Günther Reichelt, der streitbarer "Baar-Professor", starb im Alter von 94 Jahren. Archivfoto: Faigle Foto: Schwarzwälder Bote

Nachruf: Günther Reichelt starb mit 94 Jahren / Streitbarer Geist prägte die Region

Donaueschingen. Er galt als der "erste Grüne der Baar", Der streitbare, unbeugsame Geist prägte als markante Persönlichkeit über mehr als fünf Jahrzehnte die Geschicke der Stadt. Am 1. Mai starb Günther Reichelt mit 94 Jahren.

Die große Lebensleistung des am 26. Oktober 1926 im niedersächsischen Schladen geborenen Wissenschaftlers hat anlässlich des 90. Geburtstags im Jahr 2016 Gunter Faigle gewürdigt. Der vorliegende Nachruf bezieht sich auf diesen Text.

Reichelt von 1946 bis 1951 an den Universitäten von Göttingen und Freiburg Biologie, Chemie und Geografie. In diese Zeit fiel seine erste Begegnung mit der Baar: Im Sommer 1948 führte ihn eine Radtour in den Hüfinger Wald mit seinen Orchideen, zur Wutachschlucht und zur "Warmen Steig" bei Geisingen. Ab 1951 arbeitete der 25-Jährige in den Bereichen Ökologie und Pflanzensoziologie am damaligen Forschungsinstitut für Höhenlandwirtschaft in Donaueschingen und anschließend ab 1954 zehn Jahre lang als Lehrer an Gymnasien in Donaueschingen, Freiburg, Baden-Baden und Villingen. Daneben erwarb er 1960 an der Universität Freiburg den Titel eines Doktors der Naturwissenschaften; seine entsprechende Arbeit befasst sich mit geologischen Erscheinungen im Hotzenwald.

1964 wurde Reichelt Fachleiter und ab 1970 Professor für Biologie am Seminar für Studienreferendare in Rottweil. Mit dem Professorentitel wurden die außergewöhnlichen Leistungen Reichelts für die Wissenschaft und deren Vermittlung gewürdigt. 1988 ging er als Ausbilder von Gymnasiallehrern in den Ruhestand. Das umfangreiche Verzeichnis seiner Veröffentlichungen umfasst heute annähernd 160 Titel. Eines der jüngsten Werke ist ein gut 70 Seiten umfassender Beitrag "Zur Naturschutzgeschichte in Baden" in dem im Januar 2016 erschienenen Werk "Naturschutz in Baden."

Das nebenberufliche Engagement Reichelts im Dienst der Natur und ihres Schutzes auf der Baar reichte bis 1959 zurück, als er für rund zwölf Jahre als Naturschutzbeauftragter im ehemaligen Landkreis Villingen tätig wurde. 1964 begann im Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar eine Ära: Günther Reichelt wurde zum Vorsitzenden der Abteilung Naturgeschichte gewählt und blieb es bis 1978. Das aufwendige und anspruchsvolle Geschäft des Schriftleiters für die "Schriften der Baar" erledigte er von 1964 bis 2005. Reichelt wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Drei Jahre später verließ er den Verein und zog einen Schlussstrich unter vereinsinterne Unstimmigkeiten.

Vielfältige Aktivitäten entfaltete Reichelt in den 1970er-Jahren, die schließlich zur Gründung des BUND führten. 1983 wurde er Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg. In heimischen Regionen äußerte er sich über Jahrzehnte vehement etwa zum Waldsterben, zum Ausbau der Bundesstraßen 27 und 31 oder zur Ansiedlung des Lidl-Zentrallagers, aber auch zur Bedrohung der Artenvielfalt durch großflächigen Maisanbau.

Eine Abschiedszeremonie für den Verstorbenen wurde auf Wunsch der Angehörigen in den Sommer gelegt.