Robert Bitzer, ehemaliger Medico-Firmenchef, ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Foto: Bitzer

Über drei Jahrzehnte lang war er an der Spitze der Firma Ammann & Bitzer gestanden und hat in dieser Zeit Tailfinger und Albstädter Industriegeschichte geschrieben.

Albstadt-Tailfingen - Über drei Jahrzehnte lang war er an der Spitze der Firma Ammann & Bitzer gestanden und hat in dieser Zeit Tailfinger und Albstädter Industriegeschichte geschrieben. Am 4. September ist Robert Bitzer im Alter von 90 Jahren gestorben.

Die beiden Brüder hatten studiert; die Aufgabe, das 1884 vom Großvater begründete Traditionsunternehmen fortzuführen, war Robert, dem mittleren, zugefallen – wie sich erweisen sollte, war er der richtige für diese Aufgabe: kreativ, zupackend, ein Macher, unter dessen Ägide Ammann und Bitzer gedieh und "Medico" buchstäblich zur Marke wurde. Im März 1956, noch keine 24 Jahre alt, war er nach etlichen Industriepraktiken und zweieinhalb Jahren Fachhochschulstudium am Reutlinger Technikum in die elterliche Firma eingetreten; zusammen mit seinem Cousin Gerhard Wintermantel leitete er in den folgenden Jahren einen Kurswechsel in die Wege – weg vom doch recht überlaufenen Marktsegment des klassischen Herrenmodeherstellers und hin zur Funktions- und Thermowäsche, einem Gebiet, auf dem Medico die Rolle des Pioniers spielte.

Apropos "Medico": Der Markenname war zwar wesentlich älter als Robert Bitzer selbst; er war seit der Kaiserzeit ein Erbhof von Ammann & Bitzer – aber die Idee, sie für das Ski-Shirt, mit dem Ammann & Bitzer eine bisher unerschlossene Marktnische besetzte, aus dem Dornröschenschlaf zu holen, stammte von Robert Bitzer – eine Neuschöpfung wäre das Unternehmen wesentlich teurer gekommen. Das Logo gestaltete er auch: Drei senkrechte Striche deuteten das "M" an, dank Punkt und Dachstrich vermied man es, einem anderen Sportartikelhersteller im fränkischen Herzogenaurach ins Gehege zu kommen.

Hochzeitsgast bei Hanni Wenzel

Dass die Neuorientierung mit Funktionswäsche für Wintersportler begann, kam nicht von ungefähr: Robert Bitzer war ein begeisterter Skifahrer, der sich auf den schwärzesten Alpenpisten zuhause fühlte, mit Medico zu den Ausstattern und Sponsoren der deutschen und Schweizer Nationalmannschaft zählte und gut Freund mit Weltklassefahrern wie dem Österreicher Karl Schranz oder Hanni Wenzel aus Liechtenstein: Als die mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin 1986 im Schloss in Vaduz den österreichischen Kollegen Harti Weirather heiratete, war auch Familie Bitzer aus Tailfingen unter den Ehrengästen.

Auch die Alb bietet knackige Bergwertungen

Bei Wintersport blieb es natürlich nicht; das Spektrum umfasste auch Tennis, Gymnastik und Radsport und die Kundschaft Größen wie Dieter Maute, den Kunstrad-Weltmeister und Lokalmatador, sowie Steven Roche, den irischen Tour-de-France-Sieger. Letzterer kam sogar zu Besuch in den Talgang und stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass auch Mittelgebirge wie die Alb für knackige Bergwertungen gut sein können. Ganz klar, Medico wurde höchsten Qualitätsansprüchen gerecht – und tat es auch nicht darunter: Als ein Kunde nach 30 (!) Jahren Gebrauch auf die Idee kam, Verschleiß an seinem Shirt zu beanstanden, ließ ihm Robert Bitzer ein nagelneues Exemplar zuschicken – Medico war schließlich nicht irgendeine Marke.

Ein untadeliger Abgang

Anfang der 1980er Jahre, auf der Höhe des geschäftlichen Erfolgs, zog Medico aus dem Tal auf den Lichtenbol – noch eine Pioniertat und der Startschuss zur Erschließung eines Gewerbegebiets, das sich als unerwartet zukunftsträchtig erweisen sollte. Medico selbst musste jedoch in den 1990er Jahren wie so viele andere der Globalisierung Tribut zollen. Robert Bitzer und Gerhard Wintermantel hatten die Zeichen der Zeit früh erkannt; als sie das Unternehmen 1996 liquidierten und die Marke verkauften, wurden alle Außenstände beglichen; es war ein untadeliger Abgang. Der Geschäftszweig Gebäudeverwaltung blieb und Robert Bitzer daher noch etliche Jahre auf der Kommandobrücke.

Denen, die ihn kannten, wird er als lebensfroher, umtriebiger, impulsiver Mensch – und Chef – in Erinnerung bleiben, gelegentlich aufbrausend, doch Robert Bitzer war auch fähig, nach Temperamentsausbrüchen mit einem Blumenstrauß formvollendet Abbitte zu leisten. Der Förderverein Burgfelden verliert mit ihm einen engagierten Alt-Vorsitzenden, seine Witwe Brigitte, die Töchter Gabriele und Claudia und die fünf Enkel einen liebevollen Ehemann, Vater und Großvater. Robert Bitzer wird am Freitag, 16. September, um 13.15 Uhr auf dem Tailfinger Friedhof Markenhalde beigesetzt.