Die "Alte Post" in Nagold steht wieder vor einem Wechsel. Foto: Buckenmaier

Sternekoch Martin Göschel hört nach wenigen Monaten wieder auf. Nachfolger steht bereits fest. Mit Kommentar.

Nagold - Martin Göschel und seine Partnerin Sarah Hillebrenner kehren Nagold nach einem halbjährigen Gastspiel als Pächter der "Alten Post" wieder den Rücken. Dennoch sprechen die Eigentümer mit Blick auf das, was das junge Gastronomenpaar hinterlassen hat, von einem "Glücksfall für Nagold". Was die beiden gesät haben, soll jetzt ein Freund Göschels ernten.

Dass das gastronomische Flaggschiff dieser Stadt mitunter stürmische und wechselvolle Zeiten erlebt – daran haben sich die Nagolder längst gewöhnt. Dass aber Martin Göschel, der vor einem halben Jahr mit seiner Partnerin Sarah Hillebrenner aus der Schweiz gekommen war und erst vor wenigen Wochen für die "Post" wieder einen Stern vom Michelin-Himmel holte, schon wieder die Segel streicht – damit hatte ernsthaft niemand gerechnet.

Im Gegenteil: Die "Alte Post" war wieder zu einer Top-Adresse für Gourmets aus ganz Süddeutschland und aus der Schweiz geworden. Die letzten Wochen vor Silvester war die historische Belle Etage im zweiten Stock, wo Göschel seine internationale und von von Testern binnen kürzester Zeit mehrfach ausgezeichnete Küche zelebrierte, komplett ausgebucht.

Göschel hatte mit seinem Gastronomiekonzept den Nachweis geführt: Die "Alte Post" kann schwarze Zahlen schreiben. "Die Umsätze haben ein Niveau erreicht, das es in der Post noch nie gab", sagt Hans Nock. Er repräsentiert als Vorsitzender des Verwaltungsrats die 50 Gesellschafter – darunter die Stadt Nagold, aber auch Privatleute und Firmen, denen das Restaurant mit seinem repräsentativen Fachwerk aus dem 17. Jahrhundert gehört. Natürlich sei der angekündigte Abgang von Göschel/Hillebrenner ein "großer Verlust für Nagold" – gleichwohl sei dieses halbe Jahr "keine verlorene Zeit" gewesen, sagt Nock. Göschel habe das Servicepersonal, das er vom Vorgänger übernahm, zu einem Toplevel geführt und auch der Küche einen ganz neuen Geist eingehaucht.

Aber warum dann dieser übereilt scheinende Abschied, wo doch alles so nach Plan zu laufen schien? Wer das kurze Gastspiel des Gastronomenpaars mitverfolgte, spürte die Verwandlung. Sie hatten im Juni so euphorisch begonnen, sich in das Städtchen und vor allem in das Restaurant, in das die Gesellschafter zwei Jahre zuvor mehr als anderthalb Millionen Euro investiert hatten, geradezu verliebt – eine Liebe, die von Nagolder Seite indes nicht immer erwidert wurde. Zu den üblichen Beschwerden, denen man als Selbstständige ausgesetzt ist, kamen anonyme Briefe der weniger freundlichen Art. Und letztlich stand für das Paar auch der finanzielle Ertrag – eingedenk des hohen Aufwandes, der in der Haute Cuisine betrieben werden muss – in keinem Verhältnis zu ihrem hohen persönlichen Einsatz. Schon nach wenigen Monaten stand die Entscheidung der beiden fest, dass sie Nagold wieder verlassen würden – aber in geordneten Bahnen. "Wir denken, dass die Post super positioniert ist, um daran anzuknpüfen", meldete sich Sarah Hillebrenner gestern aus ihrem Kurzurlaub. Die beiden wissen noch nicht, wo es sie beruflich hinziehen wird: "Wir werden uns erst einmal umorientieren und in Ruhe schauen." Ein kleines Hotel, möglichst in den Bergen, irgendwo in einer Feriendestination – das bleibt ihr Traum.

Wie der Zufall so spielt, ist Ralf Ziener, ein alter Freund Göschels, mit dem er zusammen im renommierten Hotel Ritter in Durrbach die Ausbildung zum Koch absolvierte, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ziener, Jahrgang 1973, ist in der Sternegastronomie schon viel herumgekommen, darunter in der Speisemeisterei in Stuttgart, arbeitete als Küchenchef und Souschef in Szene-Restaurants in München und Dortmund und führte schließlich selbstständig zwei Restaurants, davon eines gelistet unter den Top 10 in Westfalen. Er weiß, also, worauf er sich einlässt.

In Nagold will er nun sein Wanderleben beenden und das fortführen, was Martin Göschel und Sarah Hillebrenner in der kurzen Zeit aufgebaut haben – nur mit einem anderen Schwerpunkt. Während Göschel sich vor allem seiner Sterne-Küche im zweiten Stock verschrieben hatte, soll mit Ralf Ziener das Potenzial des Bistros und der Außengastronomie verstärkt gehoben werden. Die feine Küche soll bleiben, aber mehr die regionalen Bedürfnisse abdecken. Kurzum: schwäbischer werden.

Das neue Konzept dürfte den Gesellschaftern wie bodenständigen Gästen gefallen. Als Journalisten ihn vor Jahren gefragt hatten, ob er auf einen Michelin-Stern hinarbeite, antwortete Ziener: Er wolle wirtschaftlich arbeiten. Wenn ein Stern an der Auswahl des Weinkellers scheitere, dann entscheide er sich lieber für die Qualität zum erschwinglichen Preis in Keller und Küche.

Der 41-Jährige – das ist das neue Konzept, das der Verwaltungsratsvorsitzende Hans Nock erst noch seinen Gesellschaftern in einer Sondersitzung schmackhaft machen muss – soll ab Februar die "Alte Post" quasi managen und die beiden Gastronomiekonzepte in dem Haus (oben die Gourmetküche mit dem bisherigen Souschef Atilla Heilbronn und unten das Bistro) miteinander in Einklang bringen. Management statt Verpachtung: Damit würden die Gesellschafter die Zukunft der "Alten Post" erstmals selbst in die Hand nehmen.

Kommentar: Abgang

Roland Buckenmaier

Aus der Ferne betrachtet mögen Leute den Kopf verständnislos schütteln. Noch nie war ein Wirt auf der "Alten Post" mit so viel Vorschusslorbeeren gestartet. Noch nie häufte er mit großer medialer Begleitung so viel Meriten an. Und noch nie hat er binnen so kurzer Zeit wieder die Segel gestrichen. Wer Martin Göschel und Sarah Hillebrenner näher kannte, hat es – und dazu bedurfte es keiner Hellseherei – indes kommen sehen.

Hier war ein Künstler am Werk, der die Post wieder zu einer Top-Adresse machte, aber zu Konzessionen in seinem Gastronomiekonzept nicht bereit war. Was indes entscheidender war für seinen Abgang: Nagold hat sich seiner Sterneküche gerühmt – aber genossen haben sie vornehmlich Auswärtige. Jetzt versuchen’s die Gesellschafter mit einem Manager auf eigene Faust. Aber eines wissen sie wohl: Viel Freischüsse haben sie nicht mehr.