Die Auszubildenden der Pfrondorfer Mühle organisieren das Angebot "to go", vom Einkauf über die Zubereitung bis zur Vermarktung. Foto: Fritsch

Außerhausverkauf rettet das Überleben. Anna Bierig: Kneipen und Bars am schwersten betroffen.

Nagold - "Das war erst mal ein echter Schock. Man will das nicht wahrhaben", sagt Aylin Weirowski, Junior-Chefin der Pfrondorfer Mühle. Gemeint ist natürlich der Corona-Shutdown – von einem Tag auf den anderen keine Gäste mehr. Doch der Schock lähmte nur kurz. Dann wurden die Ärmel hochgekrempelt.

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"Wofür kann man die Zwangspause nutzen?" Zur Sanierung der Bäder in den Hotelzimmern zum Beispiel. Ausbau der digitalen Präsenzen und Angebote. Und – ganz wichtig: "Einen eigenen Außerhausverkauf organisieren!" Hähnchen, Schnitzel, Maultaschen zum Mitnehmen. Die große Stunde für die Azubis von Küchenchef Alexander Schaal – Pascal, Lea (Küche) und Rosalie (Service). Die bekamen die Aufgabe, – unter Anleitung natürlich – das Angebot "to Go" selbst zu organisieren. Einkauf, Zubereitung, Vermarktung. "Eine tolle Bewährungsprobe für die drei."

Auf Schock folgt Kreativität

Ähnlich die Situation im griechischen Restaurant "Olive" in Nagold-Iselshausen. Auch hier waren Wirt Georgios Palaskas und sein Team "über Nacht" zur Bewegungsunfähigkeit verdammt. Auch hier folgte dem ersten Schock die große Stunde der Kreativität. "Unsere Köche kommen aus Griechenland, arbeiten seit vielen Jahren für uns." Gute Leute muss man halten. Beschäftigen. Gerade in der Gastronomie. Der eigene Außerhausverkauf war auch hier die Lösung: Reduzierte Speisekarte. Sieben Tage die Woche. Von 12 bis 20 Uhr. Besonderheit hier: Ein eigner "Drive-in"-Schalter – ein Fenster zur Straße, aus dem die Speisen direkt in die vorfahrenden Autos gereicht werden können. Wobei es hart ist, anschließend mit den so lecker duftenden Speisen in der Tasche dann erst mal nach Hause fahren zu müssen – zum Schlemmen. Man ist arg versucht, unmittelbar vom würzigen Gyros zu naschen.

Anna Bierig von Nagolder City-Verein bestätigt: "Das von den Wirten bei uns wegen des Corona-Shutdowns spontan aufgebaute Angebot im Außerhausverkauf ist wirklich erstaunlich komplett." Deutsch, griechisch, italienisch... Wer will, kann sich in Nagold kulinarisch jeden Tag anders verwöhnen lassen – trotz der noch anhaltenden Schließung der Gastronomie. "Die Auswahl ist wirklich super." Auch das Naturfreundehaus (diese Woche: zum Beispiel Pulled pork-Burger, Wildschweinrückensteak, Schwäbischer Wurstsalat) ist dabei. Oder das Wolfsbergstüble: Kartoffelcurry, Rinderhüftsteak. Auch hier – nach Vorbestellung: Alles zum Mitnehmen.

Eines der Highlights des Wolfsbergstüble – findet Anna Bierig: "Die Grill-Geschichte zum 1. Mai – eine super kreative Idee." Wer wollte, bekam von Wirt Markus Dettinger alles fürs Grillen daheim zusammengestellt. "Toll mariniertes Fleisch – bis hin zu den leckeren Salatsaucen." Auch in der Pfrondorfer Mühle gibt’s solche ausgesucht schmackhaften Angebote für die eigene Küche. Hier allerdings "im Glas": Die selbstgemachten Konfitüren sind schon länger bekannt. Neu dazu gekommen sind Suppen – Tomate, Spargel. Auch "schwäbische Linsen". Oder die hausgemachte Brühe. Verkaufsrenner: "Unsere selbstgemachten Saucen" – vor allem die Rahmsaucen. Deshalb gerade auch ausverkauft. Kombiniert mit den hausgemachten Spätzle (auch zum Mitnehmen und Selberkochen; im Vakuumbeutel – nicht im Glas) einfach ein Gedicht. Wie auch die verschiedenen Desserts im Glas.

Gäste zeigen Verständnis

Was Aylin Weirowski beobachtet: "Wir haben wirklich extrem verständnisvolle Gäste, erleben sehr viel tolle Solidarität." Eigentlich war das Haus jedes Wochenende seit Mai mit Hochzeiten und Banketten ausgebucht. Alles abgesagt. Beziehungsweise: verschoben. Wie auch viele reservierte Essen für Geburtstage. "Die feiern die Gäste jetzt im Herbst statt im Frühjahr." Oder jener Gast, der eigentlich zu Ostern seine Familie in die Pfrondorfer Mühle ausführen wollte. "Und stattdessen nun einen Gutschein kaufte." Um die Wirte und ihr Team zu unterstützen. "Das ist wirklich eine tolle Solidarität."

Das bestätigt auch "Olive"-Gastgeber Georgios Palaskas: "Die Stammkunden halten die Treue, unterstützen uns, wo und wie sie nur können." So reicht es "im Moment", um gerade so zu überleben. Aber – auch hier: "Das tolle Wetter zu Ostern..." Da wäre der Biergarten normalerweise voll gewesen. Jetzt ruht die Hoffnung darauf, dass ab nächster Woche auch in Baden-Württemberg, auch in Nagold die Gastronomie wieder durchstarten darf. Als erstes sollen ja gerade solchen "Außen-Angebote" öffnen dürfen – die Biergärten, die Straßen-Cafés. "Hoffen wir es", sagt Wirt Palaskas – und legt die Hände wie zum Gebet zusammen. Wobei deutlich wird: Dem Patron aus Leidenschaft fehlen seine Gäste, das Gastgeben wirklich. Nicht nur des Umsatzes wegen. Sondern aus Passion. "Im Biergarten ist schon alles ausgemessen und auf Abstand gestellt. Auch innen." Die Ungeduld wächst. Die Sehnsucht nach einem Haus voller Leben. Gleiches Bild im Außenbereich der Pfrondorfer Mühle. "Wir haben hier viel Platz, können alle Tische besetzen – auch bei Wahrung der geforderten Mindestabstände." Innen werde man das mit Plexiglas-Aufstellern regeln. Es scheint so: Alles wartet auf die Rückkehr der Gäste.

Was wiederum Anna Bierig für die gesamte hiesige Gastronomie bestätigt. "Die kämpfen um wirklich jeden Kunden." Durchgehender Tenor: "Wir wollen was tun!" Wobei Bierig sich Sorgen auch und vor allem um jene Wirte macht, die kein oder nur ein sehr geringes Speisenangebot haben. Und vor allem vom Getränkeumsatz leben: "Die Kneipen, Bars." Da ging und geht nichts "außer Haus". "Die Probleme dieser Betriebe gehen in der Diskussion leider komplett unter", zumal in einer echten Bar oder Kneipe wie dem "Zwickel" oder dem "Teufele" sich mögliche Abstandsregeln eher schwierig umsetzen ließen. "Weil sie ja für das genaue Gegenteil gemacht sind." Wie das mit den Corona-Regeln zusammengehen kann? "Keine Ahnung", sagt die City-Managerin. "Wahrscheinlich nicht ohne echte Hilfen." Um die Zeit bis zur echten Normalität im gesellschaftlichen Leben zu überbrücken.