Blick über den Teufelsee im hessischen Wetteraukreis, in dem die Leiche von Ayleen gefunden wurde. Foto: Rumpenhorst

Sechs Wochen nach dem Leichenfund der 14-jährigen Ayleen hat der Tatverdächtige ein Geständnis abgelegt. Doch die Ermittlungen laufen weiterhin. Mit Kommentar

Gießen - Im Fall der toten 14-jährigen Ayleen A. aus Gottenheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) sind die Ermittler sechs Wochen nach dem Tod des Mädchen einen Riesenschritt vorangekommen: Der Tatverdächtige vorbestrafte Sexualstraftäter Jan Heiko P. (29) aus Waldsolms im Taunus hat ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Er räumte gegenüber den Ermittlern im Beisein seines Verteidigers ein, Ayleen in der Nacht auf den 22. Juli gewaltsam getötet zu haben. Und er führte die Beamten anschließend an den Tatort, einen Feldweg im Kreis Gießen, in dessen Nähe er auch Kleidungsstücke von Ayleen nach der Tat abgelegt hatte, die nun genauer untersucht werden müssen.

Der Tatort liegt etwa eine halbe Stunde Fahrzeit vom Teufelsee in der Wetterau entfernt, wo der Täter das Mädchen nach der Tötung im Wasser versenkt hatte und wo die Tote eine Woche später bei einem Großeinsatz der Polizei geborgen wurde. Parallel dazu hatte die Polizei Jan Heiko P. in Frankfurt festgenommen. Er war aufgrund seiner Bewegungsmuster und Handydaten in den Fokus der Ermittlungen geraten.

Ermittlungen laufen mit Hochdruck weiter

Zum genauen Tathergang und zum möglichen Tatmotiv des Inhaftierten machte Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger in Gießen am Dienstag keine Angaben: Das Geständnis sei zwar "ein Meilenstein" in den Ermittlungen. Diese seien damit aber nicht fertig. Die 30-köpfige "SoKo Lacus" (Lateinisch für "See") werde nicht aufgelöst und ermittle weiter mit Hochdruck in dem Fall, so Hauburger. Derzeit gehe man weder davon aus, dass P. die 14-jährige entführt habe, noch gebe es Indizien dafür, dass das Mädchen von zuhause habe weglaufen wollen. "Vor uns liegt noch eine Menge Detailarbeit", so Hauburger am Dienstag wörtlich.

Jan Heiko P. war als Jugendlicher bereits durch ein Sexualdelikt an einer 11-jährigen aufgefallen und kam als 14-jähriger für 10 Jahre in die Psychiatrie. Dort war er zunächst in Marburg in der Jugendpsychiatrie, später dann in der Forensik in Haina in Nordhessen, untergebracht und wurde therapiert. Rouven Raatz, Sprecher der Klinik in Haina, hatte dazu zuletzt gesagt, dass P. 2017 aufgrund einer entsprechenden Begutachtung freikam und danach unter Führungsaufsicht durch die Bewährungshilfe und ein Programm für Rückfallgefährdete Sexualtäter stand. Außerdem habe es Kontroll- und Therapiemaßnahmen durch die Klinik gegeben.

Während der Führungsaufsicht wurde bereits ermittelt

Im Januar 2022 habe die Führungsaufsicht jedoch ihre zeitliche Obergrenze erreicht und sei beendet worden. Die Tötung Ayleens sei "nur schwer ertragen". Die Situation sei "belastend und bedrückend", so Raatz: Man habe keine weiteren Eingreifmöglichkeiten gegenüber P. gehabt. Gegen P. war während seiner Zeit unter Führungsaufsicht mehrfach wegen diverser Delikte ermittelt worden, darunter auch in drei Fällen möglicher sexueller Übergriffe, die sich aber nicht nachweisen ließen. Kurz nach Auslaufen der Führungsaufsicht hatte P. sich im Internet an Ayleen herangemacht und mit ihr im Rahmen eines Computers-Spiels einen Kontakt aufgebaut.

Der Mann musste nach der Entlassung aus der Psychiatrie triebhemmende Medikamente nehmen, wie aus einer Mitteilung des Landgerichts Limburg hervorgeht. Die Führungsaufsicht wurde von drei auf fünf Jahre verlängert, da niemand einschätzen konnte, wie es sich auf den Sexualtrieb von Jan Heiko P. auswirken würde, wenn er diese Medikamente absetzen würde. P. habe »nicht die erforderliche Offenheit zur Frage seiner Sexualität« und über »seine sexuellen Wünsche und Vorstellungen« im Umgang mit Therapeuten und seinem Bewährungshelfer gezeigt. Der Plan der Behörden, die Führungsaufsicht für Jan Heiko P. unbefristet zu verlängern, scheiterte 2020 jedoch: P., der 2019 auch einen Strafantrag kassiert hatte, da er den Kontakt zu seinem Bewährungshelfer abbrach, beschwerte sich erfolgreich gegen die Maßnahme, die Führungsaufsicht wurde lediglich um zwei Jahre verlängert. Dem nun vorliegenden Geständnis sei eine mehrstündige, akribisch vorbereitete Vernehmung des Verdächtigen vorausgegangen, so Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger. Jan Heiko P. hatte nach seiner Festnahme zunächst wochenlang behauptet, nichts mit dem Tod Ayleens zu tun zu haben. Der 29-jährige sitzt seit Ende Juli in U-Haft, ihm werden die Entziehung einer Jugendlichen, sexueller Missbrauch und Mord zur Vertuschung der Missbrauchstat angelastet. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei habe man den Verdächtigen im Verhör mit den Ergebnissen der Ermittlungen konfrontiert. Diese hätten, basierend auf unter anderem Zeugenvernehmungen, forensischen Untersuchungen und der Auswertung digitaler Spuren, in den vergangenen Wochen ein belastendes, "beweiskräftiges" Bewegungsprofil des inhaftierten Mannes und "ein konkretes Vorstellungsbild" des Tatablaufs ergeben.

Bürgermeister zeigt sich erleichtert

In Ayleens Heimatort Gottenheim wurde die Nachricht vom Geständnis des Täters am Dienstag mit Erleichterung aufgenommen: "Es wäre schrecklich gewesen, wenn es hier einen reinen Indizienprozess gegeben hätte. Das Geständnis ist ein großer Schritt", sagte Bürgermeister Christian Riesterer (parteilos) in einer ersten Reaktion. "Ich bin erleichtert, und ich denke, dass es in Gottenheim vielen Menschen so gehen wird." Nun sei es an der Polizei, die weiteren Ermittlungen zu führen.

Kommentar: Meilenstein

Von Ralf Deckert

Die akribischen Ermittlungen haben zum Erfolg geführt: Der Verdächtige im Fall der getöteten Ayleen A. aus Gottenheim bei Freiburg hat ein Geständnis abgelegt. Es ist ein Meilenstein für die Ermittler. Und sicher auch ein wichtiger Schritt auf dem schmerzvollen Weg der Heilung für die Familie des toten 14-jährigen Mädchens und die Menschen in Gottenheim. Durch das Geständnis gibt es Gewissheit, wo bisher nur Spekulationen herrschten. Nun wird es darum gehen, Ayleens Mörder der Gerichtsbarkeit zuzuführen. Die Chancen, dass er nie wieder aus dem Gefängnis kommt, dürften dabei nicht schlecht stehen. Es wird aber auch zu prüfen sein, ob es Fehler bei der Überwachung dieses Sexualtäters gab, der schon mit 14 Jahren in die Psychiatrie kam. Die Frage, ob Ayleens Tod vermeidbar gewesen wäre, wird uns noch lange umtreiben.