Luxusmarken profitieren vom Wunsch der Kunden nach Nachhaltigkeit. Große Häuser stellen sich jetzt neu auf. Bei vielen soll es weniger Kollektionen geben.
Stuttgart - Während der Coronapandemie hatte so mancher mehr Zeit zum Ausmisten seines Kleiderschranks und kam dabei ins Grübeln. Das zeigen Befragungen der vergangenen Monate. Immer mehr Menschen machen sich Gedanken über ihr Konsumverhalten. Auch die Zahlen großer Modehändler lassen diesen Schluss zu: So hat sich bei Zalando der Anteil aktiver Kunden, die nachhaltige Mode kaufen, 2020 mehr als verdoppelt. Das deutsche Unternehmen baute zugleich dieses Sortiment von 27 000 auf mehr als 60 000 Artikel aus.
Mehr als jeder Dritte der Mittzwanziger bis Mittdreißiger greift nach getragener Mode
Der Online-Händler startete außerdem im Oktober 2020 mit einem Pre-owned-Angebot. Kunden können gebrauchte Mode kaufen, die zuvor von anderen Nutzern eingesandt wurde. Torben Hansen, verantwortlich für die Recommerce-Strategie bei Zalando, sieht besonders eine Zielgruppe, die den Hype nach oben treibt: „Das Interesse für pre-owned Mode ist hoch und steigt kontinuierlich, besonders unter Millennials“, so Hansen, denn laut dem Online-Händler greift mehr als jeder Dritte der Mittzwanziger bis Mittdreißiger nach getragener Mode.
Die Verkaufsplattform „Thred-Up“ schreibt außerdem in ihrem jährlichen Bericht, dass die Gruppe der 18- bis 37-Jährigen 2,5-mal häufiger gebrauchte Kleidung, Accessoires und Schuhe kaufe als andere Altersgruppen.
79 Prozent gaben an, gebrauchte Kleidung auch wegen des günstigeren Preises zu kaufen
Auch der Secondhandreport des Händlers Ubup zeigt ähnliche Trends auf. So haben etwa ein Drittel der Deutschen im Coronajahr 2020 insgesamt weniger Kleidung erworben. Bemerkenswert ist, dass trotz dieses Einbruchs der Markt für gebrauchte Mode gewachsen ist. Neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit spielt auch die Preisersparnis gerade in Zeiten von Kurzarbeit offenbar eine wichtige Rolle für die Kunden: So gaben 79 Prozent an, gebrauchte Kleidung auch wegen des günstigeren Preises zu kaufen.
Die französische Luxus-Secondhandplattform Vestiaire Collective gab mit der Boston Consulting Group eine Umfrage in Auftrag, die ebenfalls zeigt, dass Nachhaltigkeit für die Konsumenten wichtiger wird: So gaben 82 Prozent an, dass sie durch den Kauf getragener Mode ihren eigenen Überkonsum reduzieren wollen. Auch der Umstieg von Fast Fashion zu langlebiger, hochwertiger Ware spielt dabei eine Rolle. Dass 60 Prozent der Verkäufer ihre Kleidungsstücke ohne das digitale Angebot erst gar nicht weiterverkauft hätten, zeigt, wie einflussreich Online-Plattformen wie Momox, Mädchenflohmarkt oder auch Kleiderkreisel sind.
Große Modehäuser wie Gucci haben jetzt verkündet, es soll weniger Kollektionen geben
Doch auch der Textilhandel und die Luxusbranche profitieren laut der Studie vom Secondhandtrend: Mehr als ein Drittel der Käufer investiert in hochwertige, langlebige Mode. Vor allem sozial verantwortlich agierende Unternehmen zählen zu den Gewinnern des Booms, da 60 Prozent der Kunden ein Augenmerk auf Kooperationen mit Secondhandplattformen und Nachhaltigkeit legen.
Damit verstärkt sich ein Trend, der bereits vor Corona eingesetzt hatte: Lange Zeit wurde am Modemarkt nach dem Prinzip „immer mehr, immer billiger“ produziert. Große Modehäuser wie Gucci haben jetzt die Abkehr von diesem Prinzip erklärt. Es soll weniger Kollektionen geben, das Haus will sich auf zwei große Schauen im Jahr fokussieren.
Das Virus habe noch mehr Menschen zum Umdenken angeregt
Neben ökonomischen und ökologischen Aspekten spielen für die Entscheidung von Verbrauchern, weniger zu konsumieren, offenbar auch weltweite Reisebeschränkungen eine Rolle. Diese verhinderten im vergangenen Jahr den starken Boom saisonaler Trends – wer braucht einen neuen Bikini, wenn man ihn an keinem Strand tragen kann? Verbraucher denken jetzt regionaler, zeitloser.
Die Trendforscherin Li Edelkoort glaubt, eine Besinnung auf Entschleunigung und lokalen Handel, Selbstgemachtes und Umweltfreundliches komme schneller als gedacht, zuletzt sagte sie dem Modemagazin „Harper’s Bazaar“: „Wir werden dem Wald zuhören, wir werden uns von der Stille inspirieren lassen, Bienen retten und eine grüne Welt bauen.“ Das Virus habe noch mehr Menschen zum Umdenken angeregt.