Rainer Schmidt (rechts) spricht bei einer "Klebrunde" mit unserem Autor Roland Buckenmaier über 25 Jahre Gemeinderatsarbeit und beantwortet auch Fragen zu seinem Privatleben. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Klebrunde: Rainer Schmid spricht über seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik, über gemachte Fehler und denkwürdige Ereignisse

Auch bei der SPD im Nagolder Gemeinderat geht eine Ära zu Ende: Rainer Schmid (72), der letzte Altachtundsechziger unter den Genossen, kandidiert nicht mehr fürs Kommunalparlament. Über die Gründe und die Frage, was er im Rückblick als Stadtrat richtig gemacht und was er womöglich versäumt hat, stand er uns Antwort bei einer Klebrunde. Um den Hals sein Markenzeichen: der rote Schal.

Herr Schmid, was war letztlich ausschlaggebend, dass Sie auf eine erneute Kandidatur verzichtet haben: das Alter oder Ihr Wegzug?

Nach 25 Jahren im Gemeinderat und einem Alter von 72 ist es Zeit, für Jüngere Platz zu machen. Die Entscheidung fällt mir etwas leichter, weil ich meinen Lebensmittelpunkt jetzt auch verlagere nach Schafhausen zu meiner Lebensgefährtin.

Ich kann mich noch gut entsinnen, wie Sie mit einem breiten Grinsen und einem Frankfurter Professor an Ihrer Seite im Herbst 1992 nach einer denkwürdigen Wahl ins Rathaus marschiert sind. Nagold hatte erstmals in seiner Geschichte einen SPD-Oberbürgermeister...

Die Wahl von Rainer Prewo habe ich als Ortsvereinsvorsitzender begleitet und gefördert. Es war für uns eine große Überraschung. Nach dem Sieg im zweiten Wahlgang kam der zukünftige OB über die Straße vor dem Rathaus und wollte dem CDU-Favoriten Wurster schon gratulieren, als ich ihm zurief: "Rainer, Du bist Oberbürgermeister." Rainer Prewo hat diese Stadt wesentlich gestaltet und entwickelt zu einer Lebendigkeit, die andere Städte vermissen lassen. Die Landesgartenschau 2012 wurde von ihm exzellent vorbereitet, das war ein Quantensprung für diese Stadt. Den Triumph konnte dann OB Großmann feiern.

Das waren noch goldene Zeiten für die SPD. Sie waren damals selbst Vorsitzender des Nagolder Ortsvereins. Blutet Ihnen nicht das Herz über den heutigen Zustand Ihrer Partei auf Bundesebene?

Die SPD hatte sicher, auch in Nagold, schon bessere Zeiten. Schon in meiner Zeit als Ortsvereinsvorsitzender habe ich manche Entscheidungen der Partei kritisiert, so den Lauschangriff, die Asylrechtsänderung, die Agenda 2010 und die Entwicklungen im Sicherheitsbereich. Mir fehlen Diskussionen in der Partei und in unserer Gesellschaft. Wir müssen auch wieder Visionen entwickeln und auch Neues andenken. Erschreckend für mich ist die Reaktion einer breiten Öffentlichkeit auf die Thesen von Kevin Kühnert. Der demokratische Sozialismus muss meiner Meinung nach mit neuen Ideen wieder aktiviert werden.

Sie waren von 2004 bis 2018 Fraktionschef der Genossen im Stadtrat – zuerst unter einem SPD-OB und dann, die längere Zeit, unter Christdemokrat Jürgen Großmann als Stadtoberhaupt. Mal ehrlich: Unter wem war’s politische Geschäft leichter?

Ein Oberbürgermeister wie auch ein Bürgermeister haben in Baden-Württemberg eine außerordentlich starke Stellung, einmalig in der Bundesrepublik durch die fast unangreifbare Stellung in den acht Amtsjahren. Das macht das politische Geschäft nicht leichter, weil die Verführung sehr groß ist, die Gestaltungsmacht auch auszunützen. Das konnte ich bei beiden OBs erfahren und habe auch so manches Mal darunter gelitten.

25 Jahre saßen Sie im Stadtrat. Was erfüllt Sie im Rückblick mit Genugtuung?

Als ich 1976 in Nagold meine Tätigkeit als Anwalt aufnahm, war Nagold ein ziemlich verschlafenes Städtchen. Es gab aber immer viele interessierte Bürger, die sich organisiert haben. Mir war es als Gemeinderat immer ein Anliegen, die Bürger zu beteiligen – wie zum Beispiel durch die Öffentlichkeit der Beratungen oder durch die Mitwirkung des Gestaltungsbeirates. Die Stadtentwicklung, die Verzahnung mit dem Gewerbeverein und den anderen Institutionen haben eine Lebendigkeit in dieser Stadt entwickelt, an der ich mitwirken durfte. Die Zusammenarbeit im Gemeinderat, der Kontakt zu Personal und dem Personalrat, waren mir immer ein großes Anliegen.

Und wenn Sie selbstkritisch zurückblicken: Was haben Sie in dieser Zeit versäumt?

Wir haben in unserer Stadt viel gebaut – und in der Wohnungspolitik, wie auch in anderen Städten, ziemlich versagt. Unsere Fraktion hat viele Initiativen ergriffen, die jetzt auch umgesetzt werden müssen. Konkret schon aktuell im Baugebiet Hasenbrunnen.

Sie ziehen auch beruflich einen Schlussstrich?

Ja, parallel zur Aufgabe meines Gemeinderatsmandates werde ich auch die Tätigkeit als Rechtsanwalt in Nagold einstellen. Es fällt mir sehr schwer, keine Mandate mehr anzunehmen. Andererseits möchte ich aber auch wieder Zeit gewinnen für andere Schwerpunkte wie Architektur und Städteplanung, Kunst, Literatur und auch für den Freizeitsport. Radfahren habe ich mir vorgenommen.

Wie sieht Ihr Alltag, ohne schwarze Robe und aller Pflichten eines Kommunalpolitikers und Anwalts entledigt, künftig aus?

Mein Alltag wird sich sicher anders gestalten und schwerpunktmäßig jetzt im Gäu, also Weil der Stadt, stattfinden. Die dortige Kommunalpolitik kann sicher auch einige Anregungen aus Nagold vertragen. Ich habe vor, mich noch gelegentlich dort einzumischen und freue mich auch sehr, mit meiner Partnerin mehr Zeit zu verbringen, Reisen zu machen und auch Freunde zu treffen.

Und wie oft wird man Sie noch in Nagold sehen?

Mit großer Freude werde ich Nagold immer wieder aufsuchen und auch beobachten, wie sich die Stadt entwickelt. Ich freue mich, dann wieder alte Bekannte und Freunde zu treffen. Nagold wird nach mehr als 40 Jahren meine Heimat bleiben. Ich hoffe, dass ich mich in meiner neuen Heimat Schafhausen genauso wohlfühlen werde. Die Fragen stellte Roland Buckenmaier