„Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. (...) Es ist fünf vor zwölf“, sagt der Trainer des SC Freiburg Christian Streich. Foto: dpa/Tom Weller

Die große Bewegung gegen rechts geht auch am Profifußball nicht vorbei. Ein Trainer findet sehr deutliche Worte – andere sind zurückhaltender.

Christian Streich ging selbst auf die Straße. Der Trainer des SC Freiburg, der seit Jahren mahnende Worte für gesellschaftspolitische Entwicklungen findet, demonstrierte in dieser Woche in seiner Heimatstadt gemeinsam mit Tausenden anderen gegen Rechtsextremismus. Deutlich wie selten zuvor folgten in den Fußball-Bundesligen etliche Vereine mit dem Aufruf, im Wahljahr 2024 für demokratische Werte einzustehen.

 

„Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. (...) Es ist fünf vor zwölf“, sagte Streich am Donnerstag. „Jeder in diesem Land ist dazu aufgerufen, im Familienkreis, in der Arbeit oder sonst wo, sich ganz klar zu positionieren.“ In Leipzig warnte Streichs Trainerkollege Marco Rose: „Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man gegen Dummheit und Rechtsextremismus in jeder Form aufsteht. Ich finde es gut, dass die Leute das auch machen, dass sie klar Flagge zeigen und auf die Straße gehen.“

Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Demokratie und Rechtsextremismus ist ein vom Medienhaus Correctiv publik gemachtes Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa. Gesprochen hat dort auch Martin Sellner, der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich. Die AfD liegt vor den Landtagswahlen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen dort derzeit in Umfragen vorn, zum Teil deutlich.

Der Profifußball mobilisiert - in allen Gesellschaftsbereichen

„Nie Wieder ist jetzt! Kommt alle rum“, schrieb der FSV Mainz 05 zu einer am Abend geplanten Versammlung gegen rechts. Zweitligist FC St. Pauli rief alle Mitglieder per Rundschreiben dazu auf, zu der Veranstaltung „Hamburg steht auf“ am Freitagnachmittag auf dem Rathausmarkt zu gehen. Den Clubs folgen insgesamt mehrere Hunderttausend Menschen - in einer Zusammensetzung, die heterogener kaum sein könnte.

„Es hat einen erheblichen Wert, weil rechtsradikale Kreise auch vom Bundesliga-Fußball angezogen werden“, sagte Sportphilosoph Gunter Gebauer der Deutschen Presse-Agentur zu den Aufrufen aus dem Fußball. „Und wenn ihnen da eine konträre Meinung, die fest und überzeugend vorgetragen wird, entgegenschlägt, wird es sie auch beeindrucken.“ Das würde nicht heißen, dass sie ihre Meinung ändern, „aber es wird ihnen bestimmt ein gewisses Maß an Sicherheit nehmen“.

Ganz neu sei das Engagement im Fußball zwar nicht. Hinzugekommen sei aber, „dass in breiterer Form und stärker die Vereine und Mannschaften dazu bereit sind, mitzuwirken“, sagte Gebauer, der als Ursache dafür eine zunehmende Gefährdung der Demokratie sieht. „Das ist sie zweifellos“, betonte er. Außerdem liege es auch daran, dass in Bundesligavereinen viele ausländische Profis engagiert seien. „Die schließen den Kreis um ihre ausländischen Spieler. Ich denke, dass da auch eine Sorge um sie ist“, meinte Gebauer.

Die Rolle des Fußballs in der Gesellschaft

Die Deutsche Fußball Liga verwies auf Anfrage auf ihre Satzung, laut der sich die DFL „der hohen sozialen und gesellschaftspolitischen Bedeutung des Fußballsports bewusst“ sei. Streich betonte, wer jetzt sitzen bleibe, habe nichts verstanden. Es solle „keiner rumjammern hinterher, wenn er von einer autoritären, rechtsnationalistischen Gruppierung regiert wird“.

Am Mittwoch hatte Abwehrspieler Timo Hübers vom 1. FC Köln eine Demonstration gegen rechts in der Stadt des Bundesligisten gelobt und sich klar gegen rechtes Gedankengut positioniert. „Was auf jeden Fall eine überragende Aktion war, war die Aktion gestern Abend am Heumarkt“, sagte Abwehrspieler Hübers in einem vom Verein geteilten Video von der Versammlung in der Kölner Stadtmitte.

Hoffenheims Trainer Pellegrino Matarazzo äußerte sich am Donnerstag zurückhaltender. „Vielleicht möchte der eine oder andere Trainer den Fokus auf den Sport beibehalten“, warf der US-Amerikaner ein. Er persönlich sei noch nicht bereit gewesen, „mich in allen möglichen Themen aufzumachen. Vielleicht gibt’s den Zeitpunkt, wo ich sage: Jetzt ist der Moment, wo ich die Gesellschaft auch mit meiner Meinung beeinflussen möchte.“ Streich sei schon „ein paar Jahre mehr dabei“.