Turnerin Helen Kevric und Schwimmerin Linda Roth besuchten einst den gleichen Kindergarten. Nun haben sie sich bei den Olympischen Jugendspielen wieder getroffen – und jeweils ordentlich abgeräumt.
Ein Wiedersehen mit großem Wiedererkennungswert war es ja nicht, kürzlich am Flughafen in Frankfurt. Eher ein vorsichtiges Aufeinanderzugehen. Das Team Deutschland machte sich dort auf den Weg zum European Olympic Youth Festival (EYOF), einer Art Mini-Olympia für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren – und Helen Kevric und Linda Roth wussten im ersten Moment auch nicht so recht: Ist sie’s? Oder ist sie’s nicht?
Nach einigen Momenten der Unsicherheit war dann aber Gewissheit da – dass sich da zwei wiedersahen, die sich schon kannten, als sportliche Erfolge noch ganz weit weg waren.
„Sterntaler“ heißt die betriebseigene Kindertagesstätte, die der Autobauer Mercedes in Stuttgart-Möhringen betreibt. Im Kindesalter wurde dort sowohl Helen Kevric als auch Linda Roth betreut – die nun beide sportlich nach den Sternen greifen. Oder besser: schon gegriffen haben. Denn die beiden Teenies, die sich in Maribor erstmals seit ihrer Kindergartenzeit wieder getroffen haben, gehörten zu den erfolgreichsten EYOF-Teilnehmerinnen überhaupt.
Sechs Medaillen hatte Helen Kevric, die Turnerin, schon im vergangenen Jahr beim europäischen Sportfestival in der Slowakei geholt. Bei der Eröffnungsfeier in diesem Jahr durfte sie daher die deutsche Fahne tragen – und legte in beeindruckender Manier nach: mit sieben Medaillen, davon vier goldene. Linda Roth, die Schwimmerin, war das erste Mal beim EYOF dabei und sammelte im Becken von Maribor sechs Medaillen, dreimal war es die goldene. Bei der Abschlussfeier am Ende der Spiele war sie, wie Helen Kevric zu Beginn: Fahnenträgerin der deutschen Mannschaft. „Das war ein ganz besonderer Moment“, sagt Linda Roth.
„Das ist alles schon ein schöner Zufall“, findet Helen Kevric, die direkt von Slowenien aus mit ihrer Familie in den Urlaub nach Kroatien gereist ist. Die Erholung tue gut nach den Tagen von Maribor, sagt die 15-Jährige, für die die Jugendspiele auch ein Abschluss waren: „Mein letzter internationaler Wettkampf bei den Juniorinnen.“ In den kommenden Monaten tritt sich noch für den MTV Stuttgart in der Bundesliga an, dann erfolgt der Wechsel zu den Erwachsenen.
Der Blick geht in Richtung Olympia
Dass sie diesen gut meistern wird, daran gibt es in der Turnszene keine Zweifel. Zuletzt hat sie nicht nur als Medaillensammlerin bei den Junioren geglänzt, sondern auch mit ihren Übungen und den dafür erreichten Punktzahlen. Als „eine sehr gute Vorstellung“ bezeichnete Claudia Schunk, die Nachwuchs-Bundestrainerin im Deutschen Turner-Bund (DTB), die Leistungen der Schülerin. Ein wenig euphorischer hörte sich Farshid Shami an.
Der ist baden-württembergischer Landestrainer der Schwimmerinnen und Schwimmer – und kommentierte begeistert die Leistungen von Linda Roth: „Ich bin natürlich sehr stolz. Die ganze harte Arbeit hat sich ausgezahlt.“ Acht oder neun Einheiten pro Woche im Wasser, zwei oder drei im Kraftraum – das ist das Pensum, das Linda Roth vom SV Cannstatt abspult, um im Schwimmsport zu den besten ihres Jahrgangs gehören zu können. Auch sie ist nun erst einmal im Urlaub (in Österreich), und auch für sie steht nun nach und nach der Übergang zu den Erwachsenen an. Ihr großes Ziel ist aber zunächst die Junioren-EM im kommenden Jahr. „Step by Step“, sagt sie, soll es dann auch in Richtung Olympische Spiele gehen. Die 15-Jährige denkt vor allem an Los Angeles 2028.
Helen Kevric trauen derweil viele Experten zu, dass sie schon im kommenden Jahr in Paris an die Geräte gehen kann. Natürlich hegt sie auch selbst diese Gedanken, will sich aber nicht unnötig unter Druck setzen und erst einmal in der Konkurrenz der Erwachsenen ankommen: „Es wird aufregend, aber ich freue mich darauf, künftig bei den Älteren angreifen zu können.“
Sie besucht mittlerweile übrigens die Realschule in Esslingen, Linda Roth jene in Stuttgart-Untertürkheim. Anders als in Maribor, wo sich die beiden immer mal wieder über den Weg gelaufen sind, und wo Linda den letzten Wettkampftag von Helen live verfolgt hat, werden sich die beiden auf dem Schulhof also nicht wiedersehen. Der Sport bietet ja aber auch schöne weitere Möglichkeiten. 2024 in Paris, zum Beispiel. 2028 in den USA. Oder auch jederzeit in Stuttgart – im Kraftraum des Olympiastützpunkts. Wiedererkennen würden sie sich ja nun.