Nach der Preisverleihung der Broadband Awards (von links): Kreisrat Ulrich Kallfass, Landrat Helmut Riegger, EU-Kommissarin Mariya Gabriel, Dezernent Andreas Knörle und Bernd Land vom Eigenbetrieb Breitband des Landkreises Foto: Landkreis Foto: Schwarzwälder Bote

Preisverleihung: Delegation des Landkreises in der belgischen Hauptstadt bei der Vergabe des "Broadband Awards"

Das Breitband-Projekt des Landkreises sorgt für Aufsehen – auch international. Für den Sieg bei den "Broadband Awards" der EU-Kommission hat es zwar nicht gereicht. Gelohnt hat sich der Besuch einer Delegation um Landrat Helmut Riegger trotzdem.

Brüssel/Kreis Calw. Es ist eine gediegene Atmosphäre in der alten Solvay-Bibliothek im Herzen Brüssels, wo an diesem Abend die Vergangenheit auf die Zukunft trifft. Die Europäische Kommission hat in die ehrwürdige Bibliothek geladen, um bekannt zu geben, welche kommunalen oder regionalen Projekte zur Verbesserung der Breitbandversorgung besonders in ländlichen Gebieten die innovativsten und besten sind. Gekommen ist halb Europa: Vertreter unter anderem aus Frankreich, Schweden, Dänemark, Polen, Großbritannien oder den Niederlanden. Und mittendrin auch eine Delegation aus dem Landkreis Calw. Der hat es mit seiner Bewerbung zum heimischen Breitbandprojekt bis ins Finale der besten Drei in der Kategorie "Innovative Finanzierungsmodelle" geschafft.

Man konkurriert mit einem Projekt aus Wales, das auf ehrenamtlichem Engagement aufbaut, und einer Bewerbung aus den Niederlanden. Als die internationale Jury und EU-Kommissarin Corina Cretu die Bühne betreten und in den Wettbewerb einführen, ist die Hoffnung bei der Delegation aus dem Nordschwarzwald noch da. Keine 15 Minuten später, als die Ansage "And the winner is...." ertönt und der Siegerumschlag geöffnet wird, lösen sich die Hoffnungen allerdings in Luft auf: Der Sieger kommt nicht aus dem Kreis Calw sondern aus dem ländlichen Wales.

"Nummer eins im ländlichen Raum des Landes"

"Schade", kommentiert Landrat Helmut Riegger das Abschneiden, um gleich im nächsten Satz seinen Dezernenten Andreas Knörle und Bernd Land, den Breitband-Beauftragten des Landratsamts, für ihre bisherigen Erfolge in Sachen Breitband und die Bewerbung für den Wettbewerb zu beglückwünschen. Nach dem Gruppenfoto mit allen Finalisten und dem Erinnerungsfoto mit EU-Digital-Kommisarin Mariya Gabriel ist von Enttäuschung bei der Delegation nicht mehr viel zu spüren. Alle wissen, dass noch genug Arbeit vor ihnen liegt, um das Projekt zum erfolgreichen Abschluss zu führen.

Am nächsten Morgen – die Mission Breitband geht in Brüssel mit wichtigen Besuchen bei europäischen Behörden weiter – zieht Andreas Knörle eine Zwischenbilanz der Mission und verrät, dass sich das Projekt vor einem entscheidenden Schritt befindet. Binnen kurzer Zeit habe man den Kreis Calw vom Schlusslicht in Sachen Breitband zur "Nummer eins im ländlichen Raum des Landes" gemacht – mit einer "klugen und konsequenten Strategie", die außerhalb der Region, ja auch außerhalb Baden-Württembergs, sogar außerhalb Deutschlands aufhorchen lässt, fasst er zusammen. Das dürfte sich mit dem nächsten Schritt, den der Eigenbetrieb Breitband gehen will, nicht ändern. Als wahrscheinlich erster in Deutschland werde der Landkreis Calw den Ausbau der Breitbandversorgung an ein Generalunternehmen vergeben. Dabei geht es konkret um den innerörtlichen Ausbau des Glasfasernetzes in neun – in Sachen Breitband eher unterversorgten – Kommunen im Landkreis: Neuweiler, Neubulach, Bad Teinach-Zavelstein, Bad Liebenzell, Bad Wildbad, Enzklösterle, Simmersfeld, Ebhausen und Haiterbach. Die Größenordnung des nun zu vergebenden Auftrags liegt bei 20 Millionen Euro. In 26 Monaten soll der Generalunternehmer die Arbeiten komplett abgeschlossen haben.

Mit diesem Weg habe man im Kreis Calw eine einheitliche Ausbauqualität und auf lange Sicht Preisstabilität in einem Sektor, der gekennzeichnet ist von enormen Preissteigerungen, so Knörle. Einen enormen Anteil an diesem Projekt habe das Land, dort habe man "intensiv mitgezogen", habe die Förderanträge schnell abgearbeitet und ausgestellt. Die Förderquote bei dem neuen Vorhaben mit den Kommunen ist zwar etwas geringer als beim Backbone-Netz – dort lag sie bei stolzen 90 Prozent – aber mit 60 bis 80 Prozent immer noch sehr umfangreich.

In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Breitband-Projekt steht auch die deutliche Verbesserung der Mobilfunkversorgung im Landkreis. Auch da will das Landratsamt das Heft des Handelns in die eigene Hand nehmen. Während der Erkundung der Trassen für die Breitbandversorgung hat man zeitgleich auch mögliche Standorte für vom Kreis aufzustellende Mobilfunkmasten erkundet. Diese Erkundung ist jetzt abgeschlossen. "Die Standorte stehen fest", verkündet Andreas Knörle. Was noch zu klären ist, ist ob der Landkreis in dieser Form in den Wettbewerb auf dem Mobilfunksektor eingreifen darf. Um genau das zu klären, sind Knörle und Landrat Helmut Riegger an diesem Tag unter anderem bei den Wettbewerbshütern der Europäischen Union zu Gast.

"In unserer Region macht die Telekom überhaupt nichts"

Ungeachtet der Klärung dieser Frage hat der Kreis Calw auch da für Aufsehen gesorgt. Anbieter Vodafone habe sein Interesse bekundet, ins Projekt einzusteigen, erste Gespräche habe es schon gegeben.

Ganz anders liegt der Fall bei der Telekom. An der kommt aus dem Landratsamt auch an diesem Tag in Brüssel Fundamentalkritik. "In unserer Region macht die Telekom überhaupt nichts", ärgert sich Kreischef Riegger, der erneut beklagt, dass man sich auf diesem Sektor viel zu wenig um den ländlichen Raum kümmere. Deswegen nehme man im Kreis auch in dieser Angelegenheit die Sache selbst in die Hand – mal in Calw, mal in Stuttgart oder Berlin, an diesem Tag eben in Brüssel.