Auch die Stadt baut im Riedbrunnen. 2,8 Millionen Euro sind 2020 für den Neubau der Kita eingeplant. Foto: Fritsch

Gemeinderat und Verwaltung einigen sich auf Rekord-Kreditaufnahme. Teure Baumaßnahmen stehen an.

Nagold - Rund 9,3 Millionen Euro Neuverschuldung im Kernhaushalt 2020 – auf diese Summe haben sich die Nagolder Stadtoberen in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats geeinigt. Womit man "noch nicht zweistellig" sei beim Schuldenmachen, so Finanzbürgermeister Hagen Breitling.

Eine offensichtlich trotzdem "dicke Kröte" für den Gemeinderat, der bei Vorstellung der Zahlen in öffentlicher Sitzung bei Nennung der finalen Kreditsumme nochmal in deutliches Gemurmel verfiel – nachdem das Zahlenwerk bereits im Gremium und den Ausschüssen die letzten Wochen in nichtöffentlichen Sitzungen vorberaten worden war.

Infrastruktur-Projekte

Hinter dieser für Nagold enormen Neuverschuldung – mit der die Gesamtverschuldung im Kernhaushalt (weitere Schulden hat Nagold bekanntlich in seinen Eigenbetrieben) von aktuell 13,3 Millionen auf 21,7 Millionen Euro ansteigen wird – stünden aus Sicht von Oberbürgermeister Jürgen Großmann "die wichtigsten Infrastruktur-Projekte", die die Stadt jetzt angehen müsse, um in Zukunft nicht angesichts der "explodierenden Baupreise" noch höhere Kosten schultern zu müssen. Womit, so ein Hinweis aus den Reihen des Gemeinderats später bei der Diskussion, aber zusätzliche Planungsrisiken in der Haushaltsplanung steckten, denn auch für 2020 selbst müsse man ja mit solchen Preissteigerungen rechnen.

Insgesamt will Nagold im kommenden Jahr Baumaßnahmen mit einem Wert von 14,8 Millionen Euro stemmen – ursprünglich seien es 20,8 Millionen Euro gewesen, die man aber nach den Vorberatungen und den Vorgaben des Gemeinderats bis zu dieser öffentlichen Vorstellung "deutlich eingedampft" habe. "Hier kommt es aber jetzt auch zum Schwur", so der OB. Zumal man, so Großmann weiter, angesichts der extrem angespannten Finanzentwicklung künftig "keinen Spielraum für weitere öffentliche Aufgaben" mehr habe. "Das wird schwer auszuhalten sein für die Öffentlichkeit", so die Warnung des Schultes an seine Räte, die jetzt diese Zahlen nach außen mit verkaufen müssten.

Nagolder Schulen

Der größte Anteil bei den für 2020 geplanten Investitionen nehmen die Baumaßnahmen, und hier in erster Linie die Nagolder Schulen ein, die insgesamt 5,4 Millionen Euro für anstehende Sanierungsarbeiten erhalten werden. Mächtigster Batzen dabei die beginnende Generalsanierung der Zellerschule, die mit allein 3,7 Millionen Euro in der Planung steht. Auf Platz zwei der Investitionen steht der Straßenbau mit 3,7 Millionen Euro, etwa für die Erneuerung der Weingartenstraße (580 000 Euro) – die später in der Sitzung des Gemeinderats im Vorgriff auf das kommende Haushaltsjahr auch bereits per einstimmigem Beschluss auf den Weg gebracht wurde. Nachdem man diese Maßnahme letztlich "seit 2008" immer wieder vor sich her geschoben habe, so Großmann in seinen Erläuterungen dazu.

Auch in die Nagolder Kindergärten fließen kommendes Jahr mit fast 2,9 Millionen Euro erhebliche Investitionsmittel, wobei der Großteil auf den Neubau "Kita Riedbrunnen" mit allein 2,8 Millionen Euro entfällt. Weiterer großer Investitionsblock: der geplante Grunderwerb im Wert von rund 4,5 Millionen Euro. Auch eine knappe Million Euro Tilgung an Altschulden stehen in der Haushaltsplanung, womit sich mit weiteren Beträgen für "bewegliches Sachvermögen" (1,2 Millionen Euro) oder Investitions-Fördermaßnahmen (1,3 Millionen Euro) die gesamten Auszahlungen aus Investitions- und Finanzierungstätigkeit auf gut 22,7 Millionen Euro belaufen werden.

Damit würden sich bei ordentlichen Gesamtaufwendungen im Planungshaushalt 2020 von rund 60,7 Millionen Euro und voraussichtlichen ordentlichen Einnahmen von gut 59,8 Millionen Euro insgesamt ein Jahresverlust von rund 834 000 Euro ergeben. Was aber nur – so die Fortschreibung der Planung auch für die Folgejahre – der Auftakt für eine Reihe von Verlustjahren sein würde. So gehe man Stand heute für das Jahr 2021 von einem Fehlbetrag von dann rund 3,8 Millionen, 2022 von 3,4 Millionen und 2023 von gar 4,2 Millionen Euro aus.

"Es ist erstaunlich, wie schnell die Situation sich ändert", so der Kommentar von Eberhard Haizmann (FWV-Fraktionssprecher) zur Haushaltsplanung. Gerade der Blick auf die Ergebnisse der Folgejahre "macht mir ein bisserl Sorgen". Wobei Haizmann auch bestätigte: "Es fällt heute leichter, Kredite aufzunehmen", wo der Zins dafür "gegen Null" geht. Für Wolfgang Schäfer (CDU-Fraktionssprecher) sind die Zahlen gar "erschreckend", weil man die Aufgaben nicht mehr allein aus den Einnahmen finanzieren könne. Aufreger für ihn: "Dass wir Investitionen zugunsten Sozialkosten schieben" müssten, womit er vor allem etwa den laufenden Betrieb der Kitas meinte – die im kommenden Jahr Lohnkosten von über 5,7 Millionen Euro verursachten – eine Million mehr als noch 2019. "Eine strukturelle Schieflage" in Gesamtdeutschland, so Schäfer. Er forderte hier eine stärke Beteiligung der Kostenverursacher, sprich der Eltern. Anmerkung dazu: in der Haushaltsplanung für 2020 ist bereits eine Erhöhung der Kita-Gebühren von drei Prozent fest eingeplant, allerdings decken die Gebühren insgesamt nur etwa acht Prozent der tatsächlichen Kosten.

Große Bedenken

Günther Schöttle (AfD) warnte in seinem Kommentar, dass die von Finanzbürgermeister Breitling prognostizierte "Seitwärtsbewegung in der Gewerbesteuer" (die mit 15 Millionen Euro für 2020 veranschlagt ist) nicht eintreffen werde, sondern wegen der Schwäche der Automobilbranche "eine Rezession in Deutschland" drohe – und auch Nagold heftiger treffen werde als in den letzten Krisenjahren nach 2008. Schöttle berichtete, dass etwa der für die Region so wichtige Autobauer Daimler "alle Projekte gestoppt" habe. Das habe es so "noch nie" gegeben.

Trotz der großen Bedenken aus den Reihen der Gemeinderäte, wurden die Eckdaten der Haushaltsplanung für 2020 für den Kernhaushalt einstimmig (bei aber neun Enthaltungen) genehmigt – wobei zuvor das Angebot der Verwaltung, die Ausgabenseite des Haushalts noch einmal um weitere 250 000 Euro pauschal zu kürzen, als Eigenantrag der Verwaltung in den Entscheid mit aufgenommen wurde.