Vor allem in den weiteren Ausbau des ING Park wird der Eigenbetrieb Abwasser in den nächsten Monaten investieren.Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Finanzen: Seit 2011 werden satte Gewinne erwirtschaftet / Überschuss auf über 1,4 Millionen Euro angewachsen

Die Abwassergebühren in Nagold bleiben stabil – und das bis mindestens 2023. Das teilte Sabine Wurster, Leiterin des Eigenbetriebs Abwasser, in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats mit. Hintergrund ist ein Luxusproblem: Anders als geplant, erwirtschaftet das Abwasser satte Gewinne.

Nagold. Das ist in Nagold ein "Luxusproblem" deshalb, weil das Kommunalrecht in diesem Bereich eigentlich keine Gewinne erlaubt. Schon gar nicht die Nutzung solcher Überschüsse für das Stopfen von Finanzlöchern an anderer Stelle der kommunalen Haushalte. Oder auch für Investitionen, auch nicht in das Abwassernetz selbst. Treten doch Überschüsse auf, wie laut Sitzungsunterlage in Nagold mindestens seit dem Jahr 2011, dürfen diese nur für laufende Betriebskosten oder für ein Ausgleich des Gebührenaufkommens genutzt werden. Also – selbst wenn in den kommenden Jahren ein Verlust im Abwasserbereich eingefahren würde, wäre dieser voraussichtlich aus den sogenannten "Gebührenausgleichsrückstellungen" gedeckt – eben mindestens bis ins Jahr 2023.

Deutlich über der Kostendeckung

Denn die Gebührenausgleichsrückstellungen haben sich seit 2011 auf eine recht erkleckliche Summe aufaddiert: Laut dem von Wurster vorgestellten Rechnungsergebnis des Eigenbetriebs Abwasser für das Geschäftsjahr 2019, beliefen sich diese zum Jahresende auf knapp 1,419 Millionen Euro. Und wuchsen damit innerhalb eines Jahres um knapp 309 000 Euro an – so hoch der Überschuss, den das Abwasser im vergangenen Jahr erwirtschaften konnte. Wobei – und da wird es etwas kompliziert – in diesem Überschuss auch eine Zwangs-Entnahme aus den Gebührenausgleichsrückstellungen früherer Jahre in Höhe von 169 000 Euro enthalten ist. Denn Gebührenausgleichsrückstellungen müssen immer spätestens innerhalb von drei Jahren aufgezehrt werden. Offensichtliche Krux: Je höher diese Entnahmen zur Auflösung früherer Rückstellungen ausfallen, desto höher die Neu-Überschüsse. Weshalb – trotz kontinuierlicher Entnahmen – das Rückstellungs-Guthaben des Eigenbetriebs Abwasser zuletzt immer wieder verlässlich anwuchs. Ende 2018 waren es beispielsweise noch 1,279 Millionen Euro, Ende 2017 knapp 980 000 Euro.

Ausschlaggebend für die erzielten Überschüsse ist die zugrundeliegende Kalkulation der Abwassergebühren: So weist der Eigenbetrieb Abwasser laut Sitzungsunterlage für das Wirtschaftsjahr 2019 etwa eine Kostendeckung der Schmutzwassergebühr von 111,29 Prozent (Vorjahr: 128,70 Prozent) aus – das heißt, man nimmt 11,29 Prozent mehr Gebühren ein, als durch die Kosten tatsächlich gebraucht würden. Allein die Kostendeckung bei der sogenannten "gesplitteten Gebühr" erreicht grundstücksbezogen nur eine Deckungsquote von 94,16 Prozent (Vorjahr: 109,93 Prozent) – und damit eine Unterdeckung. Aber die verbrauchsabhängige Seite der gesplitteten Gebühr liegt mit 111,71 Prozent (Vorjahr: 127,60 Prozent) wieder deutlich über der Kostendeckung.

