Umfrage: Jeder zweite Brite ist dafür, dass Lehrer diziplinlose Schüler schlagen dürfen.

London - Jeder zweite Brite will, dass seine Kinder in der Schule geschlagen werden dürfen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts You Gov. Auch in Deutschland ist körperliche Züchtigung noch ein Thema.

Seit den schweren Krawallen und Plünderungen von Jugendlichen in London und anderen englischen Städten vor einem Monat ist in Großbritannien eine Diskussion über Disziplin in der Schule entbrannt. Premierminister David Cameron hatte fehlenden Respekt und mangelnde Autorität im Schulsystem als einen der Gründe für die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen genannt.

Wie löst man dieses Problem? Fast die Hälfte der Eltern in Großbritannien sprach sich in einer Umfrage dafür aus, dass in Schulen die körperliche Züchtigung wieder eingeführt werden sollte. Sogar jeder fünfte Schüler sei der Auffassung, dass Schläge mit dem Stock oder dem Schuh des Lehrers für mehr Disziplin im Klassenzimmer sorgen könnten.

Prügel seit Ende der 80er verboten

Das Meinungsforschungsinstitut You Gov hatte für die Umfrage 2014 Eltern von Schülern in weiterführenden Schulen sowie 530 Schüler befragt. 49 Prozent der Eltern waren der Meinung, Schläge seien in Fällen besonders schwerer Disziplinlosigkeit von Schülern angebracht. 40 Prozent sprachen sich dafür aus, den Rohrstock sowie Ohrfeigen generell als Bestrafung von Schülern wieder einzuführen. 53 Prozent sind strikt dagegen. Die meisten Befragten forderten, Schulkinder zur Disziplinierung vor die Türe zu schicken, ihnen Strafarbeiten aufzuerlegen oder sie nachsitzen zu lassen.

Wie in Deutschland ist auch in Großbritannien die körperliche Züchtigung von Schulkindern verboten. Allerdings wurde das Verbot auf der Insel weitaus später eingeführt. In Deutschland verzichtete Bayern bereits 1980 als letztes Bundesland auf Rute und Watschen. Bei den Briten wurden solche Maßnahmen 1987 an den gesetzlichen Schulen verboten. An Privatschulen waren Prügelstrafen bis 1996 erlaubt, in Nordirland sogar bis 2003. Einige Eliteschulen verwiesen stolz auf "corporal punishment" (körperliche Züchtigung), bei der Pädagogen Missetäter mit dem Rohrstock zu erziehen suchten.

Klaps ist bei den Briten erlaubt

Britische Kinder hatten es auch im Elternhaus bis vor wenigen Jahren nicht leicht. Eine Regelung aus der viktorianischen Zeit erlaubte es Eltern bis 2004, ihre Kinder zu bestrafen, wenn sich die Aktionen im Rahmen einer "angemessenen Züchtigung" bewegten. Gänzlich verboten sind körperliche Bestrafungen in Großbritannien auch heute nicht. Die Regierung legte sich mit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2004 auf einen Kompromiss fest. Der berühmte Klaps ist weiterhin erlaubt.

Anders in Deutschland: Im November 2000 trat das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung in Kraft. Strenggenommen ist damit auch der Klaps auf den Po verboten. Er gilt als Körperverletzung, die mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe (bis zu fünf Jahre) geahndet werden kann - wenn jemand Anzeige erstattet.

Wer nicht weiterweiß, schlägt oft zu

Der Unterschied zwischen dem Klaps und dem Rohrstock finde im Kopf statt, sagt der Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge: "Während das Schlagen in der Schule eine bewusste körperliche Züchtigung ist, entsteht der Klaps auf den Po meist im Affekt." Die Eltern wüssten manchmal nicht mehr weiter und rasteten dann aus. Das sei auch der Grund, warum heute noch Kinder auch in aufgeschlossenen Ländern geschlagen werden. "Oft geschieht das aus einer gewissen Verzweiflung und Hilflosigkeit der Eltern heraus", erklärt Rogge.

Der scheinbar harmlose Klaps ist für den Experten genauso schlimm wie eine bewusst gewollte Züchtigung: "Schläge sind eine Erniedrigung, kein Kind will geschlagen werden." Zwar sei Gewalt als allgemeines Erziehungsgut hierzulande kein Thema mehr, aber es gebe eine Dunkelziffer. In England gehört das Schlagen als Bestrafung aber dazu, sagt Rogge.

Für den Erziehungsberater ist es wichtig, Kindern Nähe zu geben, ohne dass sie damit etwas Negatives verbinden. "Kinder wollen berührt werden, aber wer wütend ist, sollte niemals ein Kind anfassen, sonst kommt es zu Gewalt." Übergriffe gegen Kinder sind heute noch weltweit in vielen Ländern ein Thema. Nach einer Unicef-Untersuchung aus dem Jahr 2006 ist nur in 14 Ländern weltweit jegliche Gewalt gegen Kinder gesetzlich verboten.