Nagold - "Wir haben zehn Jahre lang alles versucht. Doch wir sind gescheitert." Zerknirscht muss Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann die einschneidende Nachricht verkünden: Das Gertrud-Teufel Alten- und Pflegeheim wird im Jahr 2020 Geschichte sein. Das betreute Wohnen am Standort Lemberg soll dagegen bestehen bleiben.

Ganz überraschend kommt das Aus des Alten- und Pflegeheims in städtischer Trägerschaft nicht. Seit zehn Jahren macht die Einrichtung massive Verluste. Allein von 2010 und 2018 betrug der Abmangel stolze 4,4 Millionen Euro. Immer wieder versuchte die Stadt den Betrieb zu optimieren und zu konsolidieren. Ohne durchschlagenden Erfolg.

Man holte ein externes Gutachten ein, machte die Gutachterin Mechthild Mohr schließlich zur Geschäftsführerin. Ein Schritt, der nach Aussagen von Jürgen Großmann der Einrichtung zumindest vorerst Schlimmeres ersparte: "Ohne Mechthild Mohr wäre der Abmangel noch höher ausgefallen", so das Stadtoberhaupt im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Auch eine Halbierung der stationären Plätze von 104 auf 48 brachte die Einrichtung nicht in die schwarzen Zahlen

Als Grundproblem des Seniorenzentrums sieht man bei der Stadt die bauliche Anordnung der drei Gebäudeteile: Das Atrium, der in den 1960er-Jahren gebaute und 2008 sanierte Ursprungsbau, das "Betreute Wohnen" im Zentrum und der 1998 in Betrieb gegangene Neubau. Knackpunkt dabei ist, dass die stationäre Pflege im Atrium und im Neubau verortet ist. Das bedeutet für das Personal viel Aufwand und lange Wege – ein Zustand, der "betriebswirtschaftlich nicht darstellbar" sei, wie es Großmann formuliert.

Baier bricht Lanze für die Mitarbeiter

Das allerdings war nicht das Ausschlaggebende bei der Entscheidung für das Aus des Pflegeheims. Es seien auch nicht die Mitarbeiter gewesen, für die Personalratsvorsitzender Rafael Baier ausdrücklich eine Lanze bricht. "An denen lag es nicht", betont Baier.

"Was uns das Genick gebrochen hat, ist die neue Heimbauverordnung", konstatiert das Stadtoberhaupt. Man habe zwar gewusst, dass es eine solche neue Verordnung geben sollte, allerdings habe die Ausführung für Bestandsbauten erst im Jahr 2016 schriftlich vorgelegen, argumentiert Großmann. Diese neue Verordnung schreibt unter anderem größere Räume und andere Wohngruppengrößen vor. Das sei jedoch nicht das ausschlaggebende Problem gewesen. Entscheidend war, dass die Verordnung für jedes Zimmer eine eigene Nasszelle vorschreibt. Aktuell haben zwei Zimmer eine gemeinsame Nasszelle.

Man machte sich an die Planungen für einen der Verordnung entsprechenden Umbau des Neubaus. Dabei stellte sich aber heraus, dass dieser Umbau stolze 6,4 Millionen Euro kosten würde. "Das ist nur eine Million unter den Kosten für einen kompletten Neubau", so Großmann. Hätte man den Umbau tatsächlich umgesetzt, wäre das sanierte Gertrud-Teufel-Heim mit einem Minus von zwischen 17 und 19 Millionen Euro in eine neue Zeit gestartet.

Angesichts dieser Zahlen habe man mit der Mehrheit des Gemeinderats die Reißleine gezogen. Eine Entscheidung, die schwer gefallen sei und sehr schmerze, so das Stadtoberhaupt. Zehn Jahre lang habe man mit allen Kräften versucht, die Tradition in Gestalt des Gertrud-Teufel-Heims zu wahren und nie die Hoffnung aufgegeben. "Doch wir sind gescheitert", gibt Großmann zu.

Bei allem Schmerz über die getroffene Entscheidung, ist man sich bei der Stadt durchaus darüber im Klaren, dass man in Sachen GT-Heim mindestens fünf Jahre früher hätte eingreifen und handeln müssen. Das räumt Jürgen Großmann freimütig ein. Und auch Bürgermeister Hagen Breitling bekennt, dass man sich schon bei allen getätigten Umbauten der vergangenen Jahre die Sache hätte genauer anschauen müssen.

Die 45 Bewohner und die 48 Mitarbeiter des Pflegeheims seien bereits vor einiger Zeit über die Entscheidung informiert worden. Jetzt mache man sich daran, für die betroffenen Senioren in der Umgebung Pflegeplätze zu suchen, wie Pflegedienstleister Jürgen Berglar berichtet.

Investoren haben bei der Stadt schon angeklopft

Auch für die Mitarbeiter suche man nach "individuellen Lösungen entsprechend ihres Lebensalters", so Jürgen Großmann, der sich sicher ist, dass keiner der Mitarbeiter auf den Boden falle. Angesichts des Mitarbeitermangels in der gesamten Branche sollte es eher kein Problem sein, die Leute unterzubringen.

Als Zeithorizont für die Stilllegung des Pflegeheims mit stationärer Pflege und Tagespflege in den Gebäuden Atrium und Neubau hat man sich zwölf bis 18 Monate gesetzt.

Was die zukünftige Nutzung angeht, hat man bei der Stadt schon Vorstellungen. Die zwei Häuser könnten als Erweiterungsmöglichkeit für das nicht von der Schließung betroffene Betreute Wohnen dienen.

Dass der Wegfall der Plätze im Gertrud-Teufel-Heim angesichts der großen Nachfrage nach solchen Plätzen für einen Engpass in Nagold sorgen wird, ist auch OB Großmann klar. Deshalb hat er das klare Ziel ausgegeben, mehr stationäre Plätze in Nagold zu schaffen. Und da werde sich in nächster Zeit etwas tun, verspricht er.

Entsprechende Investoren hätten in Sachen neuer Heimeinrichtungen bereits bei der Stadt angeklopft. Solche Investoren werde man "wohlwollend begleiten" – unter anderem bei der Suche nach möglichen Standorten. Als einen solchen möglichen Standort brachte das Stadtoberhaupt dabei im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten das neu entstehende Baugebiet Hasenbrunnen ins Gespräch. Aber auch in den Teilorten bestünden durchaus Möglichkeiten, Pflegeheime anzusiedeln und so das bittere Aus für das Gertrud-Teufel-Pflegeheim aufzufangen.

Kommentar: Teure Treue

Von Sebastian Bernklau

Es kann ja sinn- und ehrenvoll sein, Traditionen zu pflegen und an ihnen festzuhalten. Im Falle des Gertrud-Teufel-Heims erwies sich diese Nibelungen-Treue allerdings als wenig hilfreich. Und als teuer. Als die roten Zahlen fast schon zur Gewohnheit wurden, suchten Stadt und Gemeinderat nicht nach einer großen Lösung – etwa in Form eines fachkundigen Investors – sondern man versuchte, sich irgendwie durchzuwurschteln. Mit dem Erfolg, dass sich nichts wirklich änderte.

Die roten Zahlen blieben. Über die Jahre gingen der Stadt so viele Millionen verloren. Geld, mit dem man leicht einen effektiven Neubau hätte realisieren können. Geld, das man aber auch in andere sinnvolle Projekte hätte investieren und das Thema Pflege echten Experten überlassen können. Das hätte vielleicht nicht der Tradition entsprochen, aber es wäre vor allem eines gewesen: vernünftig.