Aber warum dann dieser übereilt scheinende Abschied, wo doch alles so nach Plan zu laufen schien? Wer das kurze Gastspiel des Gastronomenpaars mitverfolgte, spürte die Verwandlung. Sie hatten im Juni so euphorisch begonnen, sich in das Städtchen und vor allem in das Restaurant, in das die Gesellschafter zwei Jahre zuvor mehr als anderthalb Millionen Euro investiert hatten, geradezu verliebt – eine Liebe, die von Nagolder Seite indes nicht immer erwidert wurde. Zu den üblichen Beschwerden, denen man als Selbstständige ausgesetzt ist, kamen anonyme Briefe der weniger freundlichen Art. Und letztlich stand für das Paar auch der finanzielle Ertrag – eingedenk des hohen Aufwandes, der in der Haute Cuisine betrieben werden muss – in keinem Verhältnis zu ihrem hohen persönlichen Einsatz. Schon nach wenigen Monaten stand die Entscheidung der beiden fest, dass sie Nagold wieder verlassen würden – aber in geordneten Bahnen. "Wir denken, dass die Post super positioniert ist, um daran anzuknpüfen", meldete sich Sarah Hillebrenner gestern aus ihrem Kurzurlaub. Die beiden wissen noch nicht, wo es sie beruflich hinziehen wird: "Wir werden uns erst einmal umorientieren und in Ruhe schauen." Ein kleines Hotel, möglichst in den Bergen, irgendwo in einer Feriendestination – das bleibt ihr Traum.
Wie der Zufall so spielt, ist Ralf Ziener, ein alter Freund Göschels, mit dem er zusammen im renommierten Hotel Ritter in Durrbach die Ausbildung zum Koch absolvierte, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ziener, Jahrgang 1973, ist in der Sternegastronomie schon viel herumgekommen, darunter in der Speisemeisterei in Stuttgart, arbeitete als Küchenchef und Souschef in Szene-Restaurants in München und Dortmund und führte schließlich selbstständig zwei Restaurants, davon eines gelistet unter den Top 10 in Westfalen. Er weiß, also, worauf er sich einlässt.
In Nagold will er nun sein Wanderleben beenden und das fortführen, was Martin Göschel und Sarah Hillebrenner in der kurzen Zeit aufgebaut haben – nur mit einem anderen Schwerpunkt. Während Göschel sich vor allem seiner Sterne-Küche im zweiten Stock verschrieben hatte, soll mit Ralf Ziener das Potenzial des Bistros und der Außengastronomie verstärkt gehoben werden. Die feine Küche soll bleiben, aber mehr die regionalen Bedürfnisse abdecken. Kurzum: schwäbischer werden.
Das neue Konzept dürfte den Gesellschaftern wie bodenständigen Gästen gefallen. Als Journalisten ihn vor Jahren gefragt hatten, ob er auf einen Michelin-Stern hinarbeite, antwortete Ziener: Er wolle wirtschaftlich arbeiten. Wenn ein Stern an der Auswahl des Weinkellers scheitere, dann entscheide er sich lieber für die Qualität zum erschwinglichen Preis in Keller und Küche.
Der 41-Jährige – das ist das neue Konzept, das der Verwaltungsratsvorsitzende Hans Nock erst noch seinen Gesellschaftern in einer Sondersitzung schmackhaft machen muss – soll ab Februar die "Alte Post" quasi managen und die beiden Gastronomiekonzepte in dem Haus (oben die Gourmetküche mit dem bisherigen Souschef Atilla Heilbronn und unten das Bistro) miteinander in Einklang bringen. Management statt Verpachtung: Damit würden die Gesellschafter die Zukunft der "Alten Post" erstmals selbst in die Hand nehmen.
Kommentare
Artikel kommentieren
Bitte beachten Sie: Die Kommentarfunktion unter einem Artikel wird automatisch nach sieben Tagen geschlossen.