Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Nagolder Kommunalwahlkampf endete so, wie er begonnen hat: harmonisch und

Der Nagolder Kommunalwahlkampf endete so, wie er begonnen hat: harmonisch und konfliktfrei. Die Art und Weise, wie Nagolds Parteien dem Wahlvolk ihre Vorstellungen näher brachten – nämlich gemeinsam in einem Briefkuvert – war nicht nur der schwäbischen Sparsamkeit geschuldet, sondern vor allem Sinnbild für Nagold. Frei nach dem Motto: Der Stadt Wohl – und ansonsten niemand weh. Als ob es keine Themen gebe, über die es zu streiten lohnen würde. Zum Beispiel über die innere Gravitation unserer Altstadt und eine drohende Verschiebung ihrer Pole.

Das Thema wird auf kleiner Flamme gekocht, man redet nur in nichtöffentlichen Sitzungen darüber. Allenfalls die "Jakobiner", dieser illustre und fraktionsübergreifende Revoluzzerclub, deuteten jüngst bei ihrem Auftritt an, was da an Nagolds Himmel aufzieht: Die Bebauung des Anker-Areals ist eine entscheidende Zäsur und wird richtungsweisend sein für die städtebauliche Entwicklung dieser Stadt.

Die von den Planern zu beantwortende Frage wird sein, ob man die Neubebauung dieses früheren Brauereiareals dem schwedischen Textileinzelhandelsunternehmen H & M auf den Leib schneidert. Wenn diese Kette, die vor allem bei jungen Kunden hoch im Kurs steht, sich niederlassen will, fühlen sich Städte wie geadelt und rollen eifrig den roten Teppich aus. Privatinvestoren denken da oft weiter. Ein Nagolder Unternehmer hätte die Schweden schon längst als Mieter unter Vertrag nehmen können, aber er entschied sich anders, weil er den Blick in die Zukunft warf und sich folgende Frage stellte: Was ist, wenn in zehn Jahren aus vielerlei Gründen – Rezession, zunehmender Onlinehandel und in diesem Zusammenhang als Anprobierstuben missbrauchte Fachgeschäfte – der Stern dieser Einkaufsstadt sinkt? Die ersten, die dieser Stadt dann den Rücken kehren, sind die Filialisten, sagte er sich – und entschied sich deswegen für ein anderes Mietkonzept. Städte sind da offenbar risikofreudiger.

Überhaupt: Wie viel Einkaufsfläche braucht – oder besser: verträgt diese Stadt? Darüber könnte man doch trefflich streiten. Was diese "Modellstadt" auszeichnet, sind die inhabergeführten Ladengeschäfte mit ihren Protagonisten: Menschen, die tagsüber hinter der Ladentheke stehen und abends ehrenamtlich in Cityverein und Werbering sich Gedanken über deren Zukunft machen. Aber es ist nicht alles Gold: Auch hier ist der Wettbewerb untereinander härter geworden. Neue Millioneninvestitionen in der Turmstraße bahnen sich an. Doch neue Flächen brauchen neue Kunden. Und woher nehmen? Langfristig wird es vor allem darum gehen, die Kunden hier zu halten.

Die Gretchenfrage heißt ohnedies nicht: Braucht Nagold einen H & M? – sondern vielmehr: Wo braucht er ihn? Ein weiterer Magnet auf dem Anker-Areal würde die Pole in dieser Stadt verschieben – raus in die Freudenstädter Straße. Die Konsequenz muss allen klar sein: Nagolds Unterer Markt würde weiter abgehängt, genauso wie der mit viel Geld hergerichtete Gerichtsplatz und die von der Stadt offenbar längst abgeschriebene Bahnhofstraße. Wenn diese Stadt einen neuen Magneten an Land ziehen will, dann gehört er ins Herz, ins funktionierende Oval oder an dessen Nordtangente.

Eigentlich hat sich Nagold, was Center anbelangt, doch die Finger hinreichend verbrannt: Große Flächen in der "Traube" stehen seit Jahren leer und das Burgcenter hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Man sollte sich zuerst dieser Baustellen annehmen, bevor man neue aufmacht.