Erwin Moser aus Hausach ist froh, dass er wieder Kleidung verlaufen darf. Foto: Reinhard

Endlich: Unter Auflagen darf der Einzelhandel im Kreis seit Montag wieder öffnen. Das freut die Händler, die seit Monaten auf Perspektiven gewartet haben. Wie ist die Stimmung? Der Schwabo hat sich umgehört.

Mittleres Kinzigtal - Schnell wird deutlich: Dass sie ihre Kunden wieder begrüßen dürfen, freut die hiesigen Händler. Das vorhergehende Krisenmanagement ärgert die Meisten jedoch.

Hausach:

"Wir sind sehr zufrieden und glücklich, dass wir unseren Job, den wir lieben und leben, wieder ausüben können – bei allem Respekt vor dem Virus", sagt Erwin Moser vom gleichnamigen Herrenmodegeschäft in Hausach. Der Andrang der Kunden halte sich in Grenzen "Wir haben gut zu tun, aber gestürmt werden wir nicht", fasst Moser zusammen. Die Kunden freuten sich zwar, wieder einkaufen zu können, aber einige seien auch verunsichert angesichts der mannigfaltigen und verschiedenen Informationen. So riefen manche bei ihm im Geschäft an, um einen Termin auszumachen, was aber erst bei einer Inzidenz von über 50 nötig wäre. Die Öffnung des Einzelhandels hält er für einen richtigen Schritt. Es sei ihm unverständlich, dass Supermärkte mit tausenden von Kunden geöffnet sein durften, während die Fachgeschäfte geschlossen blieben. "Jetzt hoffe ich, dass auch für die Gastronomie auf eine Perspektive." Während des Lockdowns habe er zwar "Klick und Collect" angeboten, "aber das ist kein Umsatzbringer und kann den Verlust nicht auffangen", meint Moser. Vor allem aber: "Unsere DNA ist es, Kunden zu beraten und zu bedienen."

Gutach:

"Ich habe mich sehr gefreut, den Laden wieder öffnen zu dürfen. Es ist ein ganz anderes Arbeiten und auch die Kunden freuen sich, wieder ›richtig‹ in den Laden kommen zu dürfen", sagt Susanne Heinzmann von "Schuh Heinzmann" in Gutach. Die Möglichkeit der Abholung, ihr Standbein der Orthopädie und der Verkauf von Kinderschuhen, der mit Terminvereinbarung erlaubt war, habe ihr über die Zeit geholfen und ihre Kunden haben regen Gebrauch von den Angeboten gemacht. Staatliche Hilfen hat sie nicht angefordert, da ihr das Procedere zu kompliziert ist. Außerdem befürchtet sie, dass die Hilfen zurück gefordert werden.

"Unser Geschäft gibt es 2021 seit 120 Jahren, aber dem stationären Einzelhandel wurden noch nie so viele Steine in den Weg gelegt wie jetzt. Dennoch bin ich mir sicher, dass ›wir Landeier" uns aufeinander verlassen können", ist sich die Gutacherin sicher: "Allerdings kann es so für keinen von uns weitergehen". Das einzige Mittel der Wahl der Politiker sei das Schließen von Läden, Gastronomie und Schulen sowie die Isolation von Menschen. "Es muss dringend ein Konsens gefunden werden, dass alles wieder möglich ist, von Schulfest bis hin zur Busreise", fordert die Vorsitzende des FDP-Ortsverbands Oberes Kinzigtal/Gutachtal. Es könne nicht sein, dass noch ein Jahr vergehe, ohne konkrete Maßnahmen, die wirklich zur Eindämmung der Pandemie führen. "Erst jetzt kommt man auf die Idee, dass Schnelltests vielleicht helfen könnten. Erst jetzt kommt man auf die Idee, dass es einfacher wäre, Hausärzte würden impfen. Und sich dann am Leid der anderen bereichern: Ich will nicht wissen, wie viele ›Maskenskandale‹ nicht aufgedeckt worden sind", sagt Heinzmann.

Haslach:

Soweit HGH-Geschäftsführer Martin Schwendemann am Morgen überblicken konnte, hatten alle Geschäfte in Haslach wieder geöffnet. Händler und Verkäufer "brennen geradezu darauf, wieder ihrem Beruf wirklich nachgehen zu dürfen, sind verhalten hoffnungsfroh", so Schwendemann. Aber: "Meine Gespräche heute Morgen zeigten nochmals deutlich, dass der Lockdown tiefe Wunden geschlagen hat", bilanzert er. Der Handel brauche dringend das aktive, lebendige Kundengeschäft. "Onlineshop, Lieferservice, Abholservice haben dies nicht einmal ansatzweise ausgleichen können".

Die konkrete Corona-Verordnung sei erst am Sonntagnachmittag eingetroffen. Allerdings habe diese lediglich in "Juristendeutsch" ausgedrückt, was der HGH bereits durch Vorabfinformationen wusste. "Wir waren vorbereitet", fasst Schwendemann zusammen. Dass das Landratsamt den fraglichen Inzidenzwert (siehe Info) am Sonntag schnellstens gestgestellt hatte, lobt er ausdrücklich.

Wolfach:

"Das Geschäftsleben in einer Stadt pulsiert erst wieder richtig, wenn auch die Gastronomie mit in den Reigen des Angebotes einsteigt. Dennoch ist das ein Aufatmen", so Reinhold Waidele, Vorsitzender des Wolfacher Gewerbevereins. Allerdings müsse man weiter vorsichtig sein, damit die Inzidenz nicht weiter steige. Der Verein habe darum an seine Mitglieder appelliert, sich penibel an die Hygienevorschriften zu halten. "Für die Winterware ist der Zug aber abgefahren – die wird wohl nicht mehr verkauft", sagt er. Er setze seine Hoffnung in die Impfung und die Tests, um alsbald wieder in einen Modus kommen, wie er im Sommer vergangenen Jahres möglich war.

Natürlich sei die Freude groß, berichtet Rainer Huber, Beirat Handel im Gewerbeverein. Vorausgesetzt, der Inzidenzwert bleibe weiter unter 50. "Ansonsten wäre es, natürlich immer mit zusätzlichen Kosten verbunden, die Strukturen ständig zu ändern", schreibt er. "Der Inzidenzwert wird im Handel sehr kritisch gesehen. Das Robert Koch Institut bewertet den Einzelhandel nicht als Infektionstreiber. Daher ist es schwer nachzuvollziehen, wieso krampfhaft an diesen Werten festgehalten wird." Für die Mitarbeiter sei das eine Katastrophe: "Raus aus der Kurzarbeit und wieder rein." Es sei sinnvoller, die Geschäfte offen zu halten, um eine Welle von Schließungen kleiner inhabergeführten Geschäfte zu verhindern, findet Huber. Unmut herrsche aber auch über die bürokratischen Hürden, um an die Corona-Hilfen zu kommen.

So ist die Verordnung

Der Einzelhandel in Baden-Württemberg darf seit Montag, 8. März, wieder öffnen. Das regelt eine neue Verordnung, nach der bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens – darunter beispielsweise auch Museen und Zoos – mit Hygienekonzepten wieder öffnen dürfen, wenn der Inzidenzwert stabil unter 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner liegt. Dieser Wert ist im Kreis bereits seit 14. Februar unterschritten, teilte das Landratsamt am Wochenende mit. Einzelhandel, Ladengeschäfte und Märkte können unter geltenden Hygieneauflagen für diesen Bereich wieder öffnen. Dazu gehören eine Maskenpflicht und quadratmeterweise Begrenzung der Kundenzahl.