Jörg Meuthen, bis vor Kurzem AfD-Parteichef, wundert sich nicht über die Entscheidung der Kölner Richter angesichts des Einflusses der Rechtsaußen-Strömung. Foto: AFP/John Macdougall

Den früheren AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat das Kölner Urteil zur Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht überrascht. Er sei jedoch nicht der „Kronzeuge“ des Verfassungsschutzes. „In die Beobachtung haben andere die Partei manövriert.“

Berlin - Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten, so hat es das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Telefonate abhören, E-Mails mitlesen und auch V-Leute einsetzen, das ist künftig alles möglich. Nicht überrascht von dem Urteil ist der frühere Parteichef Jörg Meuthen, der nach seinem Austritt aus der AfD im Januar von „ganz klar totalitären Anklängen“ in der Partei gesprochen und dem Verfassungsschutz mit seinen Aussagen eine Steilvorlage geliefert hat. Teile der AfD stünden „nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, hatte er als einen der Gründe für seinen Abgang genannt.

Einen massiven Mitgliederschwund als Folge des Urteils hält Meuthen für unwahrscheinlich. „Es wird sich eventuell weniger verändern, als landläufig vermutet wird. Diejenigen, die bis jetzt geblieben sind, sind vermutlich bereit, sich mit einer Beobachtung zu arrangieren, ohne zu weichen.“ Gegen die Vorwürfe, er habe den Verfassungsschutz mit seinen Aussagen über die Radikalisierung einiger AfD-Spitzenfunktionäre munitioniert, wehrt sich Meuthen gegenüber unserer Zeitung. „Ich habe niemals etwas mit dem Verfassungsschutz zu tun gehabt. Es ist hanebüchener Unfug, mich zum Kronzeugen zu stilisieren.“ Sein Ziel als Bundesvorsitzender sei es all die Jahre gewesen, das „Abdriften der Partei ins Völkische“ zu verhindern, doch er sei als Parteichef in seinem Kurs gescheitert. „In die Beobachtung haben andere die Partei manövriert.“

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Enttäuscht zeigt sich Parteichef Tino Chrupalla über den Richterspruch. „Wir hatten uns ein anderes Ergebnis erhofft.“ Um das weitere Vorgehen erörtern zu können, müsse er die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Für Chrupalla steht fest. „Wir lassen uns durch das Urteil in unserer Oppositionspolitik nicht beeindrucken.“ Das Kölner Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann dagegen noch Berufung eingelegt werden.

Der baden-württembergische Vize-AfD-Landeschef Markus Frohnmaier spricht von einem „tendenziösen Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen eine demokratische Oppositionspartei“. Mitgliederschwund oder Radikalisierung erwartet er nicht. „Allerdings stimmt es, dass die Verdachtsfallbeobachtung insbesondere Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine AfD-Mitgliedschaft vermiesen soll.“ Es laufe seit Monaten eine parteiinterne Aufklärungskampagne, damit möglichst keiner aus der Partei austrete. „Das durchschnittliche AfD-Mitglied ist wegen des Gegenwinds, der uns regelmäßig aus Medien, Parteien und Behörden entgegenschlägt, äußerst hartgesotten und ist für Kurzschlussreaktionen nicht empfänglich“, sagt Frohnmaier.

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Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts zur AfD begrüßt und von einem „guten Tag für die Demokratie“ gesprochen. Die AfD sei „eine Partei mit starken rechtsextremistischen Strömungen“, und es sei „sehr wichtig, dass das Gericht sich unserer Auffassung angeschlossen hat“, sagte Haldenwang. „Die Partei steht für Rassismus, die Partei steht für Ausgrenzung von Minderheiten, die Partei steht für Verächtlichmachung des gesellschaftlichen Systems.“ Wenn die Urteilsbegründung vorliege, könne der Verfassungsschutz sein „nachrichtendienstliches Instrumentarium einsetzen“. Es kann erstmals eine im Bundestag vertretene Partei im Ganzen vom Inlandsgeheimdienst beobachtet werden.

Ob AfD-Mitglieder unter den Landesbeamten von Baden-Württemberg zu Einzelfallprüfungen bestellt werden, ist noch offen. Beamte, die sich „aktiv für eine Organisation einsetzen, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, verletzten ihre politische Treuepflicht“ und seien bei beharrlichem Tun „grundsätzlich aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen“, teilt das Innenministerium in Stuttgart auf Anfrage mit. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: „Das Urteil von Köln bringt das wahre Gesicht der AfD zutage: Es sind Brandstifter, sie zündeln und rütteln an unseren gesellschaftlichen Grundfesten und Werten.“ Der Verfassungsschutz müsse ein scharfes Auge auf die Partei und einzelne Personen haben. Liege die Voraussetzung für eine Beobachtung vor, müsse rasch gehandelt werden.