Leo Neugebauer und Anna Elendt suchen ihren Weg an die Weltspitze über Stipendien in den USA. Foto: imago/ZUMA Wire, Laci Perenyi

Bei der WM in Eugene schneiden die deutschen Leichtathleten schlecht ab. Liegt das an der Leistungssportförderung in Deutschland?

Das schwache Abschneiden der deutschen Leichtathleten in Eugene (USA) wirft einmal mehr Fragen nach Leistungsförderung und Vereinbarkeit von Leistungssport und Ausbildung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) auf. Immer öfter suchen junge Sportler einen alternativen Weg mit einem Stipendium in den USA. „Inzwischen ist der Weg in die amerikanischen Unis ein weltweites Phänomen, die Studenten kommen auch aus Afrika und Australien“, sagt der Karlsruher Simon Stützel, Läufer der nationalen Spitze, der jährlich mehrere Hundert deutsche Abiturienten und Leistungssportler mit Stipendien an über 50 Unis in die USA vermittelt.

„Der große Vorteil ist, dass die Sportler nach ihrer Karriere auch einen Uniabschluss mitbringen, wenn sie nach Deutschland zurückkehren“, nennt Stützel einen wesentlichen Gewinn dieser Laufbahn. Sport und Studium sind vieler enger verknüpft, als es hierzulande der Fall ist. Die räumliche Nähe von Trainingsstätten, Hörsälen und Wohnbereichen auf dem Campus ist ein ganz wesentlicher Vorzug des Systems an den dortigen Universitäten.

Die Uni in Texas gibt 250 Millionen Dollar allein für die Sportförderung

Eine der vorzüglichen sportaffinen Adressen unter den über 4000 amerikanischen Unis ist die University of Texas in Houston. Diese gibt 250 Millionen Dollar allein für die Sportförderung aus, fast so viel wie das Bundesministerium des Inneren (rund 300 Millionen Euro) hierzulande für den Sport.

Bei Olympia 2021 in Tokio haben die „Longhorns“ aus Texas allein in der Leichtathletik neun Medaillen gewonnen, davon fünfmal Gold. Die DLV-Athleten: drei. Trainer seien in den USA mit bis zu einer halben Million Euro Bestverdiener, die deutschen verdienten ein Zehntel davon, erwähnt Stützel. Geld macht offensichtlich auch Qualität.

Die beiden deutschen Talente Leo Neugebauer (Zehnkämpfer aus Leinfelden-Echterdingen) und Anna Elendt (Schwimmerin aus Frankfurt) haben vor zwei Jahren den Sprung nach Austin/Texas in die Staaten gewagt. „Ich habe hier beste Bedingungen, werde optimal gefördert“, sagt der inzwischen 21-jährige Neugebauer. Ihr Tagesablauf ist sehr ähnlich: 5.30 Uhr Aufstehen, erstes Training bis 9 Uhr, 10 bis 13 Uhr Hörsaal, ab 15 Uhr wieder Training, abends Online-Kurse oder Hausaufgaben. Elendts Vater war selbst ein Jahr in den USA und konnte Erfahrungen weitergeben. Starke Trainingsgruppen fördern zudem die Leistungsentwicklung. Die Brustschwimmerin ist inzwischen drei deutsche Rekorde geschwommen und sorgte bei der Schwimm-WM in Budapest als Vizeweltmeisterin für eine große Sensation. Sie sei in den USA selbstbewusster geworden und schon als Persönlichkeit gereift, findet ihr Umfeld.

Neugebauer ist deutscher Jahresbester noch vor Weltmeister Kaul

Leo Neugebauer ist mit seinen 8362 Punkten, die er in Eugene vor wenigen Wochen bei den Unimeisterschaften erzielt hat, deutscher Jahresbester noch vor Weltmeister Niklas Kaul (Mainz). „Es ist schon cool, hier als Neunter der Weltjahresbesten angereist zu sein“, zeigte er keinerlei Nervosität, „die WM ist natürlich der bisherige Höhepunkt meiner Karriere, es war immer mein Traum, einmal für Deutschland zu starten“, fiebert er seinem erneuten Start in Eugene an diesem Wochenende entgegen.

Beide Youngster haben denselben Traum: den von den nächsten Olympischen Spielen 2024 in Paris. „Der Weg über die Stipendien ist eine gute Chance, um in die Weltspitze zu kommen wie jetzt Elendt und Neugebauer“, sagt Simon Stützel. Während sich der Deutsche Schwimmverband (DSV) für diesen Weg geöffnet hat, dominieren beim Deutschen Leichtathletik-Verband immer noch Skepsis und Ablehnung. Zwei der Gründe sind die nicht abgestimmte Wettkampfplanung in den USA und hierzulande sowie eine Überlastung durch die vielen Starts für die Universitäten.

Die pädagogische Dimension bei den Leistungssportlern ist ein nicht unwichtiger Aspekt für die sportliche und persönliche Entwicklung junger Menschen. „Der an den US-Unis sehr ausgeprägte Teamgedanke ist pädagogisch sehr wertvoll“, sagt Fred Eberle (Schwäbisch Gmünd), viele Jahre das pädagogische Gewissen im DLV, „der Sport ist eine Schule fürs Leben.“

Und die Wege zum Ziel können vielfältig sein.