Bei den Diskussionen im Rathaus in Bad Liebenzell geht es mitunter hitzig zu. Foto: Wolfgang Krokauer

Die Staatsanwaltschaft stellt das Ermittlungsverfahren gegen Erich Grießhaber ein. Dietmar Fischer hatte ihn angezeigt, weil er sich im Gemeinderat von Grießhaber beleidigt fühlte.

Im Liebenzeller Gemeinderat geht es oft hoch her. Auch deutliche Worte sind hier keine Seltenheit. Am 23. Juni gab es eine solch hitzige Diskussion. In der konstituierenden Sitzung ging es um die Posten der stellvertretenden Bürgermeister. Vor allem die Personalie Ekkehard Häberle (ZBL) sorgte für Konflikte. Dietmar Fischer (CDU) sprach in dem Zusammenhang vom guten Ton. Dazu gehöre es, dass die zweitstärkste Fraktion - die ZBL - den zweiten Stellvertreter stelle. Was guten Ton angehe, sollten manche im Gremium sehr still sein, entgegnete Erich Grießhaber (Grüne) damals.

 

In welcher Situation fiel der Begriff?

Doch dabei blieb es nicht. „So ein Seggel“ sagte Grießhaber über Fischer zu seinem Nebensitzer Dietmar Lehmann-Schaufelberger. Öffentlich wurde das erst, nachdem sich Norbert Maier (AfD), der am Ratstisch neben den Grünen sitzt, über die Aussage mit einer Wortmeldung beschwerte. Von den Zuschauerplätzen in der Nähe der Grünen war Grießhabers Äußerung nicht zu hören. Fischer, der noch weiter weg sitzt, hatte es nach eigenen Angaben aber gehört. Und er erstattete Anzeige gegen Grießhaber wegen Beleidigung.

Grießhaber räumte den Ausdruck damals ein. Allerdings habe er sich nur im Zwiegespräch mit seinem Fraktionskollegen geäußert.

Begründung der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen ihn nun eingestellt. Das entsprechende Schreiben liegt unserer Zeitung vor. „Der bei der Staatsanwaltschaft Tübingen zuständige Dezernent ist des Schwäbischen im muttersprachlichen Sinne mächtig“, heißt es darin. Es sei egal, ob Grießhaber es nur seinem Nebensitzer oder allen im Gremium sagen wollte. Letztlich „liegt in der konkreten Tatsituation keine Herabsetzung des Anzeigeerstatters (Dietmar Fischer, Anm. d. Red.) im Sinne einer strafbaren Beleidigung vor“, steht dort weiter.

Im politischen Meinungskampf seien scharfzüngige und konfrontative Äußerungen, auch in polemischer Form, hinzunehmen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Maßgeblich sei aber, dass „im schwäbischen Sprachgebrauch der Begriff zumindest meist gebraucht wird, um eine Person zu kennzeichnen, die wesentliche Umstände oder die Wirklichkeit verkennt beziehungsweise einen Sachverhalt nicht richtig zu erfassen vermag oder auch in einer bestimmten Funktion oder für eine bestimmte Aufgabe als ungeeignet erscheint“. Dabei werde die Person nicht in Gänze als minderwertig oder verachtenswert dargestellt.

Rüge der Staatsanwaltschaft

Ganz ausschließen, dass „Seggel“ als Beleidigung gemeint sein kann, will die Staatsanwaltschaft aber nicht. Allerdings müsse hier nach „höchstrichterlicher Rechtsprechung“ die Auslegung gewählt werden, die den Beschuldigten entlastet, steht in dem Schreiben. „Damit kann die nach schwäbischem naheliegend Bedeutung des gewählten Ausdrucks nicht entkräftet werden, so dass keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinn vorliegt“. Trotzdem rügt die Staatsanwaltschaft Grießhaber. Der gewählte Ausdruck entspreche nicht dem „kommunalparlamentarischen Sprachgebrauch“. Hier sei eher auf Sachargumente zu setzen.

Wie sieht Grießhaber die Entscheidung?

Grießhaber ist mit dem Schreiben trotzdem zufrieden. „Mir war klar, dass das eingestellt wird“, sagt er dazu. Er ärgere sich über Fischers Vorgehen. Es seien für „umme“ Leute beschäftigt und „Steuergelder verschleudert“ worden. Entschuldigen will sich Grießhaber bei Fischer nicht. Er wisse nicht warum.

„Was soll ich da sagen?“, sagt Fischer zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Er erklärt, dass Grießhaber ihn nochmals beleidigt habe, als er ihn als „Narzisst“ bezeichnet habe. Und Grießhaber habe sich schon in der Vergangenheit „über Dinge hinweg gesetzt“, auch Leute beleidigt und sich dann entschuldigen müssen.

Was meint Dietmar Fischer dazu?

Ob Fischer eine Entschuldigung von Grießhaber überhaupt annehmen würde? „Es wird zu einer Zeit eine Entschuldigung nicht mehr ausreichen“, so Fischer. Die Dinge würden ihren weiteren Verlauf nehmen. Wenn alles abgeschlossen ist, werde er einen Schlussstrich ziehen, sagt Fischer.

„Es kann und darf so nicht stehen bleiben“, findet er. Fischer fühlt sich von UL, Grünen und dem aktuellen Bürgermeister Roberto Chiari schon seit Längerem ungerecht behandelt – gar verunglimpft. Im Kern stehen hier Vorwürfe der Untreue gegen Fischer im Zusammenhang mit Pachtverträgen über Grundstücke in den Talwiesen. Die hatte Fischer als Bürgermeister mit der Firma Häberle geschlossen. Das Thema sorgte im Gemeinderat für heftige Auseinandersetzungen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen Fischer in diesem Sachverhalt Anklage erhoben. Eine Verhandlung am zuständigen Calwer Amtsgericht ist noch nicht terminiert. Fischer bezweifelt, dass das Gericht die Anklage überhaupt zulässt und es zu einer Verhandlung kommt. Es seien ja neue Informationen aufgetaucht, erklärt er. Fischer meint damit ein Wertgutachten über die Grundstücke aus dem Jahr 2012. Seiner Meinung nach entlastet ihn dieses von dem Vorwurf, dass er die Grundstücke unter Wert verpachtet habe. Es ist unklar, ob das Gericht diese Ansicht teilt.

Der Erste Staatsanwalt Nicolaus Wegele erklärt auf Nachfrage noch, dass man jemanden nicht generell „Seggel“ nennen darf „Ob der Begriff eine strafrechtlich relevante Beleidigung darstellt, kann nur im Einzelfall entschieden werden“, sagt er. In dem Fall zwischen Grießhaber und Fischer sieht es die Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht so.