Viele Zuhörer waren zur Veranstaltung "Fragen am Ende meiner Zeit" in den Nagolder Kubus gekommen. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Netzwerk: Kooperations-Veranstaltung "Fragen am Ende meiner Zeit" im gut besuchten Kubus

"Fragen am Ende meiner Zeit" – welch großes Thema. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass die Veranstaltung im Kubus so großen Zuspruch fand.

Nagold. Veranstaltet wurde der Abend vom Arbeitskreis "Sterben in Würde". Dieses von VHS und Urschelstiftung gelenkte Gremium beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Fragen des Lebensendes und hatte zum Informations- und Gesprächsabend eingeladen.

Ulrich Mansfeld begrüßte und führte thematisch in den Themenkreis ein. So wies er auf die Tabuisierung der letzten Lebensphase in der Gesellschaft hin sowie auf Ängste und Hilflosigkeit bei Sterbenden. Mehr Gewissheit, Orientierung und Vertrauen sollten durch die Veranstaltung vermittelt werden. Angela Anding stellte die Referenten aus den verschiedensten Lebensbereichen vor und moderierte gekonnt und souverän den Abend.

Fünf unterschiedliche Themenbereiche

Das Konzept sah fünf ganz unterschiedliche Themenbereiche vor, die in zehnminütigen Impulsvorträgen angesprochen werden und die enorme Vielfalt der Fragen in der letzten Lebensphase verdeutlichen sollten: Für den Chirurgen Stefan Benz gibt es in seinem naturalistischen Weltbild keine höheren Mächte, denn ausschließlich Naturgesetze bestimmten die Geschehnisse um Leben und Tod. Eine Existenz nach dem Tod sei deshalb nicht möglich; dennoch brauche der Sterbende Trost, wobei die menschliche Zuwendung als wichtigstes Heilmittel auch in der Hochleistungsmedizin gelte.

Für Pfarrer Daniel Geese von der Landeskirche und Diakon Bertram Löffler von der Diözese Rottenburg ist Seelsorge am Sterbebett ein ökumenischer Auftrag. Obwohl der Sterbende sich aus dem Leben entfernt, bleibe er gehalten in Gott. Mit religiösen Symbolen, Gebeten, Sakramenten, Abendmahl, durch Zuhören oder das Aushalten von Sprachlosigkeit begleiten Seelsorger Sterbende und verhelfen ihnen zu einem würdigen Ende des Lebens.

Auch Birol Akbaba, der "Dede" der alevitischen Glaubensgemeinschaft aus Esslingen betonte, dass die menschliche Seele unsterblich sei. Für die Vertreter dieser muslimischen Glaubensrichtung, die sich zu Bescheidenheit, Geduld und Humanismus bekennt, liege in jedem Menschen göttliche Kraft, weshalb jeder zu Beistand bei Sterbenden verpflichtet sei, auch wenn es sich um Mitglieder anderer Religionen handle.

In einer längeren Pause gab es Gelegenheit, an sogenannten "Murmeltischen" die Akteure des Abends (erweitert um den Rechtsanwalt Rainer Schmid und Eberhard Schwarz vom Stadtseniorenrat) ganz konkret anzusprechen. Dabei, aber auch insgesamt im Saal, kam es zu einem lebhaften Austausch zwischen Besuchern und Referenten. So war es nicht verwunderlich, dass mit charmantem Nachdruck in die zweite Hälfte gebeten wurde. Der Gesprächsbedarf war nicht enden wollend.

Selbstbestimmung für "Pallicare" verpflichtend

Nach der Pause stellte zunächst der Arzt Ulrich Hartmann mit einem Video aus der Landesschau die Arbeit von Pallicare in Nagold vor. Diese spezialisierte, ambulante palliative Versorgung (SAPV) betreut Sterbende in ihrer vertrauten Atmosphäre und strebt ein Sterben in Würde und ohne Schmerzen an. Das Prinzip Selbstbestimmung der Sterbenden sei für Pallicare verpflichtend.

Monika Wehrstein vermittelte als Vertreterin des ambulanten Hospizes in Nagold den unheilbar Kranken in ihrer letzten Zeit Geborgenheit und Erleichterung. Gemäß der Erkenntnis, dass Sterbende auch Lebende bis zum Schluss sind und dass jedes Ende ein neuer Anfang sei, gilt für die ambulante Hospizarbeit die Ermunterung, das Leben im Sterben zu entdecken.

Als Leiterin des neuen Stationären Hospizes St. Michael in Nagold konnte abschließend Jutta Benz von ersten Erfahrungen dieser Einrichtung berichten. Es biete ein Zuhause auf Zeit an, wo unheilbar Kranke die letzten Sonnenstrahlen des Lebens genießen könnten. Ein Team von Professionellen und Ehrenamtlichen haben diese eminent wichtige Struktur für Nagold übernommen.

Ein lebhafter Austausch von Fragen aus dem Publikum und den Experten schloss sich an. Pflege und Betreuung von Alleinstehenden, Vorbereitung auf den Tod mitten im Leben, zweifelhafte Strukturen der Schulmedizin und auch juristische Fragen wurden zum Teil kontrovers diskutiert.

"Auch im Sterben das Leben entdecken"

Nach einem Dank an Zuhörerschaft und Experten stellte Ulrich Mansfeld in seinem Schlusswort fest, dass Würde, Respekt und vor allem menschliche Zuwendung die Leitlinien für das Wirken aller Handelnder sei. Dies sei wie ein roter Faden bei allen Ausführungen angeklungen. Dankbar sei zu erkennen, dass sich in Zeiten gesellschaftlicher Isolierung ein hervorragendes Netzwerk in Nagold entwickelt habe, in dem es möglich sei, auch im Sterben das Leben zu entdecken.