Daniel Born sitzt in Zukunft als fraktionsloser Abgeordneter im Landtag. Foto: Lichtgut/Kovalenko

Vor einer Woche hat der frühere Landtagsvizepräsident Daniel Born ein Hakenkreuz auf einen Stimmzettel gemalt. Sein Mandat als Abgeordneter will er behalten – vorerst.

Vor einer Woche malte der Landtagsvizepräsident Daniel Born (SPD) ein Hakenkreuz auf einen Stimmzettel zur Wahl des Oberrheinrates hinter einen Kandidaten der AfD. Im Interview erklärt er, was ihn dazu gebracht hat.

 

Herr Born, es ist eine Woche her, dass Sie dieses Hakenkreuz gemalt haben. Sie sind sicher kein Rechtsextremer, warum haben Sie das getan?

Das wüsste ich selbst gern. Ich kann es nur laienhaft als Kurzschlussreaktion bezeichnen. Ich war an dem Tag extrem emotional aufgewühlt, weil mich diese Chaotisierung der AfD während der Wahlgängen aufgewühlt hat. Ich erkenne wirklich, dass die AfD versucht, unsere Parlamente lächerlich zu machen. Und ich habe gemerkt, dass mich das zersetzt. Ich hätte an dem Tag den Landtag besser früher verlassen.

Was meinen Sie genau?

Eins meiner größten Probleme ist, dass wir uns an die AfD gewöhnen. Ich finde es beispielsweise richtig, wenn es Störungen gibt, wenn Frau Weidel ein Sommerinterview halten darf, wie alle anderen auch. Und ich finde es auch richtig, wenn Gemeinden alles tun, dass die AfD nicht in ihre Hallen kann. An dem Tag kamen Äußerungen, wie sie immer wieder kommen. Es war nicht so eskalierend, wie es sonst oft ist. Aber gerade diese Normalisierung, ganze Bevölkerungsgruppen verächtlich zu machen, das ist das, was ich viel gefährlicher finde, als einzelne Schreihalsaktionen von Rechtsextremen. Rechtsextreme Hetze wird dadurch teil von unserem Alltagsdiskurs – dabei darf sie niemals Teil eines demokratischen Diskurses sein.

Sie waren als besonnener Sitzungsleiter bekannt. Was ist an dem Tag passiert?

Ich bin überzeugter Anti-Faschist und kämpfe mein Leben lang für ein Land, wo alle Platz am Tisch haben. Die AfD steht mit ihrer Spalterei und ihrer Hetze für das krasse Gegenteil. Ich habe für mich gemerkt, dass ich es nicht schaffen konnte, in diesem Landtag einen Safe Space zu schaffen als Sitzungsleiter, damit keine für weite Teile der Bevölkerung herabwürdigenden Äußerungen gemacht werden konnten. Aus meiner Position im Plenum sehe ich auf der Besuchertribüne oft Schulklassen. Das hat mich schon lange beschäftigt, dass die AfD ihre ganzen Kulturkampfthemen in der Regel bei Tagesordnungspunkten bringt, bei denen sie überhaupt gar nicht auf der Tagesordnung stehen. Da sitzen dann Kinder zum ersten Mal in ihrem Parlament und dann findet unten die Rede statt, wo Kübel an Missachtung ausgekippt werden. Und mir war an dem Tag klar, wir gehen in die Sommerpause und uns allen fehlt ein Rezept, um da Einhalt zu gebieten.

Nun haben Sie das Amt als Landtagsvize, mit dem Sie einen Hebel hätten, abgeben müssen.

Ich musste das Amt zurückgeben, das war für mich konsequent. Ein Landtagsvizepräsident kann sich nicht so gehen lassen. Und ich wusste auch, dass ich die SPD-Fraktion verlassen muss, um Schaden von ihr abzuwenden. Ich habe das Amt verloren, das mir am meisten bedeutet hat und in dem ich auch oft die Rückmeldung gekriegt habe, dass ich gerade auch als selbst Mitglied einer Minderheit, als schwuler Mann, für viele Menschen eine gute Identifikationsfigur bin.

Wäre es nicht konsequenter, auch das Mandat abzugeben?

Ich bin überzeugter Parlamentarier und ich habe einen Wählerauftrag in meinem Wahlkreis bekommen. Und diesen Job möchte ich noch ordentlich zu Ende bringen.

Fürchten Sie nicht, dass die AfD sich in an Ihnen im Landtag abarbeiten wird?

Ich bin Angriffsfläche für Rechtsextreme, seitdem ich Teenager bin. Ich werde das mit Würde leisten. Nach der Landtagswahl beende ich meine politische Karriere. Die Gremien der SPD, der Landesvorstand und auch mein Kreisvorstand haben mir gesagt, dass ich eine Belastung für den Wahlkampf bin. Das nehme ich sehr ernst. Es war mir nach diesen Rückmeldungen wichtig klar zu machen: wer Daniel Born jetzt furchtbar findet, kann trotzdem SPD wählen. Ich bin kein Kandidat, ich stehe nicht auf der Liste.

Gab es auch finanzielle Gründe dafür, dass Sie an dem Mandat festhalten?

Nein, darum geht es überhaupt gar nicht. Ich habe dann auch das Gefühl, das ist so eine Spirale, in der immer noch mehr und noch mehr dazu muss. Wenn ich jetzt das Mandat hergeben würde, fordert morgen jemand den Parteiausschluss. Deshalb habe ich für mich eine Entscheidung abgewogen, mit welchen Ämtern und mit welchen Konsequenzen ich für diesen Fehler in einer Kurzschlussreaktion bezahle. Und ich habe einen Fehler zugegeben und bin sofort zurückgetreten. Diese Konsequenz findet man nicht immer und überall.

Die Staatsanwaltschaft prüft nach wie vor, ob eine Straftat vorliegt.

Ich bin überzeugter Anhänger vom Rechtsstaat, ich bin mir sicher, dass die Staatsanwaltschaft das fair prüft. Meine Aufgabe war es, die politischen Konsequenzen zu ziehen und das habe ich getan.

Finden Sie, dass Frau Aras richtig reagiert hat, als sie gleich in den Plenarsaal gegangen ist und das öffentlich gemacht hat?

Ich war in meinem Büro und nicht im Plenarsaal. Da gibt es ein Fake-Video, wo alte Aufnahmen reingeschnitten wurden. In den Aufzeichnungen kann man aber die Wahrheit sehen. Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich war vier Jahre lang stolzer Stellvertreter von Muhterem Aras und habe sie in der gesamten Zeit nie öffentlich bewertet und ich werde es jetzt auch nicht tun.

Zur Person

Sozialdemokrat
Daniel Born (49) ist mit der SPD groß geworden. Seine Eltern waren beide Sozialdemokraten. Sein Kinderwagen wurde mit SPD-Fähnchen geschmückt, seit dem Alter von 16 Jahren ist er Mitglied in der Partei und engagierte sich in verschiedenen Gremien. 2016 zog er in den Landtag ein, 2021 wurde er Vizepräsident des Landtags.

Jurist
Nach dem Jurastudium in Konstanz fing er bei der Bundesagentur für Arbeit an. Sein Arbeitsverhältnis ruht während seiner Zeit im Landtag. Seit vielen Jahren ist er auch Verdi-Mitglied und engagiert sich in verschiedenen Vereinen und Organisationen wie „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“.