Saß den ganzen Abend fest im Sessel: Der Kabarettist Hagen Rether, Foto: Trommer Foto: Schwarzwälder Bote

Kleinkunst: Kabarettist Hagen Rether zieht in der Alten Seminarturnhalle kräftig vom Leder

Stoff zum Nachdenken gibt es genug. Hagen Rether denkt aber über all die Ungereimtheiten nicht nur nach, sondern liefert seinem Publikum auch Schlussfolgerungen und ganz neue Ideen.

Nagold. Zu seinem Dauerprogramm "Liebe" gehört ein Klavier und ein brauner Chefsessel, dazu waren einige Bananen auf dem Klavier drapiert. Als der Darsteller des Abends in der Alten Seminarturnhalle auftauchte, hörte man erst mal seine Stimme aus dem Off "Solle mer anfange?" – und der Sessel war besetzt. Aus diesem sollte er sich im Laufe des Abends auch nicht erheben, außer als er nach fast anderthalb Stunden Programm zu einer Pause entschwand.

Obama und Wallraff decken gemeinsam auf

Zu Beginn gab es eine Art Yoga-Runde, mit geschlossenen Augen entspannte der schlaksige Kabarettist in seinem bequemem Sessel und verbat sich die störende Lacherei. Um kurz darauf mit der Erkenntnis zu überraschen, dass Obama eigentlich der Wallraff ist – oder haben Sie die beiden mal gemeinsam auf einem Bild gesehen? Alles bekommen die raus, jetzt hat man entdeckt, dass sich die Geheimdienste gegenseitig bespitzeln. Oder die erstaunliche Erkenntnis, dass es in der Bundeswehr tatsächlich Nazis gibt – gut dass die dort nicht mit funktionierenden Waffen in Berührung kommen, meint Rether.

Zum Thema Merkel gab es natürlich viel zu sagen, der erste Besuch von ihr bei Donald Trump wirkte wie die Vertrauenslehrerin beim Klassenschläger. Man müsste in die SPD eintreten und Merkel wählen, sinnierte Rether, allerdings bekommt man ihr ganzes Gefolge ungefragt dazu, diese Addams Family. Wie werden eigentlich christliche Werte verteidigt? Jetzt wird sie fertig gemacht, weil sie Maria und Josef einen Stall angeboten hat. Diese Werte sollen vor allem gegen Flüchtlinge verteidigt werden, so Rether. Er sinniert weiter – eher passt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt: doch seit der Prägung dieses frommen Spruches wird daran gearbeitet, sehr große Nadelöhre zu bauen.

Die neue Generation Politiker bekommt ihr Fett weg: Christian Lindner sei wahlweise eine narzisstische Luftpumpe oder ein Slimfit-Anzug mit Rhetorik-Seminar. Junge Leute haben den gewählt – denn er macht Internet. Jens Spahn bekommt eine Wut, wenn er in Berlin im Restaurant auf englisch bedient wird. "Ja wollen wir denn Heinrich Lübke wieder?"

Jahrelang wollte man die Nichtwähler an die Urnen bekommen – ja das hat ja jetzt geklappt. Rether: "Nun sitzt eine tausendjährige Partei im Reichstag." Zu dem Thema "Leitkultur" fällt Rether eigentlich nur der Holocaust ein, denn Architektur, Musik und Dichtkunst gebe es in jedem Land. "Unsere Großeltern haben Seife und Lampenschirme aus Familien gemacht", lässt der Kabarettist sein Publikum verstummen. Hier bleibt jeder Lacher im Halse stecken.

Die Menschen die aus Kriegsgebieten fliehen, kommen doch tatsächlich zu uns, ohne vorher noch eine Facharbeiterausbildung gemacht zu haben, beweist Hagen Rether, dass er sich mit wirklich vielen Aspekten der aktuellen Gesellschaft befasst. Auch das Thema Prostitution lässt er nicht aus, gelungene Integration wäre wohl einen Flüchtling zu einem typisch deutschen Puffgänger zu machen.

Nach der Pause bat er um Applaus für das Team der Alten Seminarturnhalle, dem er sich seit Jahren verbunden fühlt. Fleischlose Ernährung ist auch ein großes Thema für ihn: "Wenn es kein Fleisch mehr gibt, esse ich halt Veganer!" Schlachthöfe sollten in den Fußgängerzonen sein, so Rether. "Wir finden Pelzmäntel doof, deshalb tragen wir Daunenjacken."

Während Hagen Rether ein paar Bananen verspeist, redet er noch über Porno im Internet, die Mee-Too-Debatte, die sich über den Globus wälzen sollte. Auch über die Einsätze wegen Hooligans gibt es eine ganz einfache Lösung: "Lass die sich doch verkloppen dann werden die von selbst weniger." Sprach Rether und warf die verbliebenen Bananen ins Publikum.