tanken haben, da der Kraftstoffbehälter 4000 Liter Diesel fasste.