Mit einer Waffe bedroht werden – das kann Betroffene traumatisieren. (Symbolfoto) Foto: Karmann/dpa/schütz

Die Aral-Tankstelle in Sulz wurde dieses Jahr bereits zwei Mal überfallen - nun gab es auch einen Zwischenfall in Horb-Nordstetten. Die Aufarbeitung solcher Vorfälle kann schwierig sein - sowohl für die betroffenen Mitarbeiter, als auch für die Polizei mit der Verantwortung für die Aufklärung.

Sicherheits- und Deeskalationstraining, Verhaltenstipps, Alarmpläne: Auf Überfälle sind Tankstellen und deren Mitarbeiter meist vorbereitet. Wenn es wirklich dazu komme, sei das aber etwas ganz anderes. Das berichtete Klaus Dobler, Geschäftsführer der Aral-Tankstelle in Sulz bereits im Juni dieses Jahres - kurz nach dem ersten Überfall auf die Aral-Tankstelle. „Wir treffen Vorkehrungen, wir können aber keine Probe-Überfälle machen“, sagte er.

Dobler ist seit dreieinhalb Jahren Geschäftsführer, hat davor aber schon 13 Jahre in einer Tankstelle gearbeitet und nie einen Überfall erlebt. Der erste Überfall auf die Tankstelle am Pfingstmontag hatte ihm das Abstrakte real werden lassen. Geschockt war er nicht, sagte er im Juni. Aber: „Man bekommt vor Augen geführt, dass man wachsam sei muss.“ Seiner an Pfingsten betroffenen Mitarbeiterin wollte der Geschäftsführer erstmal Zeit geben, sich zu erholen. Er bot ihr Hilfe über die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (kurz BGHW) an. Das gehört nach einem solchen Vorfall zum Standard-Vorgehen.

Genossenschaft bietet therapeutische Soforthilfe an

Die BGHW bietet bei traumatischen Ereignissen wie einem Raubüberfall Betroffenen therapeutische Soforthilfe an. „Diese Soforthilfe in den ersten Tagen ist sehr wichtig und reicht oft schon aus, um die Betroffenen wieder zu stabilisieren und zu verhindern, dass sie zum Beispiel eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln“, erklärte Siegrid Becker. Zur Soforthilfe gehören laut der BGHW-Pressesprecherin meist zwei oder drei Telefongespräche mit einem speziell hierfür ausgebildeten Psychologen. Bei Bedarf organisiert die Berufsgenossenschaft darüber hinaus notwendige therapeutische Maßnahmen.

Ileana Coman, Geschäftsführerin der Aral-Tankstelle Schwenningen, ist seit 30 Jahren in der Branche. Ihre Tankstelle wurde im Dezember 2022 überfallen - für sie ebenfalls ein erstes Mal. Coman wiederholt die Sicherheitsschulungen fortlaufend mit ihren Mitarbeitern. Wichtig sei das Credo, nicht den Helden zu spielen, sagte sie unserer Redaktion. Und: „Dem Täter nicht in die Augen schauen!“ Damit er sich nicht erkannt fühle. Comans betroffene Mitarbeiterin habe den Überfall gut verarbeitet, Hilfe von der Berufsgenossenschaft habe die Frau nicht in Anspruch genommen, berichtete die Geschäftsführerin. Sie habe am nächsten Tag sogar direkt wieder gearbeitet.

Aufklärungsquote bei rund 60 Prozent

Nichtsdestotrotz sei ein solcher Vorfall für das gesamte Team schon schwer zu verarbeiten. Die Angst vor einem neuerlichen Überfall sei anfangs ein ständiger Begleiter gewesen. Zumal der mutmaßliche Täter noch mehrere Male in die Tankstelle zurückgekehrt sei und sich dort umgeschaut habe. Die Mitarbeiterin habe ihn an einem bestimmten körperlichen Merkmal erkannt. Irgendwann sei er dann jedoch weggeblieben, berichtet die Tankstellen-Chefin. Was aus ihm geworden ist, weiß Coman nicht. Sie sei von der Polizei nicht mehr informiert worden.

Der mutmaßliche Räuber vom ersten Überfall in Sulz, ein 24-Jähriger aus dem Raum Calw, wurde mittlerweile festgenommen. Zuweilen bleiben die Täter von Tankstellen-Überfällen jedoch unerkannt. Die Aufklärungsquote von Tankstellen-Überfällen schwankte im Südwesten in den vergangenen Jahren stark. Im Durchschnitt lag sie laut BW-Innenministerium bei rund 60 Prozent - und somit auf einem ähnlichen Niveau, wie bei allen Straftaten. Das zeigt: Trotz Überwachungskameras und trotz meist schneller Fahndung ist die Aufklärung nicht leicht. 

Überfälle auch in VS und Vöhringen

Auch in Villingen-Schwenningen und Vöhringen waren zuletzt Tankstellen überfallen worden. In Vöhringen hatte sich der Überfall kurz vor dem Jahreswechsel am Autohof ereignet: Am 30. Dezember 2022 bedrohte ein bewaffneter Mann mit einer schwarzen Sturmhaube zwei Mitarbeiter der Tankstelle. Er erbeutete mehrere hundert Euro und floh. Der bereits genannte Überfall auf die Aral-Tankstelle in Schwenningen hatte sich ebenfalls im Dezember 22 ereignet. Auch dort drohte der Täter mit einer Waffe. Er erbeutete einen dreistelligen Betrag.

Keine Beute hatte ein Täter im Sommer 22 in Villingen gemacht: Dort drohte der Unbekannte mit Pfefferspray. Als der Tankstellen-Angestellte auf die Forderung nach Geld nicht einging, setzte der Räuber das Spray ein, außerdem kam es zu einem Gerangel. Der Mitarbeiter verletzte sich leicht. Sowohl beim Überfall in Villingen als auch beim Überfall in Schwenningen trugen die Täter FFP2-Masken und flohen zu Fuß. Auch bei den beiden Überfällen in Sulz trugen die Täter eine solche Maske.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 1. Juni 2023 und wurde aufgrund der aktuellen Relevanz aktualisiert.