Im Vogelschutzzentrum des Nabu in Mössingen werden kranke, verletzte oder verlassene Vögel für die Auswilderung aufgepäppelt. Foto: Salome Menzler

Täglich werden im Nabu Vogelschutzzentrum in Mössingen verlassene oder verletzte Vögel abgegeben. Das Team pflegt die Tiere im besten Fall bis zur Auswilderung. Doch wie läuft das ab?

Ein kleiner brauner Karton in der Hand, Löcher für die Luftzufuhr und Küchpapier darunter, die den Karton abdunkeln. Eine Frau betritt das Gelände des Nabu Vogelschutzzentrums in Mössingen. Sie steuert direkt auf das Gebäude zur Vogelabgabe zu.

 

Der kleine Vogel, der sich im Karton befindet, ist bei ihr zu Hause gegen ein Fenster geflogen. Mit einem deutlichen Schädelhirntrauma windet sich das kleine Tier im Karton. Die beiden hauptamtlichen Tierpfleger, Jürgen Wuhrer und Rebecca Strege, nehmen sich dem Tier an.

Im Nabu Vogelschutzzentrum werden jährlich rund 1500 Vögel aufgenommen. Foto: Salome Menzler

Sie identifizieren die kleine Kohlmeise, prüfen ungefähres Alter und packen sie vorübergehend in einen kleinen, leicht gepolsterten Käfig. Dort muss sie sich erst einmal vom Schock erholen.

Währenddessen trifft bereits eine weitere Frau ein, die ebenfalls eine Kohlmeise einliefert, die gegen ein Fenster geflogen ist. Es ist gerade einmal 10 Uhr, das Schutzzentrum hat seit 9 Uhr geöffnet. Täglich empfangen die Tierpfleger Vögel, die entweder verlassen oder verletzt gefunden werden. Im Jahr sind es rund 1500 Vögel.

Wann ist Eingreifen wirklich nötig?

Dabei ist es jedoch wichtig, darauf zu achten, dass die Hilfe auch notwendig ist und die Tiere nicht ihren Eltern genommen werden, betont Wuhrer. Nicht jeder Vogel auf dem Boden, braucht direkt Hilfe. „Am besten sollte ein bis zwei Stunden mit genügend Abstand das Tier beobachtet werden“, führt er aus.

Gerade zur aktuellen Jahreszeit befinden sich demnach viele Ästlinge auf dem Boden. Dieser Nachwuchs ist bereits aus dem Nest ausgeflogen, ist jedoch noch nicht vollständig flugfähig und wird ungefähr jede Stunde von den Eltern gefüttert. Diese Vögel sollte man also lieber an der Fundstelle in Ruhe lassen.

Der kleine Blaumeisen-Ästling hat einen gebrochenen Fuß, der im Zentrum stabilisiert werden konnte. Das Rotkehlchen daneben hätte nicht unbedingt im Zentrum landen müssen, erklärt Wuhrer. Foto: Salome Menzler

Weisen sie jedoch offensichtliche Verletzungen auf, ändert sich die Situation. Dann ist es besser, sie in eine Auffangstation zu bringen. Das Nabu Vogelschutzzentrum arbeitet im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Sie nehmen Vögel aus ganz Baden-Württemberg auf – aber auch über die Bundeslandgrenze hinaus – päppeln die Tiere auf und wildern sie im besten Fall wieder aus.

Überlebenskampf im Vogelschutzzentrum

Doch das gelingt nicht immer. „Ungefähr die Hälfte schafft es“, erläutert der Tierpfleger. Oft sterben die verletzten Tiere während der Anreise oder innerhalb der ersten 24 Stunden im Zentrum. Die Verletzungen sind zu extrem. Doch in vielen Fällen schaffen es die Tiere und durchlaufen dann eine ganze Reihe an Volieren.

Das Nest dieser kleinen Vögel ist abgestürzt. Die Tierpfleger ziehen sie nun groß und bereiten sie auf die Auswilderung vor. Foto: Salome Menzler

Aus den Inkubatoren für die Kleinsten heraus geht es in den „Kindergarten“ des Zentrums. In diesem können die Singvögel die ersten Flugversuche starten und Kräfte sammeln. „Aktuell ist unser Kindergarten recht voll“, meint Wuhrer.

In dieser Voliere können Jungvögel erste Flugversuche unternehmen und sich auf die Wildnis vorbereiten. Die Hauptsaison beginnt jedoch erst in etwa vier Wochen. Dann wird es mit dem Platz in den verschiedenen Volieren schwierig.

Im „Kindergarten“ des Schutzzentrums bereiten sich einige Meisen auf den ersten Flug vor. Foto: Salome Menzler

Vom „Kindergarten“ geht es weiter in eine etwas größere Voliere, die über eine Klappe mit einem Außengehege verbunden ist. Diese wiederum ist über eine Klappe mit der freien Natur verbunden.

In dieser Voliere lernen die Vögel zu fliegen und bekommen – je nach Vogelart – Futter, dass sie selbst lernen müssen zu finden. Beispielweise wird eine Wanne hineingestellt, auf der die Vögel Insekten finden und herausholen müssen.

Schritt für Schritt zur Freiheit

Für die Singvögel endet hier ihre Zeit im Vogelschutzzentrum. Wobei viele auch zurückfinden. „Wir haben zum Teil Vögel, die nach zwei Jahren noch zurück in die Außenvoliere finden“, erzählt der Tierpfleger.

