Der Bundesgerichtshof hat im November Jahresentgelte in einem Bausparvertrag für unzulässig erklärt. Trotzdem halten einige Anbieter an den Gebühren fest.

Die Aussage des Bundesgerichtshofs (BGH) klang ziemlich eindeutig: Durch die Erhebung eines Jahresentgelts würden „die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt“, erklärte der BGH Mitte November in einer Pressemitteilung. Sie bezog sich auf ein Urteil, mit dem die obersten Richter eine Entgeltklausel der BHW für unwirksam erklärten. Verbraucherschützer empfahlen daraufhin auch den Kunden anderer Bausparkassen eine Rückforderung in der Vergangenheit gezahlter Jahresentgelte. Doch die Unternehmen legen das Urteil ganz unterschiedlich aus.

Wüstenrot hat die Jahresentgelte für Bausparer weitgehend abgeschafft. Schwäbisch Hall dagegen streicht die Gebühren nur bei Verträgen, die vor Dezember 2018 geschlossen wurden, wie ein Sprecher am Donnerstag mitteilte. Die LBS Südwest wiederum vertritt die Auffassung, dass das BGH-Urteil auf ihre Verträge überhaupt nicht anwendbar ist. Alle drei begründen ihre jeweilige Reaktion mit der schriftlichen Urteilsbegründung, die über den Jahreswechsel veröffentlicht wurde.

Benachteiligung der Bausparer

In dieser Begründung taucht der Satz mit „den Geboten von Treu und Glauben“ nur als Zitat auf, das sich die Richter nicht zu eigen machen. In der Urteilsbegründung finden sich indes zahlreiche andere Aussagen, die dafür sprechen, dass der Senat Jahresentgelte bei Bausparverträgen ganz grundsätzlich für unzulässig hält.

Beispiel: „Auch in der Ansparphase eines Bausparvertrags gilt der allgemeine Grundsatz, dass Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, in denen Aufwand für die Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist“ (Aktenzeichen XI ZR 551/21, Randnummer 24). Und zur „bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse“ seien Bausparkassen von Gesetzes wegen verpflichtet. „Die klauselmäßige Vereinbarung eines solchen Jahresentgelts indiziert daher eine unangemessene Benachteiligung der Bausparer.“ Jahresentgelte in der Darlehensphase von Bausparverträgen hatte der BGH schon 2017 für unwirksam erklärt.

LBS Südwest und Schwäbisch Hall verwenden andere Klauseln

Die LBS Südwest begründet die in der Ansparphase erhobenen Jahresentgelte indes nicht mit den anfallenden Verwaltungstätigkeiten, sondern damit, dass der Kunde mit Vertragsabschluss den Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwerbe. „Für die Verschaffung und Aufrechterhaltung dieser Anwartschaft erhebt die Bausparkasse in der Sparphase ein jährliches Entgelt“, heißt es in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der LBS Südwest. Ganz ähnlich lautet die Formulierung der Entgeltklausel in den neueren Verträgen von Schwäbisch Hall, für die das Unternehmen weiterhin Jahresentgelte erhebt.

Ob das zulässig ist, scheint nach Lektüre des BGH-Urteils zweifelhaft. Dass Bausparkassen einen gewissen Aufwand dafür erbringen müssen, den Anspruch ihrer Kunden auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erfüllen, wird darin ausdrücklich zugestanden. Dies sei aber „lediglich notwendige Vorleistung für die eigentliche Leistungserbringung“ und damit gerade keine Sonderleistung, führen die Richter aus.

Abschlussgebühren bleiben zulässig

Überdies könnten Bausparkassen schon bei Vertragsunterzeichnung eine Abschlussgebühr erheben, betont der BGH. Und die Spareinlagen würden – gemessen an den Marktbedingungen bei Vertragsabschluss – vergleichsweise niedrig verzinst. „Vorteilen der Bausparer in der Darlehensphase stehen mithin (. . .) bereits ohne Berücksichtigung des Jahresentgelts nicht unerhebliche Nachteile in der Ansparphase gegenüber“, urteilten die Richter.

Die Verbraucherzentralen empfahlen Bausparern bereits im November, in der Vergangenheit geflossene Jahresentgelte zurückzufordern. Musterbriefe dafür sind auf den Websites der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Stiftung Warentest verfügbar.

Schwäbisch Hall teilte mit, Erstattungsforderungen würden daraufhin überprüft, welcher Tarifgeneration der jeweilige Vertrag angehöre. Berechtigten Ansprüchen werde man „selbstverständlich nachkommen“. Wüstenrot dagegen betrachtet nach dem BGH-Urteil die bislang erhobenen Jahresentgelte generell als unwirksam, außer bei Verträgen mit Riester-Förderung. Bei normalen Bausparverträgen werde auf schriftlichen Antrag der Kunden Geld erstattet – allerdings nicht unbegrenzt. „Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall drei Jahre, sodass vor dem 1.1.2019 berechnete Gebühren der Verjährung unterliegen.“

Umstrittene Verjährungsfrist

Die Verjährungsfrist ist allerdings umstritten. Die Verbraucherzentralen vertreten die Auffassung, dass Bausparer sämtliche in der Ansparphase gezahlten Jahresentgelte zurückverlangen können.

Zur Begründung verweisen sie auf verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu „missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen“. Danach greift eine Verjährungsfrist nur, wenn „der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist“ (EuGH-Urteil C‑80/21 bis C‑82/21 vom 8.9.2022). Die Rechtslage sei aber erst mit dem BGH-Urteil vom 15. November höchstrichterlich geklärt worden, argumentieren die Verbraucherschützer.

Sonderfall Wohn-Riester

Bezüglich von Bausparverträgen mit Riester-Förderung hat sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) noch nicht positioniert. Nach Einschätzung von Wüstenrot und Schwäbisch-Hall sind sogenannte Wohn-Riester-Verträge vom BGH-Urteil nicht betroffen. Zur Begründung verweisen die Unternehmen auf das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz. Dort steht, dass ein Altersvorsorgevertrag neben Abschluss- und Vertriebskosten auch Verwaltungskosten vorsehen darf. Die Stiftung Warentest vertritt indes die Auffassung, dass diese Regelung keine Gebühren erlaubt, die nach allgemeinen Regeln „als verbraucherbenachteiligend unzulässig sind“.