Am Grenzübergang in Kehl werden nach dem Anschlag wieder Autos kontrolliert. Foto: dpa

Ungewöhnlicher Anblick im kleinen Grenzverkehr: Die sonst offene Grenze auf der Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg ist wieder ein Kontrollpunkt. Unmittelbar nach den Anschlägen in Paris hat die französische Polizei mit Kontrollen an den Grenzen begonnen.

Kehl - Ungewöhnlicher Anblick im kleinen Grenzverkehr: Die sonst offene Grenze auf der Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg ist – wie bei Anschlägen üblich – wieder ein Kontrollpunkt. Der Grund: unmittelbar nach den Anschlägen in Paris hat die französische Polizei mit Kontrollen an den Grenzen begonnen, auch an den Übergängen zwischen dem Elsass und Baden-Württemberg. Die am Zoll zuständige Deutsche Bundespolizei hat unmittelbar danach ihre Arbeit aufgenommen und unterstützt ihre französischen Kollegen.

Polizisten auf beiden Seiten

Auf beiden Seiten der Grenze stehen Polizisten zur Fahrzeugkontrolle bereit, es sind nur fünf Einsatzwagen und etwa zwanzig Beamte. Auf schweres Gerät verzichten die Ordnungskräfte, es sind keine gepanzerten Fahrzeuge aufgefahren, die Polizei, auch die deutsche, ist mit Maschinenpistolen bewaffnet. Kontrolliert wird vor allem der LKW-Verkehr, die Kontrolleure lassen sich die Frachtpapiere zeigen. Der PKW-Verkehr wird stichprobenartig überprüft.

Kontrolliert wird vor allem Verkehr, der aus Frankreich nach Deutschland unterwegs ist. Die Staus halten sich dennoch in Grenzen, kein Vergleich zu den Stoßzeiten vor dem „Schengen-Abkommen“.

Kontrollen an Knotenpunkten

An kleineren Grenzübergängen wie etwa zwischen Nonnenweier (Ortenaukreis) und Gerstheim, ein paar Kilometer rheinaufwärts, funktioniert die grenzüberschreitende deutsch-französischen Zusammenarbeit der Polizei. Die deutschen Beamten übernehmen die Kontrollen dort komplett und entlastet damit die französischen Sicherheitskräfte, die ihrerseits an vielen anderen strategisch wichtigen Stellen oder Verkehrsknotenpunkten in Frankreich im Einsatz sind. Die Stabsstelle für die Koordination ist in Kehl angesiedelt.

Auch im südbadischen Kontrollpunkt zwischen Chalampé und Müllheim (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) kontrolliert die deutsche Polizei. Auf der Grenzbrücke Breisach kontrollieren Beamte auf beiden Seiten Ausweise und schauen zuweilen in Kofferräume. Der Einkaufstourismus von Frankreich nach Südbaden ist an diesem Samstag deutlich schwächer als üblicherweise.

Polizei kontrolliert auch in Straßburg

„Inzwischen wurde auch das in Straßburg verfügbare Militär in Bereitschaft versetzt, an strategisch wichtigen Punkten der Stadt ist die Polizei präsent“, sagte der Straßburger Präfekt Stéphane Fratacci nach einer Krisensitzung mit den Polizei- und Militärchefs.

„Wir behalten uns Personenkontrollen vor und werden einzelne Pkw überprüfen“, erläuterte vor diesem Hintergrund der Straßburger Polizeichef. Ziel sei es, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. Darüber hinaus müssten strategisch wichtige Orte, öffentliche Verkehrsmittel oder Einkaufszentren gesichert werden. Allein in Straßburg seien 400 Beamte mehr als üblich im Einsatz. Im Visier der Polizei befinden sich zudem Bahnhöfe und die beiden Flughäfen Straßburg und Mulhouse, wo das Sicherheitsaufgebot aufgestockt und vermehrt Gepäck überprüft und geöffnet werde.

Veranstaltungen finden wohl statt

Die akuten Maßnahmen erstrecken sich abseits der französischen Hauptstadt allerdings nicht selbstverständlich auf in den kommenden Tagen geplante Großveranstaltungen. Dass Staatschef François Hollande den Ausnahmezustand verhängt hat, bedeute für Straßburg und das Elsass nicht zwingend, dass diese abgesagt werden müssten, so Fratacci. „Diese Kategorie von Maßnahmen“, sagte der Präfekt, „erstreckt sich zunächst auf den Großraum Paris.“ Aus diesem Grund ging der Präfekt am frühen Nachmittag noch davon aus, dass das Konzert des französischen Rockstars Johnny Hallyday in der Konzerthalle Zénith am Abend stattfinden werde. „Wir prüfen den Einzelfall und die möglichen Sicherheitsvorkehrungen“, sagte Fratacci.

Parallel lässt die elsässische Staatsanwaltschaft den Geheimdiensten gemeldete, radikalisierte Personen überprüfen. „Wir haben seit den Anschlägen in Paris vom Januar 300 bis 400 Hinweise auf Personen erhalten, die zu einer potenziell verdächtigen Gruppe gehören oder die durch hetzerische Umtriebe aufgefallen sind“, sagte Oberstaatsanwalt Jean-François Thony.

Jüdische Einrichtungen wie Schulen und Synagogen waren seit den Anschlägen vom Januar 2015 auf die Satirezeitschrift Charlie-Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Straßburg bis zuletzt von schwer bewaffneten Soldaten bewacht worden.

Eine Krisensitzung ist geplant

Zu den möglichen Folgen für den in zwei Wochen beginnenden Straßburger Weihnachtsmarkt wollte sich Stèphaner Fratacci nicht äußern. Eine Krisensitzung mit Vertretern der Stadt und der Präfektur ist für Anfang kommender Woche anberaumt. Straßburgs Oberbürgermeister Roland Ries schließt eine Absage nicht aus. „Wir können kein Risiko eingehen“, sagte Ries heute Nachmittag. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er findet unter hohen Sicherheitsauflagen statt, oder wir sagen ihn ab.“ Der Straßburger Weihnachtsmarkt zählt mit zwei Millionen Besuchern in den Dezemberwochen zu den wichtigsten Touristenattraktionen Frankreichs während der Adventszeit. Um die Jahrtausendwende hatten die französischen Geheimdienste einen geplanten Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verhindern können. „Mein Eindruck ist“, sagte Ries, „dass die Geheimdienste hier ein Wörtchen mitzureden haben.“