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Einstiger Industriebau muss Parkplätzen weichen. Kosten von etwa 150.000 Euro. Mit Kommentar

Nagold - Eigentlich geht es nur um den Abbruch eines desolaten Gebäudes. Der Technische Ausschuss der Stadt Nagold beschloss die alte Seifenfabrik in der Calwer Straße 62 abzureißen. Damit verschwindet aber auch ein Stück Nagolder Industriekultur.

Für die Stadt Nagold ist der Abbruch nur eine logische Fortführung des Begonnenen. Denn große Teile des alten Fabrikareals sind bereits verschwunden. Dort hat die Stadt seitdem einen provisorischen Parkplatz angelegt, der vor allem von den Besuchern im Reinhold-Fleckenstein-Stadion bei VfL-Veranstaltungen rege genutzt wird.

Nun folgt also der nächste Schritt: Das Gebäude mit der Nummer 62 soll weichen. Erklärter Wille der Stadt: Auch dort sollen Parkplatzflächen entstehen. "Die benötigen wir", machte Nagolds OB Jürgen Großmann in der Sitzung deutlich. Zum einen bei den gut besuchten Spieltagen im Stadion, zum anderen aber auch als Parkplatzüberlauf für die Innenstadt und auch für die gegenüberliegenden Outlet-Center von Digel und Co.

Rein optisch betrachtet verschwindet damit ein durchaus das Ortsbild in der Calwer Straße prägendes Gebäude. Und zumindest die Seitenansicht zur Calwer Straße hin ist durchaus noch ansehnlich. Doch offensichtlich trügt der Schein. Bernd Gorenflo (Grüne), der vorsichtig anfragte, ob man nicht auch eine andere Nutzung oder einen Investor für das Gebäude hätte finden können, ließ sich im Verlauf der Sitzung jedenfalls überzeugen – und stimmte letztlich wie alle anderen Ausschussmitglieder auch für den Abbruch. "Es tut mir aber schon leid um dieses Industrieensemble", hatte er zuvor betont.

"Das Haus hätte man retten können – wenn man vor 50 Jahren eine andere Nutzung gewählt hätte", war OB Großmann überzeugt. Er verdeutlichte: "Wir sehen nur die Schokoladenseite. Wenn Sie das Gebäude von hinten anschauen, dann brauchen Sie keinen Gutachter mehr."

Das Haus sei unbewohnbar, nur mit riesigem Aufwand sanierbar, zudem fehle es an einer sinnvollen Nutzung, argumentierte der OB. Einen Investor wolle man auch gar nicht, erinnerte Großmann daran, dass man den Gebäudekomplex ja ganz bewusst in städtischer Hand wissen wollte. "Das ist unser Tafelsilber", sagte der OB weiter. Und es müsse nicht bei Parkplätzen bleiben. Großmann: "Das Gelände wird uns in der Stadtnutzung noch gut tun."

"Eine andere Nutzung ist überhaupt nicht vorstellbar", machte auch CDU-Rat Helmut Raaf deutlich. Und Fraktionskollege Wolfgang Schäfer erinnerte daran, dass das Gebäude als Seifenfabrik gebaut wurde. "Dort passt nix." Daniel Steinrode (SPD) verwies darauf, wie dringend dort Parkplätze benötigt würden.

Das Gebäude wurde einst von der im Jahr 1906 gegründeten Schwarzwälder Dampf-Seifenfabrik Gebrüder Harr erbaut und im Volksmund "Seifenbatsche" getauft. 1972 stellte das Unternehmen seinen Betrieb ein. In den Jahrzehnten danach hatte es schon so manchen Nutzer gegeben – die Palette reichte vom Tanzstudio bis zum Spielsalon, vom Vereinslokal bis zur Außenstelle des Arbeitsamtes. Auch Bands probten im Keller des Hauses.

Der Komplex besteht aus dem Wohnhaus, das aufgrund eines Wasserschadens von Schwarzschimmel befallen ist, der Spielhalle, Wohnungen im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss sowie einem Anbau, dem ehemaligen Kesselhaus, dem Fabrikgebäude und dem einstigen Magazin, das zuletzt auch als Wohnung genutzt wurde. Der gesamte Komplex ist in Ziebelmauerwerksweise hergestellt worden. Kosten wird der Abriss etwa 150.000 Euro. Da im aktuellen Haushalt nur 95.000 Euro eingestellt sind, wird der Gemeinderat noch die zusätzlichen Mittel genehmigen müssen.

Kommentar

Es kann einem weh ums Herz werden: Nagolds "Seifenbatsche" wird abgerissen. Über Jahrzehnte prägte der Backsteinbau das Ortsbild im Norden. Doch Vorsicht vor allzu viel Verklärung. Die einstige Seifenfabrik taugt nicht zur Romantisierung. Das Areal ist seit Jahrzehnten ein Schandfleck. Daran ändert auch die ansehnliche Fassade nichts. Die ist wirklich nur Fassade – mehr Schein als Sein. Dass der Abbruch kommt, ist seit Jahren absehbar und letztlich auch folgerichtig. In all den Jahren gelang es jedenfalls nie, eine stimmige Nutzung zu finden, die dann auch eine umfangreiche Sanierung gerechtfertigt hätte. Für die "Seifenbatsche" fehlte schon immer die zündende Idee – und die kreativen Köpfe, die sich für deren Erhalt einsetzen wollten. Ein desolates Gebäude nur um des Erhaltens willen zu sanieren? Mal ehrlich: Wer kann sich das heute noch leisten.