Ob dadurch das Ziel der kompletten Auswilderung misslungen ist? Keinesfalls. „Es ist schön zu sehen, dass die Tiere draußen überlebt haben.“ Wenn sich zeigt, dass sie sogar gebrütet haben, sei dies umso schöner.

Für größere Vögel, beispielsweise Rabenvögel, gibt es separate Volieren. Foto: Salome Menzler

Für größere Vögel gibt es wiederum eigene Volieren. Dazu gehören vor allem Tauben, Rabenvögel oder auch mal ein Eichelhäher, der gerade vor Ort ist. Denn diese würden eine Gefahr für die kleineren Singvögel darstellen.

Platzmangel im Vogelschutzzentrum

Wasservögel haben ihren eigenen Bereich, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Und Greifvögel sind in einer eigenen Anlage untergebracht. Was man vor Ort bemerkt: Die Volieren können sich recht schnell füllen. Platzmangel ist besonders in der Hochsaison ein Problem.

Tierpfleger Jurgen Wuhrer hält einen Mäusebussard. Der Nestling kann ohne Elterntiere nicht überleben. Foto: Salome Menzler

Doch Abhilfe soll kommen. „Wir bauen eine Anlage komplett um, mit neuem Versorgungszentrum“, führt Wuhrer aus. Und eine neue Anlage mit Großvoliere, in der besonders Greifvögel untergebracht werden, soll ebenfalls gebaut werden.

Dazu gehören einzelne Räume für die verschiedenen Vögel, eine kleine Flugübungsstation sowie die Großvoliere, die dank einer großen Spendenaktion mit einem Stahlnetz überdacht ist. „Wir hatten hier schon zwölf Störche auf einmal“, erzählt Wuhrer. Die Großvögel brauchen natürlich den Platz.

Während sich der linke Specht von seiner Flügelfraktur erholt, muss der rechte von seinem Leiden erlöst werden Foto: Salome Menzler

Für die Tierpfleger gilt es, die Verletzungen und teils das Großziehen der Vögel bestmöglich zu versorgen. Doch wird dabei stets darauf geachtet, die Vögel nicht an menschlichen Kontakt zu gewöhnen. Denn das kann dazu führen, dass die Tiere nicht mehr ausgewildert werden können.

Dieser Raufußkauz wurde von den Findern handzahm gepflegt. In der Wildnis würde er nicht überleben. Daher kommt er nun in einen Tierpark. Foto: Salome Menzler

Das Vogelschutzzentrum bekommt auch Tiere, die eine längere Zeit bei ihren Findern verbracht haben. Zum Teil sind diese so zahm geworden, dass sie von Mössingen aus in Tierparks geschickt werden, um dort ihr Leben zu verbringen.

Achtung bei der Pflege zu Hause

Neben der zahmen Vögel gibt es aber weitere Fehler von Findern, die den Vögel zum Verhängnis werden können. Ein großes Problem ist die falsche Fütterung der Fundtiere.

Laut Wuhrer und seiner Kollegin Strege erleiden die Vögel durch falsches Futter derartige Krankheiten oder Verletzungen, die nicht mehr zu retten sind.

Zum einen würden den Tieren oft Haferflocken angeboten, die jedoch im Magen aufquellen und zu Problemen führen können. Zum anderen werden sie mit Katzen- oder Hundefutter gefüttert, die für Vögel nicht geeignet sind.

Diese Vögel haben vermutlich wegen falschen Futters ein geschädigtes Gefieder. Sie müssen ein paar Monate in Mössingen verbringen. Foto: Salome Menzler

Falsches Futter führt neben dem möglichen Tod auch zu Gefiedererkrankungen. In diesem Fall müssen die Vögel auch deutlich länger als die üblichen vier bis acht Wochen im Zentrum bleiben. Diese Zeit verlängert sich über Monate, bis der Vogel mit geeignetem Futter nach seiner Mauser wieder ein gesundes Gefieder hat.

Um Fenster für Vögel sicherer zu machen, kann die Spiegelung durch verschiedene Klebepunkte reduziert werden. Foto: Salome Menzler

Wer zu Hause zudem eine der Hauptursachen für verletzte Vögel im Zentrum mindern will, kann sich daran machen seine Fenster etwas zu bekleben. Denn die Spiegelung in den Scheiben, in denen die Vögel die Landschaft sehen, führt dazu, dass sie gegen die Scheiben fliegen.

Fenster für Vögel sichern

Klebepunkte
Die gängigen Aufkleber von größeren Vögel reichen laut Tierpfleger Jürgen Wuhrer nicht aus, um Vögel davon abzuhalten, gegen Fenster zu fliegen. Die Spiegelung, in der die Tiere Landschaft sehen, ist das Problem. Um diese zu reduzieren beziehungsweise zu stören, seien bestimmte Klebepunkte besser geeignet. Mittlerweile gibt es beispielsweise über den Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern besonders kleine Punkte, die die Sicht für Menschen nur gering einschränkt. Von innen sind die Punkte schwarz, von außen spiegeln sie. Jedoch müssen sie im Abstand von neun Zentimetern angebracht werden und über die gesamte Fläche verteilt werden.