Die Europäische Wildkatze galt in Baden-Württemberg und großen Teilen Deutschlands lange Zeit als ausgestorben. Doch seit einigen Jahren zeigt sich, dass diese scheuen Tiere wieder Fuß fassen – vor allem an den Rändern des Schwarzwalds.
Die Wildkatze ist ein seltenes, heimisches Wildtier. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts galt sie als „Raubtier“ und „Konkurrentin“ des Menschen, weshalb sie bis zur Ausrottung gejagt wurde.
Jetzt erobert die Wildkatze sich ihren Lebensraum im Südwesten wieder langsam zurück. Insbesondere die Waldwirtschaft, die Jagd, der Tierschutz und der Lebensraumverbund tragen dazu bei, die Wildkatze in den Wäldern wieder heimisch werden zu lassen
Wildkatze: Vom Aussterben zur Rückkehr
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wildkatze in Baden-Württemberg nahezu ausgerottet, da man sie als Gefahr für Niederwild betrachtete. Laut BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, galt die Wildkatze bis vor wenigen Jahrzehnten in ganz Deutschland als ausgestorben.
„Durch intensive Verfolgung und Lebensraumverlust verschwand die Wildkatze aus den Wäldern“, erklärt der BUND in einer Pressemitteilung. Seit etwa zehn Jahren gibt es jedoch vermehrt Hinweise, dass die Wildkatze wieder heimisch wird. Mittlerweile wird die Population in Baden-Württemberg auf „eine niedrige dreistellige Zahl“ geschätzt, bundesweit liegt der Bestand bei rund 8000 Tieren.
Die Rückkehr der Wildkatze in Baden-Württemberg beschränkt sich bisher jedoch auf Randgebiete des Schwarzwalds. „In der Rheinebene, vor allem in den Auwäldern. Weitere Vorkommen in unserem Bundesland gibt es zum Beispiel im Naturpark Stromberg-Heuchelberg und – erst in den vergangenen Jahren nachgewiesen – im südlichen Odenwald“, erklärt Liss Hoffmann, Projektmanagerin beim BUND Nordschwarzwald und Ehrenamtskoordinatorin für „Wildkatzenwälder von morgen“. Es sei wahrscheinlich, dass die Tiere aus den Vogesen nach Deutschland einwandern. In die zentralen Gebiete des Schwarzwalds scheint die Wildkatze aber noch nicht vorgedrungen zu sein.
Unterschiede zur Hauskatze
Obwohl Wildkatzen auf den ersten Blick unseren Hauskatzen ähneln, gibt es markante Unterschiede. Wildkatzen sind größer und massiger, erreichen eine Körperlänge von bis zu 1,20 Meter und wiegen bis zu acht Kilogramm. Ihr Fell ist dichter und ihre Schnauze breiter. Besonders auffällig ist der buschige Schwanz mit schwarzen Ringeln und einer stumpfen schwarzen Spitze. „Wildkatzen sind Einzelgänger und deutlich scheuer als Hauskatzen“, informiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Ihre Nahrung bestehe hauptsächlich aus Mäusen, gelegentlich jagen sie auch kleine Vögel oder andere Kleintiere.
Um das Überleben der Wildkatze in Baden-Württemberg langfristig zu sichern, brauche es umfangreiche Schutzmaßnahmen. „Ein Rettungsnetz aus grünen Korridoren, Gehölzstreifen entlang von Feldern und Grünbrücken über Straßen sollte ihre Lebensräume vernetzen“, schlägt der BUND vor. Denn die stark zerschnittene Landschaft Baden-Württembergs, vor allem durch Autobahnen und Siedlungen, stelle eine erhebliche Gefahr für die Tiere dar.
Wildkatzen-Wanderpfad: Der Natur auf der Spur
Das man einer Wildkatze in freier Wildbahn begegnet, ist sehr unwahrscheinlich. „Mit viel Glück sieht man eine Wildkatze vorbei huschen“, sagt Hoffmann. Dennoch gibt es eine Möglichkeit, ihnen zumindest symbolisch nahe zu kommen: Der BUND hat vor einiger Zeit einen Wildkatzen-Wanderweg bei Bad Herrenalb im Landkreis Calw eingerichtet. Der sechs Kilometer lange Pfad führt durch die typischen Waldgebiete, die der Wildkatze als Lebensraum dienen, und klärt über ihre Verbreitung, Ernährung und Gefährdung auf.
Dabei geht es auch um das Erkennen von Wildkatzen. „Immer wieder werden junge Wildkatzen aus dem Wald mitgenommen weil Menschen glauben, dass es sich um ausgesetzte Kätzchen von Hauskatzen handelt“, erklärt Hoffmann. Besonders während der Jungenaufzucht lassen die Katzenmütter ihre Kleinen oft oftmals allein, während sie auf Nahrungssuche gehen.
„Werden junge Wildkatzen falsch versorgt, kann es tödlich enden, denn sie benötigen anderes Futter und andere Pflege, als Hauskatzen. Grauschwarz getigerte Kätzchen im Wald sollte man unbedingt vor Ort lassen“, ergänzt die BUND-Wildkatzenexpertin.
„Aktionsplan Wildkatze“ fördert eine natürliche Ausbreitung
Auch sogenannte „Blendlinge“, Hybride aus Wild- und Hauskatzen, sind eine Bedrohung für die Wildtiere. Denn eine genetische Vermischung gefährdet die natürliche Wildkatzenpopulation.
Auch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg mit Sitz in Freiburg (FVA) engagiert sich beim Schutz der Katzen . „Wildkatzen gewöhnen sich nicht an Menschen und werden nicht zahm! Sie sind streng geschützt und ihre Haltung ist ohne behördliche Genehmigung verboten“, informiert die FVA auf ihrer Wildkatzen-Website.
Sie hat zudem einen „Aktionsplan Wildkatze“ ins Leben gerufen, um die Rückkehr der scheuen Jägerin zu unterstützen. „Ziel des Aktionsplans Wildkatze ist es, eine langfristig überlebensfähige Wildkatzenpopulation in Baden-Württemberg zu sichern“, erklärt Sabrina Streif , Arbeitsbereich Wildtiermonitoring und -genetik am FVA-Wildtierinstitut. Die Ziele des Aktionsplans sind:
Vernetzung der Lebensräume: Die bestehenden Wildkatzenpopulationen sollen miteinander verbunden werden, um eine natürliche Ausbreitung zu ermöglichen.
Schutz des Lebensraums: Wälder und Feldränder sollen aufgewertet und durch grüne Korridore miteinander verknüpft werden.
Reduzierung der Sterblichkeit: Verkehrsunfälle und illegale Abschüsse sollen durch gezielte Maßnahmen vermindert werden.
Vermeidung der Hybridisierung: Die Vermischung mit Hauskatzen soll verhindert werden.
Wissenschaftliche Forschung: Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zur Wildkatzenbiologie und -ökologie.
Öffentlichkeitsarbeit: Die Akzeptanz und das Bewusstsein für den Schutz der Wildkatze sollen in der Bevölkerung gestärkt werden.
Die Rückkehr der Europäischen Wildkatze in ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet sei heutzutage stark vom Verständnis und Akzeptanz der Menschen beeinflusst. „Hauptsächlich die Bereiche Waldwirtschaft, Jagd, Tierschutz und die Verwaltung tragen dazu bei, die Wildkatze in den Wäldern wieder heimisch werden zu lassen“, so Streif.