Der preisgekrönte Saxofonist Markus Harm gab mit seinem Quartett ein Online-Konzert.Promo-Foto: Niklas Foto: Schwarzwälder Bote

Online-Auftritt: Rund 60 Zuschauer

Nagold. Die Nachricht über das bevorstehende Konzert des Markus Harm Quartetts weckte Hoffnungen auf eine zumindest kurzzeitige Belebung der durch Corona gebeutelten Musiklandschaft. Bereits vor dem Online-Konzert und dem eintägigen Workshop mit der OHG-Big-Band sprach der Schwarzwälder Bote mit dem preisgekrönten Jazz-Saxofonisten Harm über seine Nagolder Wurzeln, den musikalischen Werdegang, über die aktuelle Lage in der Musikbranche und die schicksalhaften, oft verheerenden Auswirkungen der Pandemie auf alle Kulturschaffenden.

Für den Bandleader Harm, der als Lehrbeauftragter für das Fach Jazz-Ensembleleitung an der Hochschule für Musik Nürnberg arbeitet und an der Musikschule der Stadt Stein unterrichtet, sei die Lage noch nicht kritisch, aber auch er musste seine Konzerttätigkeit wegen zwei Lockdowns aufs Eis legen. Immerhin gelang es ihm und seinen Band-Partnern Christoph Neuhaus (Gitarre), Jens Loh (Bass) und Dominik Raab (Schlagzeug) im Sommer 2020 frische musikalische Inspirationen aufzugreifen und ihr drittes Album einzuspielen. Für den Online-Auftritt "Jazz im Winter" wählte das Quartett einige Highlights aus seinem Gesamtrepertoire.

Bis vor einem Jahr gehörten die Präsenz-Konzerte zum untrennbaren Bild der Kulturszene, nun sind sie zum unerschwinglichen Luxus geworden. Zwar bietet die Technik etliche Notlösungen, doch auch die beste Qualität einer Echtzeitübertragung vermag es nicht, sowohl den direkten Kontakt mit Kunst als auch die lebendigen und authentischen Interaktionen zwischen Bühne und Publikum herzustellen oder zu ersetzen.

Umso mehr sollte man die Kühnheit und das Engagement sowie den zeitlichen und technischen Aufwand der Organisatoren des Online-Workshops mit rund 20 Teilnehmern und des Konzerts im Kubus würdigen und loben. Denn ohne Einsatz seitens der OHG-Schulleitung, der Lehrer Ralf Brauer und Frank Meyer sowie mehrerer helfender Köpfe und Hände wäre das gemeinsame Projekt von Harm und OHG gar nicht zustande gekommen. Abgesehen von kleinen technischen Unzulänglichkeiten brachte die OHG-Mannschaft eine echte Topleistung zutage.

Das Jazz-Quartett bot seinem virtuellen Publikum eine Auswahl eigener Kompositionen aus den früheren und auch dem neuesten Album und ging seine Aufgabe mit Elan und vollem Einsatz an. Die Musik stammte überwiegend aus der Feder von Harm, wobei sich auch Neuhaus und Raab als erfahrene Komponisten erwiesen.

Ihre Jazz-Strömung floss zwischen Tradition und Moderne abseits der stilistisch abgesteckten Grenzen, wirkte kapriziös und zugleich innig-melancholisch und bildete mehrere innovative wie originelle Grundlagen für fabelhafte Soli und hoch virtuose Dialoge. Jede Komposition glich einem Mosaik aus musikalischen und interpretatorischen Einfällen, spannender Stimmungsvielfalt und wechselhaften Farbenspielen.

Den Livestream beobachteten rund 60 Zuschauer. Vermutlich erlebte jeder das eineinhalbstündige Konzert auf seine eigene Weise, und wahrscheinlich vermisste jeder das Gefühl des Miteinanders, des "Dabei-zu-sein" und des aktiven Mitwirkens. Harm selbst formulierte es so: "Der Stream ist eine Alternative in jetziger Zeit, aber er ersetzt kein Konzert."