Laut der Initiative Stolperstein wurden bislang mehr als 73 000 Stolpersteine in 24 europäischen Ländern verlegt. Foto: Guidi

Realschülerinnen stellen im Rathaus ihr Forschungsprojekt zur NS-Zeit in Nagold vor.

Nagold - In der jüngsten Sitzung des Kultur-, Umwelt- und Sozialausschusses stellten sechs Schülerinnen der Christiane-Herzog-Realschule (CHR) ihre aktuellen Forschungsergebnisse zum Thema Nationalsozialismus in Nagold vor. Ihr Geschichtslehrer Gabriel Stängle hatte dabei einige frische Ideen im Gepäck, wie auch Oberbürgermeister Jürgen Großmann.

Vom Aufstieg des Nationalsozialismus in Nagold, über das Schicksal von rassisch, politisch und religiös Verfolgten, bis hin zu Nagoldern, die vor Ort Widerstand gegen die nationalsozialistische Terrorherrschaft geleistet haben, gaben die Realschülerinnen Emily Braun, Paulina Held, Afrora Kolgeci, Lea Mijatovic, Anna Pajdakovic und Lea Schönmetzler vielseitige Einblicke in die Zeit, als die Stadt Nagold 1933 im "Gesellschafter" als "nationalsozialistische Hochburg in Württemberg" bezeichnet wurde.

"Die etwas andere Führung: Nagold im Nationalsozialismus"

Und um das Thema weiter in die Gesellschaft hinein zu tragen, haben die Realschülerinnen mit ihrem Geschichtslehrer zunächst eine etwa hundert Seiten lange schriftliche Ausarbeitung unter dem Titel "Die etwas anderen Stadtführungen: Nagold im Nationalsozialismus" an Oberbürgermeister Jürgen Großmann überreicht, welche die Stadt in Zukunft für eigenen Zwecke verwenden kann.

Des Weiteren wird man Stadtführungen zum Thema anbieten, die vor allem einen Beitrag dazu leisten sollen, dass "das Schweigen aufgebrochen" wird, so Stängle. Auch spiele man mit dem Gedanken, eine App zum Thema Nationalsozialismus in Nagold zu entwickeln, wobei die Umsetzung dieser Idee "eine finanzielle und auch technische Herausforderung" darstellen könnte, meinte Stängle.

An das Schicksal der Menschen erinnern

Schließlich brachte der Geschichtslehrer im Namen der Schülerinnen noch ein ganz besonderes Anliegen vor, nämlich die Verlegung von "Stolpersteinen" in Nagold. Das Projekt "Stolpersteine" wurde 1992 vom Kölner Künstler Gunter Demnig initiiert. "Stolpersteine" sind quadratische Messingtafeln, in die der Name, das Geburtsjahr und das individuelle Schicksal der NS-Opfer eingraviert werden, und anschließend vor dem letzten Wohnort der NS-Opfer verankert werden. Sie sollen an das Schicksal der Menschen erinnern, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und ermordet wurden.

Die Verlegung eines "Stolpersteins" koste etwa 120 Euro, bemerkte Stängle und bot noch im selben Atemzug an, die Kosten für den ersten "Stolperstein" in Nagold von dem kürzlich in Karlsruhe gewonnenen Preisgeld zu finanzieren. Die Stadt Nagold sei schließlich dafür bekannt, dass sie den umliegenden Ortschaften in vielen Dingen "eine Nasenlänge voraus" sei, bemerkte Stängle. Auch was die materielle Erinnerungskultur betreffe, könne Nagold in der Region "eine Vorreiterrolle einnehmen".

Auch Großmann bringt Ideen zur Aufarbeitung der Geschichte ein

Die Arbeiten der Realschülerinnen seien "sehr, sehr löblich" sagte Oberbürgermeister Jürgen Großmann zunächst. Die Fakten zu den Geschehnissen zu benennen, "einfach zu sagen, was geschehen ist", ohne dabei "eine Anklageerhebung" vorzunehmen, erleichtere den Umgang mit schwierigen und tabuisierten Themen ungemein, erklärte Großmann. Auf diese Weise könne man auch "für die Zukunft lernen".

Über den Vorschlag der Realschülerinnen, "Stolpersteine" in der Stadt zu verlegen, könne man zwar nachdenken, "die Preisgelder behaltet ihr aber bitte", sagte dann das Stadtoberhaupt eindringlich, und kam auch mit zwei eigenen Ideen um die Ecke geschossen.

Schüler ernten viel Lob

So warf Großmann etwa die Idee in den Raum, einen Abend in Nagold zu organisieren, bei dem Interviews mit Zeitzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus geführt werden könnten. Ferner wies das Stadtoberhaupt darauf hin, dass im Baugebiet Hasenbrunnen im Frühjahr 2020 zwei Straßen offiziell gewidmet werden, die nach Schwester Caroline von Olnhausen und Otto Dünkelsbühler benannt werden. Im Rahmen dieser Straßenwidmungen könne man womöglich auch das Forschungsprojekt der Realschülerinnen mit einbinden, bemerkte Großmann.

Über Schwester Caroline von Olnhausen und Otto Dünkelsbühler kamen die Schülerinnen in ihrem Vortrag zu sprechen. Schwester Caroline von Olnhausen, die als Diakonisse in Nagold tätig war, verweigerte stets den Hitlergruß und leistete auch darüber hinaus Widerstand gegen die Nationalsozialisten, beispielsweise dann, als Schwester Caroline aus der Führung des evangelischen Kindergartens herausgedrängt werden sollte - vergebens. Dem Maler und Grafiker Otto Dünkelsbühler, der von 1938 an in Nagold lebte, wurde ein Berufsausübungsverbot erteilt, weil sein Vater jüdisch war. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges konnte Dünkelsbühler seinen Beruf wieder frei ausüben.

Die Auseinandersetzung der Schüler mit dem Thema Nationalsozialismus in Nagold fand auch bei den anwesenden Gemeinderatsmitgliedern positiven Anklang. Die Bemühungen der Schülerinnen und des Geschichtslehrers seien "ganz toll", sagte Kurt Brei (CDU) und fügte hinzu: "Ich bin stolz auf euch." Auch Ulrich Hamann (FWV) lobte die Initiative von Stängle und seiner Schülergruppe. Dabei sprach Hamann von einem "faszinierenden Projekt", bei dem ein sehr schwieriges Thema aufgegriffen und intensiv untersucht werde.