Endlich ist das Himalyan Sherpa Hospital eröffnet: Matthias Baumann vor dem Krankenhaus, für dessen Errichtung der Albstädter sich eingesetzt hat. Foto: Baumann

Vor sieben Jahren beschloss Matthias Baumann, aus Albstadt stammender Arzt und Alpinist, ein Krankenhaus in Nepal zu bauen. Jetzt ist es fertig; vor kurzem wurde es eingeweiht.

Albstadt-Truchtelfingen - Edmund Hillary bestieg 1953 als erster Mensch den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest; das weiß fast jeder. Weniger bekannt ist, dass Hillary in späteren Jahren für die Sherpas, denen er die Sternstunde auf dem Gipfel verdankte, ein Krankenhaus in der Everest-Region bauen ließ. Matthias Baumann war schon als Jugendlicher in Truchtelfingen von Hillary fasziniert, und zwar sowohl von der alpinistischen Großtat als auch vom humanitären Engagement. Er wollte es dem Neuseeländer nachtun: den Everest besteigen und ein Krankenhaus bauen.

Kurz vorm Ziel musste er umkehren

Das mit dem Everest hat nicht ganz geklappt. Dabei war Matthias Baumann ganz nah dran: 2011 versuchte der passionierte Alpinist, der bereits den 8201 Meter hohen Cho Oyu erstiegen hatte, über die schwierigere und weniger frequentierte Nordseite auf den 8848 hohen Gipfel des Everest zu gelangen. Auf 8650 Meter Höhe, der Gipfel erschien zum Greifen nah, stellte er fest, dass die zweite seiner zwei Sauerstoffflaschen nicht gefüllt war und er umkehren musste.

Zahlreiche Bergsteiger wurden begraben

2014 unternahm er einen zweiten Anlauf, diesmal über die nepalesische Südseite, auf der Route von Edmund Hillary und Tensing Norgay. Er war im Begriff, sich an die Höhe zu gewöhnen, als er am 18. April einen gewaltigen Donner aus dem Schlaf gerissen wurde: Ein "Sérac", ein Turm aus Gletschereis, war eingestürzt und hatte zahlreiche Bergsteiger, in ihrer großen Mehrheit Einheimische, unter sich begraben. 13 Sherpas konnten nur noch tot geborgen werden; drei Männer blieben verschollen. Um die rund 40 Verletzten kümmerte sich zusammen mit anderen Ärztekollegen, die unter den Alpinisten waren, Matthias Baumann – sie überlebten alle.

Kurz nach Vereinsgründung bebte die Erde

Doch 16 Familien hatten ihren Vater und Ernährer verloren. Matthias Baumann besuchte die Witwen und die rund 40 Halbwaisen zu Hause, stattete jede Familie mit 300 Euro aus und gründete nach seiner Heimkehr den Verein "Sherpa-Nepal-Hilfe", um den Lebensunterhalt der Hinterbliebenen zu sichern, den Schulbesuch der Kinder zu finanzieren und Patenschaften zu vermitteln. Das war im März 2015 – wenige Wochen später, am 25. April, bebte in Nepal die Erde; über 9000 Menschen kamen ums Leben. Am nächsten Tag saß Matthias Baumann im Flugzeug nach Kathmandu – die Landung auf dem gespenstisch dunklen Flugplatz hat er nicht vergessen. Zwei Wochen lang operierte er Erdbebenopfer; dann sah er sich außerhalb der Städte um und erkannte, wie groß die Verheerungen auf dem Land waren. Mit Operieren allein, so seine Schlussfolgerung, war es hier nicht getan.

Geld für den Wiederaufbau von Schulen

Matthias Baumann ist ein Mann der Tat. Den Plan, Waisenhäuser zu bauen, verwarf er schnell, weil das in Nepal politisch nicht gewollt war; stattdessen machte er sich ans Fundraising für den Wiederaufbau von drei zerstörten Schulen und einem Gemeindehaus, in der Nähe des Epizentrums und im Everest-Gebiet, wo seine Schützlinge zu Hause sind – er hatte sie nicht vergessen. Auch sie sollten eine Schule bekommen. Und ein Krankenhaus: Das Vorbild Edmund Hillarys war nach 20 Jahren so lebendig wie eh und je.

Krankenhaus wurde nun eingeweiht

Es hat länger gedauert als geplant; daran war Corona schuld. Es hat auch viel Geld gekostet: Eine Schule im Achttausendergebiet ist fünf bis sechsmal so teuer wie eine im Tiefland, weil es keine Straße gibt: Jeder Zementsack musste entweder eingeflogen werden oder war eine Woche lang auf dem Rücken eines Trägers unterwegs. 300 000 Euro hat das Schulhaus im Gebirge gekostet 620 000 Euro das Krankenhaus. Vor sieben Wochen, am 4. November – ein Tag, den die buddhistischen Lamas nach sorgfältiger Prüfung als besonders glücksverheißend erkannt und ausgewählt hatten – ist es mit großem Zeremoniell eingeweiht worden. Es hat 15 Betten, eine Notaufnahme, Röntgengerät, Sono und einen Behandlungstrakt, in dem Knochenbrüche gerichtet, Infektionen behandelt und Kinder geboren werden können – schwerere Fälle müssen überwiesen werden; zwei Hubschrauberlandeplätze gibt es auch. Und natürlich ein Wohnheim fürs medizinische Personal.

Pasang kennt er seit seiner Kindheit

Stichwort Personal – was Matthias Baumann ganz besonders freut: Bereits vor Jahrzehnten hatte er über den Deutschen Alpenverein Ebingen einen Sherpa mit Namen Pemba kennengelernt, den er später immer wiedersah und der sein enger Freund wurde. Pembas Sohn Pasang kannte er schon als kleinen Jungen; er hat mitverfolgt, wie Pasang erst die höhere Schule besuchte und dann auf den Philippinen Medizin studierte. Jetzt ist er in seine Heimat zurückgekehrt – und wird der erste Arzt im neuen Hospital sein. Was ganz in Baumanns Sinn ist: Sein Krankenhaus soll ein Krankenhaus der Sherpas sein – und nicht nur für die Sherpas.

 Der Verein „Sherpa-Nepal-Hilfe“ ist weiterhin auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Nähere Informationen finden sich auf der Webseite www.sherpanepalhilfe.de.