Bonita Grupp fokussiert sich nach dem Siuizidversuch des Vaters auf den Familienbetrieb. „Die Firma ist wie mein Baby.“ Rückhalt findet sie auch in der Belegschaft.
Bonita Grupp (35) will sich nicht auf ihre Familiengeschichte reduzieren lassen. Das war so als im November 2023 bekanntwurde, dass der Patriarch Wolfang Grupp (83) die Führung des Familienunternehmens Trigema an seine Kinder Bonita und Wolfgang Grupp junior (34) übergibt und das ist auch heute so – nur wenige Tage nachdem bekanntwurde, dass ihr an Altersdepression erkrankter Vater Anfang Juli versucht hat, sein Leben zu beenden.
Nichts von dem, was die Familie beschäftigen muss, merkt man Bonita Grupp an. Konzentriert, klar und mit wachem Blick formuliert sie beim Unternehmertag in Stuttgart gegenüber Manuel Hagel, dem CDU-Spitzenkandidaten für die anstehende Landtagswahl ihre Forderungen als Vertreterin eines Familienunternehmens: Der Fachkräftemangel, die zu hohe Besteuerung ihrer vor allem weiblichen Belegschaft, das zu geringe Renteneintrittsalter. Es fällt ihr schwer, sich nach ihrem Auftritt aus dem Publikum zu kämpfen. Viele Menschen haben das Bedürfnis, ihr zu ihren Wortbeiträgen zu gratulieren.
„Was mir jetzt hilft, ist Routine“, sagt sie später im Gespräch mit unserer Zeitung und das erklärt, warum sie ihren Fokus ganz auf das Unternehmen gerichtet lässt.
Bonita Grupp will Trigema zukunftsfest aufstellen
Bonita Grupp geht es darum, Trigema für die Zukunft resilient zu machen, am Standort zu halten und die Positionen zu vertreten, die dafür wichtig sind. Es wirkt, als sei sie dabei präsenter als ihr Bruder Wolfgang Grupp. „Wir sehen das gelassen“, sagt sie. „Vielleicht liegt das daran, dass ich als Frau derzeit einfach mehr Gehör finde als mein Bruder als männlicher Geschäftsführer, aber er vertritt ebenfalls starke Positionen.“ Für die Familie sei wichtig, dass die Interessen der Firma vertreten werden und nicht von wem.
Seit Januar 2024 führen die Geschwister zusammen mit ihrer Mutter die Geschicke des Burladinger Textilunternehmens. „Natürlich mussten wir uns in dieser Konstellation erst finden und auch der Belegschaft gegenüber die veränderte Führungsstruktur vermitteln“, sagt Bonita Grupp. „Bislang war es so, dass mein Vater das letzte Wort hatte, jetzt ist es so, dass die Zuständigkeiten auf mehreren Schultern verteilt sind. Daran mussten sich die Beschäftigten erst einmal gewöhnen, aber ich denke, dass wir das jetzt gut gelöst haben.“
Bonita Grupp leitet die Bereiche Onlinehandel, Marketing und Personal. Wolfgang Grupp junior verantwortet die Geschäftskunden, die IT-Projekte, die Produktion und die Finanzen, zudem trägt er die Haftung in der Kommanditgesellschaft. „Sollte es zu einer Krise kommen und wir keine Einigung erzielen können, hat er das letzte Wort, da er die Haftung trägt. Aber zu so einer Situation ist es noch nicht gekommen“, sagt Bonita Grupp.
Die aktuelle Wirtschaftsschwäche bereitet der Familie Sorgen, da Kleidung bei sinkender Kaufkraft oft das erste ist, an dem Menschen sparen. „Dennoch ist die wirtschaftliche Lage bei uns stabil“, so Grupp. Der Umsatz lag 2023 bei 130 Millionen Euro; 40 Prozent davon macht der Online-Handel aus. 2024 sei der Umsatz nicht zurückgegangen. Zum Ergebnis schweigt das Familienunternehmen.
Die Nachfrage nach Industriebekleidung sinkt
„Was wir merken, ist, dass wir uns breiter aufstellen und kurzfristiger reagieren müssen“, sagt Grupp. So sinke derzeit beispielsweise bei der Industriebekleidung die Nachfrage, wohingegen sie im Pflegebereich stabil ist.“ Einmal im Monat trifft sich die Geschäftsführung nun, um beim operativen Geschäft nachzusteuern und beispielsweise auf aktuelle Trends aufzuspringen. „Dass wir schnell reagieren können, ist der große Vorteil unserer Produktion vor Ort“, sagt Grupp. „Diese Stärke wollen wir besser nutzen.“ Trigema ist eines der wenigen Textilunternehmen, das noch in Deutschland produziert.
Was ihr zu schaffen macht, ist, dass es dem Unternehmen immer schwerer fällt, das richtige Personal zu finden. „30 Prozent unserer Belegschaft geht in den kommenden fünf Jahren in Rente“, sagt sie. Sie fordert, dass das Renteneintrittsalter sich an die gestiegene Lebenswartung anpassen muss.
Außerdem läuft am Standort Burladingen ein Projekt zur Automatisierung von Näharbeiten. „Wir wollen keine Arbeitsplätze abbauen“, sagt Grupp „wir finden schlichtweg nicht so viele neue Beschäftigte wie in Rente gehen.“ Sie hofft, dass im Laufe des kommenden Jahres erste unkompliziertere Kleidungsstücke wie Trägerhemden oder T-Shirts automatisierter produziert werden können.
„Unsere Belegschaft steht hinter uns“
„Zudem werben wir weiterhin gezielt Fachkräfte im Ausland an“, sagt sie. Aus diesem Grund haben bereits AfD-Politiker gegen das Unternehmen gestichelt. „Wir stehen weiterhin zu unserer multikulturellen Belegschaft“, sagt Grupp. „Made in Germany bedeutet nicht Made by Germans.“ Bei Trigema arbeiten insgesamt 1200 Beschäftigte aus mehr als 40 Nationen.
Die Beschäftigten seien es im Übrigen auch, die ihr in schwierigen Zeiten helfen. „Unsere Belegschaft steht hinter uns und unterstützt uns“, sagt die Personalchefin. „Und auch der enge Zusammenhalt in der Familie hilft.“ Während viele jüngere Menschen gar keine Führungs- oder gar Geschäftsführerpositionen mehr anstreben, sieht Bonita Grupp darin eine berufliche und auch private Erfüllung. „Die Firma ist wie mein Baby, man macht es für sich und für die Familie. Wir haben einander und können uns auch gegenseitig entlasten.“ Wenn es ihr zu viel wird, geht Bonita in die Natur. „Wir leben hier auf dem Land, da kann man wunderbar spazieren gehen“, sagt sie.
Hilfe bei Suizid-Gedanken
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/