Während das Ende der Assad-Diktatur bei vielen Exil-Syrern in Deutschland für Feierstimmung sorgt, ist die Lage in ihrem Heimatland derzeit noch unüberschaubar. Foto: Arnold

Der Sturz der Assad-Regierung schlug am Wochenende hohe Wellen – bis in die Ortenau. Was der Regime-Wechsel für die Syrer im Kreis bedeutet, ist laut Landratsamt noch nicht absehbar. Derweil wird vor einer zügigen Rückführung von Flüchtlingen gewarnt.

Für viele Syrer bot die Nachricht von der Flucht des syrischen Machthabers Baschar al-Assad nach Russland Anlass zur Freude. In einigen großen Städten Deutschlands fanden sich spontan feiernde Gruppen zusammen.

 

Gleichzeitig wurden in der deutschen Politik Stimmen laut, nun zeitnah in die Bundesrepublik geflüchtete Syrer zurück in ihr Heimatland zu schicken – das stößt in der Ortenau auch auf Kritik.

Heimfried Furrer etwa steht viel in Kontakt mit Menschen aus Syrien. Der frühere Lehrer engagiert sich seit Jahren im Freundeskreis Flüchtlinge Lahr. Wie sich die politische Lage in dem arabischen Land nun entwickeln wird, sei noch völlig offen, glaubt Furrer. Mit Unverständnis reagiert er auf die nun aufgekommenen Diskussionen, in denen es um die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien geht. „Eine Katastrophe, unmenschlich“, konstatiert Furrer gegenüber unserer Redaktion.

„Aufstehen gegen Rassismus“ fordert, weiter abzuwarten

Auch Jenny Haas von Aufstehen gegen Rassismus Offenburg betrachtet die nun geforderten Rückführungen kritisch. „Man muss abwarten, was Syrien für eine Regierung bekommt. Wenn dort ein radikal islamistisches Regime wie in Afghanistan entsteht, dann können wir unmöglich fordern, syrische Menschen dorthin zurück zu schicken“, plädierte sie am Montag im Gespräch mit unserer Redaktion.

Bei der Diskussion dürfe man nicht vergessen, dass zahlreiche der syrischen Flüchtlinge inzwischen in der Ortenau sehr gut integriert seien und wichtige Jobs ausübten. „Für viele ist ihr Lebensmittelpunkt eben nicht mehr Syrien, sondern Deutschland“, betonte Haas. „Wir sollten uns noch ein bisschen Zeit lassen, um abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt.“

Auch das Landratsamt betonte am Montag, wie unübersichtlich die aktuelle Situation sei. Es sei unmöglich, „belastbare Aussagen zu den möglichen Auswirkungen eines Sturzes des Assad-Regimes auf den Ortenaukreis zu treffen – es sind noch viele Fragen offen“, erklärte Kreissprecher Kai Hockenjos auf Anfrage. „Wir verfolgen die Situation selbstverständlich aufmerksam und stehen in engem Austausch mit relevanten Stellen.“ Wie es aber nun weitergeht für die syrischen Flüchtlinge, lasse sich noch nicht sagen.

Junge Syrerin feiert das Ende des Assad-Regimes

Die Ortenauerin Hadeel Haje Fares feiert das Ende der Assad-Diktatur. Die Syrerin floh 2015 mit ihren Eltern vor dem Regime nach Deutschland und kam schließlich nach Lahr. Die Nachricht, dass der Diktator gestürzt wurde, erreichte sie am Sonntagmorgen. „Mir sind vor Freude die Tränen geflossen“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Über eine Whatsapp-Gruppe mit Freunden erreichte Haje Fares die erste Nachricht über das Ende der Assad-Herrschaft, anschließend die Nachricht, dass Regimegegner aus den Gefängnissen befreit wurden. Noch zwei Tage zuvor hätte sie so etwas niemals für möglich gehalten. „Ein Traum“, so die junge Syrerin.

Haje Fares hat noch Verwandte und Freunde in Damaskus. Mit ihnen habe sie in den vergangenen Tagen telefoniert. Das sei als Regimegegnerin zuvor wegen der Telefonüberwachung nicht möglich gewesen. Jetzt würden sie endlich frei und ohne Angst miteinander sprechen. Wie es mit dem Land weitergeht, ist auch für Haje Fares noch unklar.

„Das wichtigste ist, dass der Diktator gestürzt wurde und die politischen Gefangenen befreit wurden“, erzählt sie. Haje Fares macht gerade ihre Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin, im Februar steht die Abschlussprüfung an. Sie hofft, in Zukunft wieder ihre alte Heimat in einem Urlaub besuchen zu können. „Ich vermisse Damaskus so sehr“, beschreibt sie. Dauerhaft in das Land ihrer Geburt zurückkehren wolle sie jedoch nicht.

Landratsamt zählt rund 3800 Syrer in der Ortenau

Rund 3800 Menschen aus Syrien zählte das Landratsamt zum Stichtag Ende 2023 in der Ortenau. Aktuellere Zahlen gebe es dazu nicht, erläuterte Kreissprecher Kai Hockenjos. Ende November lebten 165 Syrer in Gemeinschaftsunterkünften des Kreises – der „vorläufigen Unterbringung“. Damit ist etwas mehr als jeder zehnte Platz von einem Syrer belegt. Viele vor dem Assad-Regime geflüchtete Menschen leben jedoch bereits seit Jahren im Kreis und sind in der Anschlussunterbringung oder auf dem normalen Wohnungsmarkt untergekommen. Insgesamt 927 Menschen aus Syrien nahmen seit 2015 die Möglichkeit in Anspruch, sich einbürgern zu lassen. Ab dem Jahr 2021 konnte unter bestimmten Voraussetzungen – wie dem Nachweis eines B 2-Sprachzertifikats, einem mindestens abgeschlossenen Realschul- oder Berufsausbildungsabschluss oder Flüchtlingsstatus – die Einbürgerung bereits nach sechs Jahren erfolgen. Seither ließen sich jährlich eine untere dreistellige Zahl von Syrern einbürgern. Allein im laufenden Jahr waren es bis Anfang Dezember 327 Menschen.