Modedesigner Thomas Lerchenberger wurde von einer Frau abgezockt. Foto: privat

Münchner Modedesigner Thomas Lerchenberger macht mutmaßliche Diebin in Nagold aus.  

Nagold/München - Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck sitzt Thomas Lerchenberger im Außenbereich eines Restaurants auf dem Nagolder Vorstadtplatz. Er lässt den Blick über den Platz schweifen. "Das Geld ist mir nicht wirklich wichtig", sagt der Mann aus München. "Viel wichtiger sind mir die Erinnerungen an meine Eltern und Großeltern. Diese Sachen sind einfach aus der Wohnung verschwunden. Dabei habe ich meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, auf die Wohnung aufzupassen."

Wer Thomas Lerchenberger so sieht, der würde ihm auf den ersten Blick solche Sätze kaum zutrauen. Ein Baum von einem Mann ist der Modedesigner und Schauspieler aus München, auffällig tätowiert, mit längeren grau melierten Haaren. In der Münchner Gesellschaft hat er einen Namen, man kennt ihn und er kennt so manche. Er erzählt von Treffen mit Schauspieler John Travolta und Boxer Vitali Klitschko, von den Dreharbeiten mit Dieter Wedel zu "König von St. Pauli" und von der Unterstützung, die er dem wegen möglicher sexueller Belästigung von Schauspielerinnen arg in Bedrängnis geratenen Regisseur hat zukommen lassen. Man merkt schnell, dass der Name von Lerchenbergers Modelabel nicht von ungefähr kommt: "Schickeria Trachten" heißt es und zählt unter anderem Promis wie Jürgen Drews zu seinen Kunden.

Der 51-Jährige hat viel erlebt in seinem Leben, ist mit allen Wassern gewaschen, wie er immer wieder betont, doch all das konnte nicht das verhindern, was den Mann aus München an diesem sonnigen Tag nach Nagold geführt hat.

Alles dreht sich um eine Frau mittleren Alters, Sabine (Name von der Redaktion geändert). Als Lerchenberger sie kennenlernt, stellt sie sich als Eventmanagerin vor, die auch Künstler betreut. Sie offenbart dem Modedesigner ihre Pläne für eine Wiedereröffnungsparty des Contenance Clubs in München. Dort würde sie gerne eine Modenschau mit Lerchenbergers Trachten veranstalten. Der Designer willigt ein. So weit, so gut. Zwei Monate vor der geplanten Party meldet sich Sabine wieder. Sie sei gerade in München und wolle bis zum Event in der Stadt bleiben. Eine Bleibe suche sie allerdings noch.

Erinnerungsstücke weg

Da macht Lerchenberger der Frau einen – letztlich fatalen – Vorschlag. Da in seiner Wohnung in der Ganghofer Straße, die er von seiner verstorbenen Mutter übernommen hatte, nach zehn Jahren gerade der Untermieter ausgezogen war – ein Mann mit Kontakten in die höchsten politischen Kreise Münchens, wie Lerchenberger erzählt – könne die Frau doch in der Wohnung bleiben. Er selbst sei die nächste Zeit ohnehin viel unterwegs.

Zwei Monate später kehrt Lerchenberger in seine Wohnung zurück – und kann es nicht fassen. Die Wohnung ist so gut wie ausgeräumt. Wertgegenstände, Möbel, Technik und die Erinnerungsstücke an seine Mutter – alles weg. In der Wohnung trifft er auf einen ihm unbekannten Mann. Was der ihm erzählt, macht den 51-jährigen Lerchenberger noch fassungsloser. Seine Bekannte hat einem Paar aus Rumänien die Wohnung unrechtmäßig untervermietet, hat einen Mietvertrag aufgesetzt, dem Paar sofort die Kaution und die erste Miete – insgesamt 1300 Euro – in bar abgenommen.

Dann tauchen noch weitere Rumänen in der Wohnung auf. Angeblich Geschäftsleute. "Sie fragten mich, wo die Mädels sind", erzählt er später einer Müncher Zeitung. Er erhält zur Antwort, dass "Frauen aus dem Gewerbe" zur Wiesn kommen würden, die irgendwo schlafen müssten. Sabine habe ihnen gesagt, dass sie das in Lerchenbergers Wohnung tun könnten. Der kann es nicht fassen. All das in der Wohnung, auf die er aufpassen wollte, so hatte er es seiner Mutter am Sterbebett versprochen.

Lerchenberger nimmt Kontakt mit Sabine auf, die sagt, alle Sachen aus der Wohnung seien im Keller oder Speicher. Doch da findet er nichts von seinen Sachen – nicht die Wertgegenstände, nicht die privaten Erinnerungsstücke. Inzwischen habe er herausgefunden, dass die angebliche Eventmanagerin bei Lieferanten mit tausenden Euro in der Kreide stehe, erzählt er. Seinen eigenen finanziellen Schaden beziffert er mit einer fünfstelligen Summe.

Der Modedesigner schaltet die Polizei ein, erstattet Anzeige gegen Sabine. Doch während seine Geschichte für Aufsehen im Münchner Blätterwald sorgt, will Lerchenberger nicht auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten, macht sich mit Hilfe von Bekannten selbst auf die Suche nach der Frau – und findet sie in Nagold. Was sie dort zu diesem Zeitpunkt tut, weiß Lerchenberger nicht zu sagen. Spielt für ihn auch offensichtlich nicht die entscheidende Rolle. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vereinbart er mit Sabine ein Treffen in Nagold – und reist selbst in die Stadt.

Um 10 Uhr morgens trifft er ein, frühstückt und verständigt die Polizei. Um 12.45 Uhr sitzt Sabine im Außenbereich eines Restaurants als ein Polizeifahrzeug langsam auf den Vorstadtplatz rollt. Die Beamten steigen aus, beginnen ein Gespräch mit der Frau, die wenig später in den Polizeiwagen einsteigt. Alles läuft ruhig und unauffällig ab.

Verhaftet ist die Frau allerdings nicht, nach Angaben der Pressestelle des Polizeipräsidiums Karlsruhe stellen die Beamten lediglich die Personalien fest. Danach konnte die Frau wieder ihrer Wege gehen, teilt die Polizei mit, die die ganze Sache als unerheblichen Vorgang einstuft.

Ganz anders natürlich Thomas Lerchenberger. Nachdem die Polizei wieder abgezogen ist, sitzt er wieder auf der Restaurant-Terrasse und sagt schlicht: "Das war ein erfolgreicher Tag." Wenn da nicht die verschwundenen Erinnerungsstücke an seine Mutter wären.