Jürgen Palmtag zeigt ein "Panorama produktiver Abschweifungen" von 2021 im wiedereröffneten Kunstmuseum. Foto: Carstensen

Werke von Jürgen Palmtag, ein künstlerischer "Albspaziergang" und die Ausstellung im "jungen kunstraum" erwarten Besucher des Kunstmuseums Albstadt bei der Wiedereröffnung am Samstag, 16. Oktober.

Albstadt-Ebingen - Die lange Durststrecke endet Punkt 14 Uhr: Das Kunstmuseum Albstadt öffnet am Samstag seine Türen – nach über anderthalb Jahren umbaubedingter Schließung.

Die Bauarbeiten galten vor allem dem Brandschutz. Zum Treppenhaus hin wurden neue Türen und Fenster eingebaut, Brand- und Einbruchmeldeanlagen mussten erneuert und die Lüftungsanlagen entsprechend den Sicherheitsstandards nachgerüstet werden. Die in fast 115 Jahren gefährlich ausgetretenen Holzstufen wurden durch baugleiche Eichenholz-Auflagen ersetzt.

Viel zu sehen

Zwar dauern die Arbeiten in den beiden Dachgeschossen noch an – voraussichtlich bis Jahresende; im Frühjahr wird das defekte Zinkdach erneuert – doch auf drei Etagen ist das Kunstmuseum wieder offen für schaulustige kunstbegeisterte Besucher.

Sie bekommen viel zu sehen: Im Erdgeschoss hat Jürgen Palmtag, Jahrgang 1951, sein "Panorama produktiver Abschweifungen" ausgebreitet. In einer sehr persönlichen Retrospektive blickt er auf 20 Jahre seines Schaffens zurück. Im Mittelpunkt steht eine 15 Meter breite bedruckte Kunststoffplane als erläuterungsfreie Bilderstrecke, auf der Palmtag Arbeiten und Aktivitäten der vergangenen Jahre präsentiert – ein raumgreifender, großer Katalog als Dokumentation seines Interessenspektrums. Der Künstler inszeniert die Vielfalt und Breite seiner Themen, ergänzt um Originalarbeiten verschiedenster Formate. Zur Ausstellung erscheint ein Künstler-Magazin für 29 Euro, das auch als handsignierte Sonderedition mit eingelegter Original-Grafik für 180 Euro erhältlich ist. Am Eröffnungswochenende ist Jürgen Palmtag anwesend.

Die große Ausstellungsetage im ersten Stock lädt zu einem "Albspaziergang" ein. Touristenströme und Truppenübungsplätze, die Durchdringung der Natur durch wachsende Ortschaften, Straßen, Industriebauten und -brachen prägen heute das Landschaftsbild mit. Verkehrsteilnehmer nehmen Landschaft anders wahr. Und zusammen mit Flüchtlingen, die es aus fernen Ländern auf die Schwäbische Alb verschlagen hat, muss die Frage nach Heimat neu gestellt werden.

So empfängt ein Text von Roger Willemsen die Besucher und gibt ihnen die Frage nach "Heimat" mit auf den Weg durch die Ausstellung. Am Beispiel des Landschaftsbilds der Schwäbischen Alb geht die Ausstellung "Albspaziergang" in fünf Kapiteln dem veränderlichen Blick auf Landschaft in der gesellschaftlichen Gegenwart nach. Landschaft als Farbraum zu erleben, ist eine besondere Errungenschaft der Freilichtmalerei und des Impressionismus um 1900, wie sie Christian Landenberger vertritt.

Rund 100 Jahre später lassen sich Künstler wie Ludmilla von Arseniew, Alexander Bremer, Werner Schmal und Gabriele Straub noch weit radikaler von der Kraft und dem Rausch der Farben leiten, um die Erfahrung einer sonnenüberfluteten oder grünenden, einer schneebedeckten oder abendlichen Landschaft auf der Malfläche zum Klingen zu bringen.

Landschaft ist aber immer auch Lebensraum, meist vom Menschen unübersehbar mitgestaltet, etwa durch das Kultivieren von Äckern und Streuobstwiesen oder durch Bauwerke und den Abbau von Stein, etwa in Werken von Maria Caspar Filser, Wilhelm Geyer und Fritz Steißlinger. Anders als 1908 die "Spaziergängerin auf der Alb" von Friedrich von Haug bewegen sich Menschen im 20. Jahrhundert schneller durch die Landschaft. So verändert ihre Landschaftserfahrung auch ihr Sehen. Für viele ist die Schwäbische Alb der Inbegriff von Heimat. Doch wie sehen es Migranten? Caroline von Grone ist 2020 dieser Frage im Werk "Der fliegende Teppich" nachgegangen.

Künstlergespräch mit Jürgen Palmtag

Eine kleine Studiensammlung zum Zollerblick versammelt in einem Querschnitt von 1643 bis 2015 die sich im Laufe der Jahre immer wieder verändernden Blickweisen auf den Zoller. Der Lebensraum ist dann im großen Ausstellungsraum noch ein weiteres Mal das Thema – von Jahrtausende alten menschlichen Spuren in den Höhlen der Schwäbischen Alb – auf Werken von Karin Bilyk und Günther Karcher – bis zu den Spuren der heutigen Zivilisation, vom Truppenübungsplatz bis zur Zersiedelung durch Gewerbe, Industrie und Wohnbebauung.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Werken der vergangenen 40 Jahre von Ludmilla von Arseniew, Karin Bilyk, Alexander Bremer, Oliver Grajewski, Caroline von Grone, O.W. Himmel, Katharina Hinsberg, Karl Hurm, Günther Karcher, Susanne Kessler, Katharina Krenkel, Roland Milkau, Jürgen Palmtag, Käthe Rominger-Schneider, Christoph Seidel, Werner Schmal, Fritz Steißlinger, Gabriele Straub und Gert Wiedmaier sowie auf Werken des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Im "jungen kunstraum" ist noch bis 14. November die Ausstellung "Elementar! Feuer, Wasser, Luft und Erde" zu sehen. Die Familien-Ausstellung zeigt mit einer spannenden Zusammenstellung von Kunstwerken aus der Museumssammlung, wie die vier Elemente das ganze Leben beeinflussen. Ein Mitmach-Heft mit Abbildungen und Anregungen zur eigenen Kreativität lädt Familien ein, die Ansichten der Künstler zu den Elementen gemeinsam zu entdecken.

Geöffnet ist das Kunstmuseum dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr. Am Samstag, 16. Oktober, um 15 Uhr begrüßen Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und Direktorin Veronika Mertens die Gäste. Anschließend laufend Künstlergespräche mit Jürgen Palmtag und Führungen durch die Ausstellung "Albspaziergang" mit Veronika Mertens nach Ansage. Am Sonntag, 17. Oktober, ab 11 und ab 14 Uhr führt Veronika Mertens durch "Albspaziergang", um 15.30 Uhr beginnt ein Künstlergespräch mit Jürgen Palmtag.