Songs wie „Me and Bobby McGee“ und Filme wie „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ oder „Blade“ machten ihn berühmt. Kris Kristofferson, der mehrere Leben hatte, ist im Alter von 88 Jahren gestorben.
Er war Gangster, Sheriff, Rockstar, Footballprofi, Biker, Trucker. Er hat im amerikanischen Bürgerkrieg gepredigt, Großstadtvampire gejagt und auf dem Planet der Affen den Aufstand geprobt. Und im Jahr 2012 spielte Kris Kristofferson im Alter von 76 Jahren in Stuttgart den alten Mann, der die Lieder seines Lebens singt. Lieder, die „Between Heaven And Here“, „Casey’s Last Ride“ oder „Closer To The Bone“ heißen und die er allein mit Westerngitarre und Mundharmonik vorträgt. Lieder, die in Country, Folk und trotzige Melancholie getunkt wurden, ohne dabei bitter zu werden. Schließlich wohnte vielen der Songs, die Kristofferson an diesem Abend im ausverkauften großen Theaterhaussaal in Stuttgart vortrug, schon der Hang zur Larmoyanz inne, als er sie als junger Mann schrieb.
Janis Joplin und „Me and Bobby McGee“
Im Jahr 1970 erschien sein Debütalbum „Kristofferson“. Und einige der Songs von damals zählten beim ersten von zwei Deutschlandkonzerten des Texaners noch immer zu dessen besten Nummern. Zum Beispiel „Me and Bobby McGee“, das er sehr früh im Programm hatte. Der Song, der ein tragisches Roadmovie ist, erzählt vom Leben auf der Straße; davon, wie er mit dem Mädchen Bobby von Kentucky nach Kalifornien trampt und wie sie in Salinas verloren geht. Freiheit heißt eigentlich nur, dass man nichts mehr zu verlieren hat („Freedom’s just another word for nothin’ left to loose“), sang er in einer ernüchterten Version des Songs. Und es war einer der Gänsehautmomente des Abends in Stuttgart, wenn Kristofferson am Ende den Song verlangsamt und im Refrain statt „Bobby“ „Janis“ sagte. Janis Joplin, mit der Kristofferson damals zusammen war, hatte ihre berühmte Version des Songs nur wenige Tage vor ihrem Tod aufgenommen.
Jetzt ist auch Kristofferson tot. Er starb, wie seine Familie mitteilte am Samstag zu Hause in Maui auf Hawaii. Er wurde 88 Jahre alt.
„A Star Is Born“, „Heaven’s Gate“ und „Blade“
Als dieser Mann vor zwölf Jahren in Stuttgart auf der Bühne stand, hatte bereits viele Leben hinter sich. Nicht nur in seinen Filmen, die von dem Musikdrama „A Star Is Born“ (1977) mit Barbra Streisand über den Spätwestern „Heaven’s Gate“ (1980) bis zur „Blade“-Trilogie (1998-2004) reichten, sondern auch in Wirklichkeit. Er war ein hoch begabter Sportler, schloss sein Literaturstudium summa cum laude ab, flog in der US-Army Hubschrauber, putzte in den Columbia Studios in Nashville Fußböden.
Seine Lieder verschwimmen zu einer großen Lebensgeschichte
All diese Leben verschwammen in den 30 Songs, die er damals im Programm hatte, zu einer einzigen großen Lebensgeschichte. Diese handelt vom Unterwegssein, von den Menschen, die einem dabei begegnen, und von jenen, die man auf der Strecke zurücklässt. Kristofferson erzählt von der Versuchung, vom Teufel, der einem in seinen Liedern oft auflauert, und von der Vergänglichkeit. Er musste gar nicht unbedingt auf die Songs seines damals aktuellen Albums „Feeling Mortal“ zurückgreifen, um bei dem Konzert das Gefühl von Sterblichkeit vorzuführen. „Look at that old photograph / Is it really you?“ (Schau dir das alte Foto an: Bist das wirklich du?“), sang er wehmütig in „This Old Road“. Er beklagt in „Nobody Wins“ oder „From The Bottle To The Bottom“ Abschiede und Trennungen, ließ sich aber in Nummern wie „From Here To Forever“ oder „Please Don’t Tell Me How The Story Ends“ nicht vom Defätismus überwältigen. Und wenn er in „Ramblin’ Jack“ Adjektive anhäufend das wilde, trunkene Leben eines Freundes beschrieb („Risky nights and wasted days / Wild and righteous, wicked ways“), erzählte er natürlich auch von einem seiner früheren Leben.
Der alte Mann und die Gitarre
Zwar kam damals seine Tochter Kelly Kristofferson für einige Nummern auf die Bühne, begleitete ihn am Banjo. Doch die meiste Zeit war dieser Singer/Songwriter, der den alten Mann spielt, der aus seinen Leben erzählt, allein mit seiner Gitarre und seiner Mundharmonika. Während hinter ihm ein paar Scheinwerfer einen Vorhang rot und lila anstrahlten, trugt er seine Lieder in einem gleichgültig-dunklen Ton vor – egal ob er von Tod und Teufel, von zärtlichen Annäherungen oder schlimmen Verlusten sang. Wer Janis Joplins hochdramatische Interpretation von „Me and Bobby McGee“ verinnerlicht hat, den wies Kristofferson nun in seiner stoisch-gemächlichen Inszenierung des Songs rüde zurück.
Er scherzte gerne übers Älterwerden
Wie in seinen Filmrollen liebte er auch bei dem Auftritt in seinen Liedern das Understatement, das Lakonische. Seinen Song „Help Me Make It Through The Night“, der schon von Elvis Presley gecovert wurde, könnte man auch als schwüle, erotisch aufgeladene Soulnummer interpretieren. Doch Kristofferson mag diese Ballade offensichtlich als sachliche Romanze lieber.
Doch der Mann, der seine musikalische Karriere begann, als er in den 1960er Jahren als GI in Bad Kreuznach stationiert war, erwies sich damals beim Auftritt in Stuttgart auch als eifriger Kommentator der eigenen Nummern, scherzte dabei am liebsten über das Älterwerden. Als er einmal das Intro eines Songs abbrechen musste, weil er vorher vergessen hatte, die richtige Mundharmonika herauszusuchen, entschuldigte er sich mit den Worten „Sorry, aber so was passiert, wenn man älter wird.“
Auf einmal steht die Zeit still
In „Best Of All Possible Worlds“, einem weiterer Song aus seinem Debütalbum von 1970, heißt es gegen Ende: „‚Cause there’s still a lot of wine and lonely girls “ (Es gibt noch viel Wein und viele einsame Mädchen). Nachdem er diese Zeilen gesungen hatte, hielt er inne und entschuldigte sich abermals: „Ich war noch sehr jung, als ich den Song geschrieben habe.“ Und ab und zu verwandelte er sogar durch eine feine Änderung in der Betonung ein Liebeslied zu einem Kommentar auf sein Konzert. In „For The Good Times“ kurz vor Ende des Konzerts sang er: „Don’t look so sad / I know it’s over / But life goes on / And this old world / Will Keep on turning“ (Schau nicht so traurig, ich weiß, dass es vorbei ist, aber das Leben geht weiter, und diese alte Welt wird sich weiter im Kreis drehen). Kurz darauf ging er von der Bühne, schüttelte noch ein paar Hände, winkte, verschwand hinter dem Vorhang. Und für einen Augenblick glaubte man, dass die Welt doch aufgehört hat, sich zu drehen. Nun steht sie wirklich still.