Dennoch mit Kreditaufnahmen

Damit wäre die grundstücksbezogene Gebühr im Jahr 2019 kostendeckend bei 0,81 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche gewesen. Tatsächlich wurden 0,76 Euro verlangt. Die verbrauchsabhängige Gebühr wäre bereits bei 2,07 Euro je Kubikmeter Abwasser kostendeckend gewesen, verlangt wurden tatsächlich 2,31 Euro. Bei Grundstücken bis 10 Ar wäre entsprechend ein Abwasserpreis von 2,66 Euro bereits kostendeckend gewesen, erhoben wurden aber 2,96 Euro pro Kubikmeter. Da diese Tarifstruktur mit den Überdeckungen auch für das laufende Jahr 2020 unverändert übernommen wurde, geht man beim Eigenbetrieb Abwasser davon aus, dass ebenfalls wieder eine Kostendeckung erreicht werden könnte – auch wenn die Überdeckungsquoten aufgrund gestiegener Betriebskosten etwas sinken würden.

Aber da sind ja auch noch die gewaltigen Gebührenausgleichsrückstellungen in Höhe von zuletzt mehr als 1,4 Millionen Euro. Laut mittelfristiger Finanzplanung für den Eigenbetrieb Abwasser würden diese trotz der regelmäßigen Kostensteigerungen auch bei gleichbleibenden Abwassergebühren "frühestens" 2023 aufgebraucht sein. Weshalb die von Sabine Wurster im Gemeinderat vorgestellte Gebührenkalkulation für das kommende Jahr 2021 nahezu vollständig auf den Flächen- und Verbrauchsabrechnungen aus dem Jahr 2019 basiert – ergänzt allein durch "sorgfältig geschätzte Hinzurechnungen". Bei eben gleichbleibenden Abwassergebühren für Bürger und Unternehmen.

Trotz der erheblich aufgelaufenen Überschüsse aus den Gebühren, wird der Eigenbetrieb Abwasser in 2021 seine Netto-Neuverschuldung erheblich ausweiten müssen. So seien Kreditaufnahmen in Höhe von 3,311 Millionen Euro geplant, denen Tilgungen in Höhe von 1,195 Millionen Euro gegenüberstehen. Ergibt eine Nettoneuverschuldung von 2,116 Millionen Euro (Vorjahr 1,502 Millionen Euro), womit der Gesamtschuldenstand des Eigenbetriebs auf voraussichtlich 28,3 Millionen Euro zum Jahresende 2021 ansteigen würde.

Hintergrund der Schuldenentwicklung sind unter anderem die Investitionsmaßnahmen des Eigenbetriebs Abwasser, die in 2021 mit einem Gesamtbetrag von 2,840 Millionen Euro (2020 7,730 Millionen Euro) veranschlagt sind. So soll 2021 der Ausbau der Abwasserableitung "INGpark Eisberg Teil VI" mit weiteren Investitionskosten von 800 000 Euro fortgesetzt werden. Im laufenden Jahr wurden hier bereits 250 000 Euro "anfinanziert". Die Erweiterung der Teilbereiche "INGpark II und III" erfordert den Einbau von Regenwasserbehandlungsanlagen, die mit Gesamtkosten von 900 000 Euro veranschlagt werden. Weiter sind Leitungssanierungen in der Kernstadt mit Gesamtkosten von 430 000 Euro geplant – für Sanierungen in der Hohe Straße, Uferstraße, Leonhardcenter und Remigiusweg. In Vollmaringen ist die kanalseitige Erschließung der Oberen Röte mit Kosten von 250 000 Euro vorgesehen. Und für "allgemeine Kanalauswechslungen" zur Reduzierung von Fremdwassereinträgen sind weitere 430 000 Euro eingeplant.

Eckdaten für 2021 angenommen

Allerdings weist der Finanzplan für das Jahr 2021 des Eigenbetriebs Abwasser auch noch einen weiteren, doch außergewöhnlichen Posten auf der Ausgabenseite aus: Demnach ist nach dem Jahresabschluss für 2019 "ein Finanzierungsfehlbetrag" in Höhe von rund 1,566 Millionen Euro übriggeblieben, der nun im Wirtschaftsjahr 2021 "nachzufinanzieren" sei. Was diese Fehlentwicklung verursacht hat, geht aus der Sitzungsvorlage nicht hervor. Bei letztlich zwei Enthaltungen nahm der Gemeinderat die Eckdaten 2021 des Eigenbetriebs Stadtentwässerung und Kalkulation der gesplitteten Abwassergebühr für das Wirtschaftsjahr 2021 an.