Interview zum Welttag des Buches: Hajo Schörle über zu billigen Lesestoff, den Buchmarkt und die Leser
Nagold. Hajo Schörle (54) ist buchbegeistert: Direkt von der Schule weg machte er sich 1988 mit seinem "Buch und Bild Verlag" mit Sitz am Nagolder Wolfsberg selbstständig. Zuerst verlegte er die Romane seines Vaters und ein Buch über Steine. Seine Steckenpferde sind heute andere, nämlich Fragen- und Kinderbücher. Aus der Perspektive eines kleinen Verlegers spricht er zum Welttag des Buches über seine Sicht auf den Buchmarkt – und die Leser.
Dass Lesen bildet, ist gut bekannt. In ihrer Freizeit hocken die Deutschen aber am liebsten vor der Glotze. Ein Buch zu lesen, steht erst auf Platz 11. Was muss passieren, dass Bücher genauso angesagt sind wie die Flimmerkiste?
Ich glaube, man muss die Themen wieder ein bisschen näher an die Leute bringen. Gerade zum Bücher-Lesen muss man eine Affinität haben. Es gibt nach wie vor Leute, die an einem Wochenende einen Roman verschlingen.
Und doch ist die Buchbranche ein Markt, für den rückläufige Umsatzzahlen prognostiziert werden.
Ich bin ab und an auf der Frankfurter Buchmesse, und wenn man dort das Messe- und Buchgeschehen mitkriegt, dann hat man diesen Eindruck nicht. Es gab die Entwicklung mit E-Book, Internet, und der Glaube, dass man eine Zeitung nicht mehr brauche. Ich habe den Eindruck, dass die Entwicklung wieder rückläufig ist. Der Hype ist überschritten. Die Haptik eines Buchs wird von vielen geschätzt. Ich bin überzeugt, in 20 Jahren gibt es genauso einen Buchmarkt.
Ihre Branche wird beherrscht von großen Verlagen. Wie behauptet man sich als kleiner Verleger aus Nagold in diesem Umfeld?
(Lacht) Als ich angefangen habe, habe ich die Illusion gehabt, dass jeder Verlag die gleichen Chancen am Markt hat, bis ich dann irgendwann festgestellt habe, dass sich zwei Konzerne den Buchmarkt aufteilen. Bis heute ist das Umfeld auf jeden Fall schwieriger geworden. Und trotzdem glaube ich, dass man die Chance hat, auf dem Buchmarkt Nischen zu finden und dass man inzwischen auch stärker in Kontakt treten muss mit den Lesern...
...wie läuft so etwas ab?
Das ist ein Vorteil eines kleinen Verlags. Wir haben speziell zu unseren Fragenbüchern viele Rückmeldungen erhalten und unser Konzept immer wieder angepasst. Am Anfang haben wir unsere Fragenbücher eher im esoterischen Bereich gesehen. Aber wir bekommen viele Rückmeldungen von Betreuern, die sie in Gesprächskreisen im Seniorenheim nutzen, von Leuten, die Reha-Arbeit damit machen, von Lehrern, die pädagogisch damit arbeiten. Auch viele Jugendliche lesen unsere Fragenbücher.
Sie haben die Fragenbücher angesprochen. Die gibt es noch nicht lange. Haben Sie damit Ihre Nische gefunden? Ihre Bücher sind ja schon sehr ausgefallen...
...ich denke schon, dass wir da eine Nische gefunden haben, aber eher zufällig. Der Weg dahin war sehr emotional: Bringt das was? Rechnet sich das überhaupt? Am wichtigsten ist, den Zweifel zu überwinden. Wir waren überzeugt von der Idee und wir sind einfach dran geblieben.
Warum möchten Sie keine Antworten geben?
Bei den Fragen hängt es oft nur von einem Wort an, ob sie begrenzen oder offen sind. Es soll kein Ratgeber mit 99 Fragen sein, der irgendwas vorschreibt. Jeder Leser soll von innen heraus für sich selbst eine Antwort finden.
Kommen wir zu einem kritischeren Thema: Was macht ein kleiner Verlag mit Büchern, die sich nicht so gut verkaufen?
Ich hab hier ja genug Fläche…
…die begrenzt ist.
Aber ich denk’ mal, ich kann noch ne Weile damit arbeiten (lacht). Nein, wenn sich’s nicht verkauft, muss man überlegen, wie wir noch näher an unsere Kunden rankommen. Deshalb bin ich ganz froh, dass ich zusätzlich die Nische mit den Mini-Lesebüchern für Kinder entdeckt habe. Das ist mein zweites Standbein. Bei den Fragenbüchern müsste ich mich sonst voll auf den Markt konzentrieren und nur auf Verkaufszahlen achten, was die Kreativität herausnehmen würde.
Sie müssen auch wirtschaftlich arbeiten: Was würden Sie als Verleger sagen, welcher Preis ist einem Buch angemessen?
Da bin ich auch mit meiner Schwester immer am Diskutieren. Ich denke, ein Buch sollte einen gewissen Preis haben, um eine Wertigkeit herzustellen. Ich sehe es immer mal wieder: Da wird ein Kochbuch aus dem Boden gestampft und im Supermarkt für 99 Cent verkauft. Da kann man sich vorstellen, wie viel Herzblut drin steckt. Das finde ich sehr schade.
Geben Sie uns zum Abschluss doch eine Empfehlung: Gibt es Bücher, die jeder haben sollte?
Ja… (Lacht)
...mal abgesehen von ihren eigenen.
Nein. Eigentlich ist es das Schöne, dass man die Vielfalt hat. Selbst die Bestseller werden nicht von jedem gelesen. Das ist eine sehr individuelle Geschichte, ich finde das auch gut so. Die Fragen stellte
Alexander Kauffmann