Herbert Hug, Inhaber von Zweirad-Hug in Hüfingen, hat deutschlandweit über den Winter viele Fahrräder online verkauft. Viele Kunden wollten mit einer frühen Bestellung Lieferengpässe vermeiden. Foto: Wursthorn

Wer den Verkaufsraum des von Josef Rothweiler betriebenen Radcenters in Donaueschingen betritt, sieht dort reihenweise Fahrräder stehen. Ein paar Dutzend, so der erste Eindruck, eine gute Auswahl der zweite, viel Zeit sich zu entscheiden, der dritte

Donaueschingen/Hüfingen - Doch der dritte Punkt täuscht. Auch wenn die Vertreter dieser Branche im ersten Corona-Jahr – wegen der weit verbreiteten Lust aufs neue Bike vielerorts Gewinner in der Krise – ihre wirtschaftliche Situation in der Corona-Krise unterschiedlich einschätzen, eint sie ein großes Problem: Bestellungen von Rädern, die über die im vergangenen Jahr getätigten hinausgehen, sind vage bis unmöglich.

Natürlich beginne mit dem Frühjahr die Lust aufs Radfahren. Auch eine Belebung des Geschäfts im vergangenen Frühsommer räumt Rothweiler ein. Doch Kunden, die sich bei ihm telefonisch meldeten, seien mitunter sehr wählerisch gewesen. "Sie können ja im Internet alles prüfen, haben Modelle, Ausstattung und Preise im Kopf und wollen am Ende noch einen Corona-Preisnachlass", so der Einzelhändler.

Derweil findet seit Anfang der Woche der Verkauf wieder im Laden statt. Ob seine Räder bis zu den Sommerferien verkauft sind? Gut möglich, meint Rothweiler. Denn Nachbestellungen sind nahezu aussichtslos. Das beginnt bei Sondereditionen von Kinderfahrrädern und reicht zu Anfragen beim Hersteller. "Ich kann zwar bestellen, bekomme aber nicht mal eine Antwort bezüglich des ungefähren Lieferdatums." Dazu kommt ein weltweit verbreitetes Problem: die Lieferkette.

Lieferung aus China wird immer schwieriger

Viele Einzelteile der Fahrräder kommen per Schiff aus China. Aber die Containerkapazitäten sind extrem knapp geworden, die Kosten für die Transportbehältnisse stark gestiegen. Das spürt Rothweiler nicht nur bei der schwindenden Auswahl im Laden: "Als ich vor kurzem von einem Grossisten ein E-Bike kommen ließ, habe ich allein 60 Euro für den Transport bezahlt."

Dabei liegen E-Bikes weiter im Trend. Dazu noch hochkarätige Rennräder und Mountainbikes. "Den Rest können Sie vergessen", so der Händler. Vermutlich werde sich der Anteil von "normalen" Rädern bei 10 bis 15 Prozent einpendeln.

Eine satte Auswahl von Fahrrädern im Wert von mehreren Tausend Euro vor Ort vorrätig zu halten, bringt einen Händler ohne Großstadtumfeld schnell in finanzielle Schwierigkeiten. Auch wenn er beim Disponieren Trends erahnen kann und vielleicht versucht, sich in wenigen Marken aufzustellen, sind die erforderlichen Vorleistungen enorm; vom hohen Platzbedarf für große Bestellungen ganz abgesehen.

Fahrräder bald mit Anzahlung und ohne Sonderausstattung?

Der Fahrradkauf selbst werde sich in eine Richtung entwickeln, die "momentan unvorstellbar ist". Wer ein bestimmtes Rad unbedingt haben möchte, wird eine Anzahlung entrichten müssen, hat aber, wie bei einer Autobestellung, kein Rücktrittsrecht. Und allen, die aktuell auf Homepages und in Läden nach einem Fahrrad suchen, kündigt der 60-Jährige einen Lernprozess an: Ein Fahrrad der Wunschmarke mit allen Komponenten und in der ersehnten Farbe werde zunächst nicht mehr möglich sein.

Gut durch den Winter gekommen ist das Radgeschäft Zweirad-Hug in Hüfingen. "Ich habe deutschlandweit viel über Telefon und Internet verkauft", sagt Herbert Hug. Seine Kunden hatten aus der Erfahrung von 2020 gelernt, als es zu Lieferschwierigkeiten kam. Sie haben sich früh um das neue Rad gekümmert. Hug vertreibt Cube-Mountainbikes. Die Räder haben unter Radsportlern einen guten Ruf. In seinem Geschäft informiert sich ein Paar über zwei "Fullys", doppelt, also voll, gefederte Geländeräder. "Jeder will ein Fully haben", so Hugs überaus zufriedene Feststellung.

Zu den Reparaturen treten Kundendienste mit regelmäßigen Wartungsarbeiten. E-Bikes, der andere Trend, hätten mehr Verschleiß an den Bremsen, sagt Hug. Aber auch die neueste Software müsse immer wieder aufgespielt werden. Auch aus Sicherheitsgründen. Im Laden an der Hauptstraße sind für diese Servicetätigkeiten zwei Arbeitsplätze eingerichtet.

Je nach Modell ungewohnt lange Lieferzeiten verzeichnet auch Christian Vogt von Vogt’s Bikenride. Etwa bei sportlichen Mountainbikes. "Was im vergangenen Juli bestellt wurde, kommt jetzt rein." Es könne aber mitunter bis Mai oder Juni dauern, bis alles angekommen ist, sagt der Inhaber. Vorbestellte Bikes würden angeliefert, bei neuen Bestellungen werde es schwierig. Das dem Kunden klarzumachen, sei die "Herausforderung in diesem Jahr".

Durchgängig ordentlich zu tun hatte über den Winter Vogts Werkstatt, in der vorrangig sein Vater Heinrich beschäftigt ist. Seit der Frühling Einzug hält, "können wir uns vor Reparaturen nicht mehr retten", sagt Christian Vogt zufrieden. Er erwartet auch in diesem Jahr eine große Nachfrage nach Fahrrädern.

Info: Offener Brief an die Ministerkonferenz

Der Handelsverband Zweirad hat einen offenen Brief an die Ministerkonferenz geschrieben. Darin heißt es wörtlich: "Die kommenden Wochen sind auch wirtschaftlich entscheidend für den Fahrradhandel. Bleibt das Geschäft bis Ostern ähnlich schwach wie die ersten beiden Monate des Jahres, kommen viele Geschäfte in Bedrängnis." Die Lager seien voll, die Kapitalbindung sei sehr hoch. "Gleichzeitig ist der Nachfragedruck der Verbraucher enorm, denn die Nutzung von Fahrrädern ist stark gestiegen – nicht zuletzt aufgrund der berechtigten Appelle aus Politik und Wissenschaft, während der Corona-Krise verstärkt das Fahrrad zu nutzen." Für 2020 legte der Verband Zuwächse vor. 2020 wurden in Deutschland 5,04 Millionen Fahrräder und E-Bikes verkauft, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anteil an E-Bikes am Gesamtumsatz betrug 38,7 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr wurden 43,4 Prozent E-Bikes mehr verkauft.